Innovation & Future In diesem Dorf in Indonesien wird Youtube zur Einkommensquelle Nummer eins

In diesem Dorf in Indonesien wird Youtube zur Einkommensquelle Nummer eins

Vergiss L.A. und Dubai: Die interessanteste Creator-Community der Welt ist das indonesische Youtuber-Dorf Posong – und die Menschen schaffen dort mit Kurzvideos erstaunlichen Wohlstand

Text und Fotos: Putu Sayoga

Ein Obdachloser sitzt in zerschlissener Kleidung am Straßenrand, als sich plötzlich ein Mann und eine Frau auf einem Motorrad nähern und ihn beschimpfen. Er sagt kein Wort, senkt lediglich den Kopf. Nachdem das Paar sich an ihm abreagiert hat, fährt es einfach weg. Kurze Zeit später kommt eine Frau, die Mitleid mit dem Obdachlosen hat. Sie gibt ihm zu essen – und dann ruft plötzlich eine laute Stimme: „Okay, gut, gehen wir zur nächsten Szene über.“

Wir sind hier bei den Dreharbeiten zu einem Kurzfilm, der von Bewohner:innen des indonesischen Dorfes Posong in Ostjava gedreht wird. Die Dreharbeiten selbst finden nicht im Studio statt, sondern einfach draußen, ohne Kulissen: in den Reisfeldern und Gärten der Gegend. Zur Aufnahme werden ausschließlich Smartphones genutzt. Und das alles ist mittlerweile Alltag im Dorf: Für die Menschen von Posong ist das Drehen von Kurzfilmen der Dayjob – seit sie herausgefunden haben, wie man auf Youtube Geld verdienen kann.

Actor applies make up during filming short movie in Posong, Bondowoso, East Java, Indonesia.

Die Regel war bisher folgende: Bewohner:innen von Posong werden entweder Bauern, wie schon unzählige Generationen vor ihnen, oder sie ziehen in die nächstgrößere Stadt. Fertig. Posong, muss man sagen, liegt im indonesischen Bezirk Bondowoso, fünf Autostunden von Surabaya, der Hauptstadt der Provinz Ostjava, entfernt. Und dort ist nun ein ganzes Dorf an Ex-Bäuer:innen und Neu-Creators beheimatet.

Das alles geht auf einen Mann zurück: Imam Januar, 35, der einen in seinem Haus empfängt. Das ist in eine Art Hauptquartier für die Creators aus dem Dorf umgewandelt worden. In seiner Garage werden nun Videos hochgeladen, dort stehen auch drei PCs, die jeder nutzen kann. Das Internet ist schnell und wird von Januar umsonst zur Verfügung gestellt. An der Wand hängen zwei goldene und zwölf silberne Youtube-Play-Buttons, die einem der Streamingdienst schickt, wenn eine gewisse Abonnent:innenzahl erreicht wird. Unterdessen bearbeitet ein junges Team Videos auf den Handys und bespricht Ideen für neue Inhalte.

Hustle in Ostjava

Imam Januar hat hier Pionierarbeit geleistet – aus der Not heraus. Die Jahre zuvor betrieb er noch einen Laden in der Stadt Bondowoso. 2017 lieh er sich Geld für die Renovierung seines Hauses und saß seitdem auf Schulden. Was machen? Er bekam in Facebook-Gruppen mit, dass andere Menschen mit Youtube Geld verdienten, indem sie eigenen Content hochluden. Januar nahm sein Smartphone zur Hand und fing an zu drehen. Und er ließ nicht locker. Es dauerte etwa ein Jahr, bis sich erste kleine Erfolge vorweisen ließen. Januar blieb hartnäckig und wandelte Prinzipien und Best-Practice-Formeln für seine Videos ab. Und die zündeten.

Doch in einem Dorf lässt sich natürlich auch der kleinste Erfolg nicht verstecken. Schon gar nicht, wenn man wie Januar plötzlich schuldenfrei war und sich ein neues Auto leisten konnte. Bald kam der Nachwuchs aus Posong auf ihn zu und löcherte ihn: Wie nutzt man das Smartphone richtig, wie findet man Ideen für Inhalte, zu welcher Uhrzeit lädt man die Videos am besten hoch? Januar verstand schnell, dass sich hier eine neue Berufung für ihn auftat. Er sagt: „Jeder sollte meine Strategie kennen und die Möglichkeit haben, mit Youtube Geld zu verdienen.“

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