Innovation & Future iPod-Erfinder Tony Fadell über Steve Jobs‘ Abneigung gegen das Modell Spotify

iPod-Erfinder Tony Fadell über Steve Jobs‘ Abneigung gegen das Modell Spotify

Tony Fadell hat im Laufe seines Lebens über 300 Patente angemeldet. Seine Silicon-Valley-Karriere führte ihn nicht nur zu Steve Jobs und Apple, er arbeitete auch für Philips und Google. Und für General Magic – die wichtigste Valley-Firma, von der niemand gehört hat, wie es einmal in einer Doku hieß.

Zwar ist Fadell nicht so bekannt wie Jobs, Jony Ive oder andere Apple-Größen. Aber ohne sein Management hätte es den iPod nicht gegeben. Was den iPod zu einer Ikone machte, die alle anderen MP3-Player überstrahlte, waren Design, Name und intuitive Software – das alles so zusammenzuführen gelang keinem der Wettbewerber.

Was hat Fadell heute über Innovation zu sagen? Mit Unternehmensberater:innen komme man jedenfalls nicht weiter. Auch dem Metaverse kann er nichts abgewinnen. Dafür aber der Hingabe an kreative Projekte. Und sogar dem Ende seiner wichtigsten Innovation – des kleinen Musikplayers mit Clickwheel. Business Punk hat den heutigen Investor im Frühjahr in Hamburg getroffen.

Herr Fadell, im Mai kam die Nachricht, dass der iPod eingestellt wird. Wie fühlt sich das an?

Allzu schlecht fühle ich mich nicht. Der iPod war eine großartige Sache. Und es hätte ohne den iPod eben kein iPhone gegeben. Das Apple von heute wäre ebenso wenig denkbar.

Keine Wehmut des Erfinders?

Ich denke ja immer noch, dass es das pure Musikhören geben muss und es auch den iPod deshalb in irgendeiner Form weiter geben sollte. Aber nach 35 Jahren in der Branche habe ich jedenfalls gelernt: Der technische Fortschritt lässt sich nicht stoppen.

Fadell beim Web Summit 2022 in Lissabon. Foto: Web Summit CC BY 2.0

Damals sprach man eher von MP3-Playern.

Manchmal werden Produktnamen ja für eine ganze Kategorie verwendet. Ob ich das beim iPod erwartet hätte? Nein.

Fürs Musikhören unterwegs stand vor allem der Walkman von Sony.

Um Sony habe ich mir immer Sorgen gemacht. Sie waren damals die Nummer eins in allen Audiokategorien: zu Hause, im Auto, zum Herumtragen. Dass wir zu einem dominanten Spieler auf diesem Feld würden, wie wir es heute sind, das hätte ich nicht erwartet. Ich bin natürlich glücklich darüber.

Sony hat diesen Platzhirschstatus an Apple verloren. Aber das passierte nicht von einem Tag auf den anderen. Wann hatten Sie das Gefühl, es gegen den Konkurrenten geschafft zu haben?

Die dritte Generation des iPod. Da gab es die Windows-Kompatibilität von iTunes. Und nicht vergessen: Ohne iTunes hätte es auch keinen iPod gegeben.

iTunes wiederum hat seine Vormacht verloren. Nutzen Sie eigentlich auch Spotify?

Ich habe seit 2009 einen Account. Damals war es nur in Europa verfügbar. Ich war buchstäblich innerhalb der ersten Stunden dabei, als Spotify online ging. Und nutze es bis heute mehrmals jeden Tag.

Wären Sie auf diese Revolution nicht gerne selbst gekommen?

Na klar. Wir haben bei Apple oft darüber gesprochen, aber es wurde nie umgesetzt. Warum nicht? Weil Steve sagte: Meine besten Kunden zahlen mir 3 000 bis 5 000 Dollar im Monat für Musik. Warum sollte ich das in ein monatliches Abo für 7,99 umbauen, wenn sie die Musik für viel Geld kaufen? Und der andere Grund: Ich weiß nicht, ob die Plattenfirmen Apple die Rechte gegeben hätten. Die haben sich nämlich nur deshalb mit Spotify geeinigt, weil sie etwas brauchten, um es mit dem iTunes Store aufnehmen zu können. Daniel Ek ist ein Genie.

Sie schätzen den Spotify-Gründer?

Schlauer Move, schlauer Typ. Er hat das hinbekommen, weil es erst mal nur in Europa war. Die Plattenfirmen haben gesagt: Wir probieren Streaming hier aus. Wir geben euch dafür ein paar Lizenzen. Dann schauen wir, ob sich das rechnet und abhebt. Tat es. Und so war Apple gezwungen, auch in den Streamingmarkt einzusteigen.

Sie kannten Steve Jobs schon früh, haben ihn auf einer Feier kennengelernt. War er ein Partymensch?

