Innovation & Future Gastbeitrag: Daten sind kein Geschenk der Kund:innen, sondern ein Tauschgeschäft

Gastbeitrag: Daten sind kein Geschenk der Kund:innen, sondern ein Tauschgeschäft

Ein Gastbeitrag von Markus Wübben, Co-Gründer und CMO von CrossEngage

Daten sind das Herzstück der weltweiten Digitalökonomie. Mit ihnen sind ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt worden, denn es lassen sich unter anderem Werbeanzeigen gezielter aussteuern, innovative Produkte und Dienstleistungen gestalten und sie vereinfachen den Austausch zwischen Anbieter:in und Nutzer:in.

Um sich ein Bild vom Ausmaß der zirkulierenden Daten zu machen, hier ein paar Beispiele: In nur einer Minute werden einer Auswertung zufolge global 5,7 Millionen Suchanfragen bei Google gestellt, 148.000 Nachrichten auf Slack verschickt, 167 Millionen Videos auf TikTok geschaut und 283.000 US-Dollar auf Amazon ausgegeben. Expert:innen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 täglich circa 436 Exabyte an Daten generiert werden. Das sind 436 Milliarden Gigabyte: am Tag!

Allerdings wurden diese Daten nicht immer nur für „gute” Zwecke eingesetzt. Insbesondere sticht hier der Cambridge-Analytica-Skandal heraus, bei dem über Facebook/Meta gewonnene Nutzerdaten „missbraucht” wurden, um zum Beispiel die Brexit-Kampagne oder den Trump-Wahlkampf maßgeblich zu beeinflussen. Die gesamte Branche stand unter Generalverdacht des Datenmissbrauchs und kulminierte in der bemerkenswerten Vorsprache von Mark Zuckerberg vor dem US Senat und seiner Geschäftsmodellerklärung: „Senator, we run ads!”

Vieles hat sich seitdem zum Positiven verändert, insbesondere wurden technische und rechtliche Veränderungen eingeleitet, die es Nutzer:innen einfacher machen, Kontrolle über ihre Daten zu behalten.

Die Nutzer:innen sind nicht machtlos

So mächtig die Big Player auch scheinen mögen, vor allem europäische Nutzer:innen sind den Plattformen durch die angesprochenen Veränderungen nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern können oftmals selbst entscheiden, ob sie ihre Daten an die Anbieter:innen weitergeben oder nicht.

Eine der bemerkenswertesten und sowohl für Anbieter:innen als auch Nutzer:innen spürbaren Veränderungen ist ein kleines unscheinbares Fenster, dass Apple-Nutzer:innen seit iOS 14.5 beim Öffnen vieler Apps erscheint und diese um Erlaubnis fragt, ob die App-Hersteller:innen sie „tracken” dürfen. Dieses Fenster ist Teil des Apple „App Tracking Transparency”, welches zwingend in jede auf den mobilen Apple-Plattformen laufende App eingebaut sein muss. Nutzer:innen müssen seitdem dem Daten-Tracking der Unternehmen also aktiv zustimmen.

Die Auswirkungen dieses kleinen Fensters sind deutlich spürbar in Aktienkursverlusten von Branchengrößen wie Snap Inc. und Facebook/Meta. So sagte Snap-CEO Evan Spiegel in einem Analysten-Call zu den schwierigen Q3/2021-Ergebnissen: „Unser Werbegeschäft wurde durch Änderungen am iOS-Werbetracking gestört, die von Apple im Juni und Juli umfassend eingeführt wurden. Obwohl wir mit einer gewissen Betriebsunterbrechung gerechnet hatten, skalierte die neue von Apple bereitgestellte Messlösung nicht wie erwartet, was es für unsere Werbepartner schwieriger machte, ihre Werbekampagnen für iOS zu messen und zu verwalten.” Facebook/Meta erging es wenig später ähnlich. Diese Ergebnisse sind aber gar nicht verwunderlich, denn gerade einmal 18 Prozent der Nutzer:innen willigen das Tracking ein. Warum sollten sie auch?

Nutzer:innen wissen mittlerweile sehr genau, wie wertvoll ihre Daten sind und stellen zurecht Ansprüche. Im Sinne von: „Liebes Unternehmen, wenn du meine Daten haben möchtest, dann will ich vorher wissen, ob ich euch vertrauen kann und – ganz besonders – was ich davon habe.” Ich nenne dieses Verhältnis „Value for Data Relationship”. Die meisten Nutzer:innen sind nur noch dann dazu bereit, ihre wertvollen Daten mit Unternehmen zu teilen, wenn sie im Austausch einen besonderen Service erhalten und dann umso mehr, wenn sie eine gute Erfahrung mit dem Unternehmen gemacht haben.

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