Personal Finance Inside Krypto-Scam: „Ich habe dem Gründer zu lange vertraut“

Inside Krypto-Scam: „Ich habe dem Gründer zu lange vertraut“

In den dunklen Ecken des Internets basteln immer noch viele Menschen an hochriskanten Krypto-Projekten. Adrian* glaubte lange an Shotcoin, bis etwas Verdächtiges geschah. Ein Protokoll.

Dramatis personae (*alle Namen von Personen und Kryptoprojekten zum Quellenschutz verfremdet):
– Adrian Holms: Der Erzähler. Ein Student mit knappem Budget.
– Bob Chance: Der Erfinder von Shotcoin, tritt auch in Twitch-Streams mit seinem Gesicht zutage, ein Mann mittleren Alters. Erfolglose Karriere im Showbusiness. Charmant. Aber mindestens ein Stümper.
– Caroline X: Mitgründerin von Bob.
– Dorian Y: Der Admin einer Krypto-Gruppe auf Telegram. Aber er hat ein Geheimnis…


„Für mich fing die Faszination mit dem Dogecoin-Hype an. Das Risiko war mir klar. Aber die Aussichten eben doch zu verlockend. Ich investierte 120 Euro, als Doge bei vier Cent stand. Zeitweise waren es ja fast 70. Mein Investment hätte auf dem Höhepunkt über 2.000 Euro entsprochen. Als ich verkauft habe, war es viel weniger. Ich habe Geld verloren. Aber nicht aufgegeben: Andere Kryptogewinne haben mir ermöglicht, mein Studium zu Ende zu bringen. Es gab viele kleine Krypto-Projekte mit großen Versprechungen. Das berühmteste von ihnen hieß Safemoon. Und ging durch die Decke. Ich wusste also: 100 Euro können zu Hunderttausenden werden. Oder verpuffen.

Legenden von Ruhm und Betrug

Denn ich las auf Reddit auch von den vielen Betrugsfällen mit Coin-Projekten: Stell es dir vor wie bei einem altmodischen Abenteurerprojekt: Irgendjemand will dein Geld, um damit einen Schatz zu finden, der irgendwo verbuddelt ist. Aber er gräbt nie danach, sondern macht sich mit deiner Beteiligung aus dem Staub.

In einem Reddit-Forum postete jemand einen Link zu einer Telegram-Gruppe. Dort besprach der Admin namens Dorian immer neue Projekte, entlarvte Unseriöses. Das wirkte auf mich vertrauenswürdig.

Eine versteckte Spelunke

Dorian kündigte irgendwann sein eigenes Kryptoprojekt an. Es sollte Shotcoin heißen. Das Besondere: Es gab eine Art Transaktionsgebühr. Die sollte zum Beispiel an kranke Kinder gespendet werden. Ich war mir nicht sicher, was davon zu halten war, wollte mehr über die Hintergründe herausfinden. Deshalb schrieb ich Dorian direkt an, wollte mich engagieren. Er fand das super. So kam ich in die nächste Gruppe auf Telegram.

Willkommen im Hinterzimmer

In dieser Gruppe waren außer mir weitere Moderatoren und zwei andere, die ich namentlich nennen möchte: Der Shotcoin-Gründer Bob Chance und das andere Team-Mitglied Caroline, die unter Alias auftrat. Heute ist mir klar: Zumindest einige Posts von „Dorian“ kamen eigentlich von Bob Chance. Das wusste ich damals nicht, aber ich war grundsätzlich misstrauisch. Trotzdem ließ ich es darauf ankommen und investierte 200 Dollar.

Die Expedition beginnt

Dann kam der Launch. Wir machten fleißig Werbung. Vor allem auf Reddit. Der Preis von Shotcoin verdoppelte sich in den ersten paar Tagen von 0,01 US-Dollar auf 0,02. Dann stürzte er ab. Und ein Moderator aus der ersten Gruppe kam mit dem nächsten Projekt um die Ecke. Es hieß ElonMelon und sollte eine Nachricht an Elon Musk sein. Immer dann Coins vernichten, wenn der Krypto zum Fallen brachte. Und so selbst im Wert steigen. Ich hielt es von Anfang an für schwachsinnig. Das habe ich auch in die Gruppe gepostet, niemand sprang darauf an. Ich fand das verdächtig. Allerdings hatte ich keine Beweise, dass Bob in irgendeiner Weise mit ElonMelon zusammenhing. Das war nur ein Verdacht.