Das kommt auf die Definition an. Er war ein netter Typ. Aber er war nicht der Typ, der ausgeht und sich dann, soweit ich mich erinnere, so richtig abschießt. Er hat keinen Alkohol getrunken. Natürlich liebte er Musik. Aber ich kannte ihn nicht als einen für Party, Party, Party. Oder für durchtanzte Nächte. Jedenfalls weiß ich davon nichts, vielleicht hat er es doch gemacht.

Also hat er auch auf Partys Ideen und Geschäft besprochen?

Oh ja! Was ist das nächste heiße Ding? Welche Technologie ist cool? Wie läuft das Geschäft? Damals zumindest. Später, als ich länger bei Apple war, haben wir über alles Mögliche geredet: Familie, Kultur. Aber bei dieser Party ging es eher um meine damalige Arbeit bei General Magic und solche Sachen.

Sie beschreiben in Ihrem Buch auch einen Anruf, den Sie mal von Jobs bekamen. Sie wollten weg von Apple, hatten den letzten Tag.

Jobs wollte einfach wissen, was für ein Problem ich hatte. Ich störte mich sehr an einigen Dingen, wollte die anderen überzeugen, dass sie falsch liefen. Warum sollte man jeden Tag reinkommen und etwas tun, das man hasst? Deshalb hatte ich gekündigt.

Sie wurden am Ende befördert. Wie wird man so wichtig für Apple?

Auch ein Steve Jobs braucht jemanden, der ihn mal unter Druck setzt. Und ich habe ihn unter Druck gesetzt. Ihn herausgefordert und wütend gemacht. So, wie er mich herausgefordert hat und ich wütend wurde. Sicher war ich damit nicht der Einzige. Denn das brauchst du, diesen Gegenwind, die Auseinandersetzung. Um dich zum Denken zu bringen. Wenn du deinen Vorgesetzten immer mit „Ja, ja, ja, stimmt“ kommst, dann wachsen sie nicht – das Geschäft auch nicht.

Man braucht hartes Feedback.

Ja, sonst kommt nur Mittelmäßiges zustande. Der kleinste gemeinsame Nenner. Du kannst dich nicht mit Jasagern umgeben. Diamanten werden Diamanten durch den Druck, der auf sie einwirkt.

Foto: Web Summit CC BY 2.0

Kann man Manager:innen durch Algorithmen ersetzen? Der ist ja nicht anfällig für Schleimerei.

Auf keinen Fall! Jeder Mensch ist einzigartig. Die Art, wie man sie coacht und ihnen ein Mentor wird, sie führt, ist ganz unterschiedlich. Manche sind emotionaler, andere stiller, mit anderen musst du Armdrücken. Können wir Eltern durch Maschinen ersetzen, Therapeuten? Nein, Menschen lernen einfach am besten von anderen Menschen. Mitarbeitende arbeiten besser, wenn sie ihre Vorgesetzten respektieren. Wir brauchen die Bestätigung, die emotionale Verbindung. Stell dir vor, du bist im Metaverse. Und du weißt nicht, ob du mit einem programmierten NPC sprichst oder mit einem echten Menschen, der den Avatar steuert. Wenn es ein echter Mensch ist, wirst du dich mehr ins Zeug legen. Weil eine Beziehung davon abhängt.

In Ihrer Zeit bei General Magic hatten Sie 100-Stunden-Wochen.

Ja, das war in den Anfangstagen. Aber ich empfehle es nicht.

Junge Leute pochen auf die Einhaltung vereinbarter Arbeitszeiten. Kriegen wir das endlich auch hin?

Um klar zu sein: Über Wochen so hart zu arbeiten wie ich damals, über Jahre gar, das ist nicht gesund. Aber es wird jedes Jahr Zeiten geben, wo es nötig ist. Diese Art von harter Arbeit ist es, die den Kohlenstoff zum Diamanten presst. Es braucht diesen Druck, damit alle zusammenkommen und abliefern. Es gibt dann endlose Nächte, endlose Wochenenden auf der Schlussmeile zum Abschluss. Für ein Ergebnis von wirklich hoher Qualität. Aber es sollte nicht ein ganzes Jahr über so sein, bloß phasenweise. Diese Phasen sind wie Achterbahnfahrten, aber irgendwann hören sie auf. Sonst wird es auch sehr ungesund.

Es braucht aber auch Freiheit für großartige Ergebnisse, oder?

Ja, in der kreativen Phase am Anfang des Projekts. Alles hat seine Zeit. Später muss man dann umsetzen. Freiheit und Druck sind beide nötig.

In den Neunzigern kamen Sie als junger Mann vom Silicon Valley zum niederländischen Traditionskonzern Philips. Kann man so eine Unternehmenskultur reformieren?