Der Beweis

Aber jemand anders war weniger vorsichtig: Caroline. Ich konnte ihre Spur über Reddit und Chatverläufe auf ElonMelon zurückverfolgen. Ich packte alle Beweise gegen sie in ein Dokument. Suchte nach einer Lösung, um Schaden von den anderen abzuwenden. Aber das war schwierig. Denn wenn ich meine Beweise auf Telegram gepostet hätte, dann hätten alle verkauft, die gerade den Chat mitlasen. Der Kurs wäre abgestützt. Die anderen hätten also ihr Geld verloren. Das wollte ich vermeiden.

Ich wartete erst mal ab. Moderierte weiter in der Gruppe, der Markt entspannte sich. Schließlich chattete ich wieder mit Bob. Und sagte ihm, dass seine Mitgründerin Caroline bewiesenermaßen bei ElonMelon involviert war. Er wehrte ab, wurde fast ein bisschen aggressiv. „Willst du mich erpressen?“, fragte er. Ich habe ihn beruhigt. Wie gesagt: Ich wollte nicht, dass das Projekt scheiterte und die anderen alles verloren. Und er erklärte, dass Caroline bei Shotcoin nicht mehr dabei war.

Der Absturz

Dann gab es Werbung auf Youtube und einen Beitrag in einem zwielichtigen US-Medium. Das hat den Kurs noch mal zum Steigen gebracht fast wieder auf den Höchststand. Ich habe verkauft. Und meinen Einsatz etwa auf 600 Dollar verdreifacht. Der Kurs fiel schnell wieder. Der nächste Schritt sollte eine dezentrale Tauschplattform für Coins sein. Daran hatte Bob mit einem Entwickler gearbeitet. Als die Plattform live ging, war sofort zu erkennen, dass sie nicht funktionierte. Da fiel der Kurs erst recht ins Bodenlose.

Der Kapitän flieht – mit den Vorräten

Bob Chance dürfte an diesem Punkt endgültig Panik bekommen haben. Er tat das, was ich befürchtet hatte: Deaktivierte den Handel und verkaufte alle Shotcoins, auf die er zugreifen konnte. Ich vermute, dass er damit 150.000 Dollar eingenommen hat. Dass er mit einem Gewinn rausgegangen ist, nach Abzug der Ausgaben, glaube ich nicht.

Die Moral und das Fressen

Ob Bob ein Betrüger war? Ich denke bis heute nicht, dass er das so geplant hat. Ich sehe ihn eher als naiven Trottel. Er hoffte tatsächlich, dass er mit dem Projekt groß werden könnte. Bob hat allen ihr Geld zurückgegeben, die das verlangt haben. Er blieb in der Telegramgruppe aktiv und hat regelmäßig Updates gepostet. Bestimmt sind trotzdem einige leer ausgegangen. Diejenigen, die sich nicht laut genug beschwert haben. Es ging um viel Geld. Manche haben Bob gedroht, mit Gewalt, auch gegen seine Familie. Dass ich mit meinen Posts in der Gruppe Menschen zum Kaufen animiert habe, das bereue ich im Nachhinein. Ich habe aber immer vor den Risiken gewarnt und nie gelogen. Ich verstehe die Wut. Aber wer sich auf so ein Projekt einlässt, weiß auch: Nichts ist garantiert.“

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 4/22. Gregor Gysi, Claudia Obert und die Tiktokker Elevator Boys haben mit uns über Geld gesprochen. Außerdem haben wir Streetwear-Legende Karl Kani getroffen und unseren Reporter Dolce Vita auf der Modemesse Pitti Immagine Uomo genießen lassen. Hier geht es zur Bestellung – oder ihr schaut am Kiosk eures Vertrauens vorbei.

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