Alles neu, alles neu machen! Wenn das irgendwie zeitlich im Rahmen bleiben soll, dann muss es von Grund auf neu strukturiert werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wie Philips es selbst gemacht hat. Nach dem Mauerfall kauften die eine Fabrik in Ungarn. Dort wurden seit Jahrzehnten sowjetische Radios hergestellt. Sehr schlaue Leute arbeiteten dort, mit Doktortiteln. Aber die Produktivität war furchtbar schlecht.

Phillips brachte die Fabrik auf Vordermann, legte sich richtig ins Zeug. Aber das brachte nur einen winzigen Zuwachs. Also fingen sie von vorne an, verlegten die Fabrik um einen Kilometer die Straße herunter. Tauschten 40 Prozent der Mitarbeitenden aus. Die anderen bekamen neue Titel, neue Zuständigkeiten und Berichtsketten. Außerdem gab es einige neue Führungskräfte. Und plötzlich wuchs die Produktivität um ein Vielfaches.

Auf die ganz harte Tour.

Dabei geht es nicht um die Menschen selbst. Das Entscheidende ist, dass sie sich an Denkweisen gewöhnen, sich darin verschanzen. Die muss man aufbrechen und die ganze Grundlage umkrempeln.

Ihre Meinung zu den großen Unternehmensberatungen, die oft Innovation in Firmen tragen sollen?

Sie werden engagiert, um in großen Unternehmen meinungsbasierte Entscheidungen mit Daten zu unterfüttern. Die Unternehmen wollen die meinungsgetriebenen Entscheidungen nicht einfach so treffen. Da haben Leute Angst um ihre Boni. Und wenn es schiefgeht, kann man am Ende den Beratern die Schuld geben. Dabei lernt man doch am besten, wenn man selbst etwas probiert und an den Fehlern wächst. Das ist die Superkraft eines Teams, die sollte man sich nicht nehmen lassen. Wenn man die Strategieentwicklung nicht selbst macht, ist das faul.

Dass wir in Zukunft alles virtuell machen, bezweifeln Sie, gelinde gesagt. „Fuck the metaverse“, sagten Sie in einem US-Interview.

Immer wenn wir die Kommunikation von Menschen im Virtuellen nachbauen, dort Bindungen ermöglichen wollen, kann es toxisch werden: wenn es nicht schon eine Verbindung zwischen diesen Menschen außerhalb des Internets gibt. Wenn wir jetzt im Metaverse sind, dann wird da getanzt, man trifft andere Menschen.

Aber wenn man sich nicht wirklich kennenlernen kann, sich nicht in die Augen sehen kann, dann führt das nur zu mehr von diesem toxischen Verhalten. Und wenn wir es schon nicht hinbekommen, die Inhalte zu moderieren, wenn es nur um Text geht, wie soll das dann im Metaverse funktionieren? Wir brauchen Menschen, die das entscheiden. Türsteher fürs Metaverse. Das Metaverse löst Probleme, die wir nicht haben. Wir brauchen mehr menschliche Bindungen, nicht weniger.

Fadell im Jahr 2011. Foto: Kevin Krejci CC BY 2.0

Halten Sie die Technologie hinter dem Metaverse für überflüssig?

Virtuelle Realität, VR, kann auch echte Probleme lösen. Was diese sinnvollen Anwendungen auszeichnet: Sie bauen auf einer menschlichen Verbindung in der Außenwelt auf. Eine Anwendung zum Beispiel lässt dich quasi durch die Augen anderer sehen, durch die VR-Brille. Stell dir vor, du kannst darüber einen medizinischen Experten zuschalten, um bei einer Notfall-OP zu helfen.

Ein bisschen wie Teamviewer für die physische Welt.

Noch besser: Du könntest wie ein fernbedienter Roboter arbeiten, gesteuert von Experten. Um als nicht spezialisierte Kraft eine komplizierte OP an einem abgelegenen Ort korrekt auszuführen. Dabei wird ein echtes Problem gelöst. Tanzen im Metaverse hingegen? Das löst kein Problem. Einen Toaster auf dem Kopf und rumtanzen…

Albern, ja. Wann schalten Sie das Smartphone mal aus?

Wenn ich Sport mache, zum Rennen gehe. Und natürlich, wenn ich mit jemandem essen gehe oder mich unterhalte. Wenn man wie wir beide jetzt irgendwo sitzt und ein Gespräch führt. Wir wollen doch eine Verbindung aufbauen, nicht abgelenkt sein. Wenn man dann aufs Handy schaut – vielleicht ist es mein Alter –, ich finde das unhöflich.

Finde ich auch.

Die junge Generation sieht es anders. Aber wir müssen uns fragen: Wie baut man Bindungen zu anderen auf? Wenn du Zeit mit Menschen verbringst, dann solltest du doch auch ganz bei ihnen sein.

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