Productivity & New Work Alle wollen eine geile Arbeitskultur, aber niemand möchte etwas dafür tun

Alle wollen eine geile Arbeitskultur, aber niemand möchte etwas dafür tun

Ein Gastbeitrag von Paul Becker, Co-Founder & CEO von Recap

Arbeitsklima, Gehalt und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben: Laut einer Studie von EY sind das die wichtigsten Kriterien bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers. Die Diskussion, wie Arbeit in Zukunft aussehen kann, nahm in den letzten Jahren merklich zu. Alle möchten zufriedener sein. So weit, so verständlich. Die zahlreichen Veränderungen – mehr Flexibilität, Remote Work oder Workation – haben indes noch nicht dazu geführt, dass Arbeitnehmende auch wirklich zufriedener sind.

Die emotionale Mitarbeiterbindung liegt laut dem Gallup Engagement Index bei 13 Prozent, niedriger war sie zuletzt 2012. Die Folge in vielen Fällen: Quiet Quitting, also Dienst nach Vorschrift. Vielen Arbeitnehmenden fehlt etwas. Gehen wir einmal davon aus, dass sich Berufs- und Privatleben durch die angesprochenen Veränderungen bereits besser vereinbaren lassen, dann bleiben noch Gehalt und Arbeitsklima. Das Thema „Gehalt“ wird von vielen harten Faktoren beeinflusst und ist greifbar, anders sieht es beim Arbeitsklima aus.

Gute Arbeitskultur dringend gesucht

Viele Menschen priorisieren ein gutes Arbeitsklima. Das zeigen die beiden Studien. Es bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass sie ein solches Klima in ihrem aktuellen Job vermissen. Nun ist eine gute Arbeitskultur gar nicht so leicht fassbar. Befragungen wie der  Employee Net Promoter Score (eNPS) sind eine Annäherung, geben aber nur einen kleinen Teil preis. 

Wer schon einmal in einem Unternehmen mit gutem Arbeitsklima gearbeitet hat, spürt das sofort. Abstimmungen, sowohl vertikal als auch horizontal, laufen rund, über Prozesse wird wenig diskutiert, die Motivation ist hoch und das Miteinander offen und wertschätzend. In diesen Fällen fungiert die Arbeitskultur wie Klebstoff: Sie hält die Mitarbeitenden zusammen, die Werte des Unternehmens werden von einer großen Mehrheit anerkannt und gelebt. Neben dem eNPS zeigt sich das in weiteren Faktoren: weniger Krankheitstage, niedrige Fluktuation und eine hohe Produktivität. Eine schlechte Arbeitskultur ist deshalb auch ein unternehmerisches Risiko. 

Doch wie entwickle ich eine positive Arbeitskultur? Im Fall von Startups beginnt sie mit dem Gründungsteam. 

Der Fisch stinkt immer noch vom Kopf

Als mehrfacher Gründer habe ich in den letzten Jahren einiges über gute Kultur in Unternehmen gelernt. Sie beginnt mit den Gründenden, die sich über die wichtigsten Werte einig sein müssen. Nur so werden der Kommunikationsstil und die Art, wie Entscheidungen getroffen werden, zueinander passen. 

Ist das nicht der Fall, kommt es schnell zu Konflikten. Nicht zufällig ist ein dysfunktionales Gründungsteam auch einer der häufigsten Gründe, weshalb Startups zu Beginn scheitern. Idee, Timing, Marktumfeld: Alles kann ideal sein – arbeitet das Gründungsteam aber nicht auf das gleiche Ziel hin, werden keine Kompromisse gesucht, sondern Meinungsverschiedenheiten einfach im Raum stehen gelassen, dann war’s das oft.

Gründende sollten sich deshalb ganz bewusst mit dem Thema auseinandersetzen. In einem offenen und ehrlichen Gespräch können sie ausloten: Was treibt mich an? Was ist mir wichtig? Wie möchte ich das konkret vorleben? Die Antworten sollten weitestgehend deckungsgleich sein, andernfalls sollten alle Beteiligten nochmals darüber nachdenken, ob eine Gründung das Richtige ist. 

Paul Becker. ©Recap

Auf die Umsetzung kommt es an

Die Gründenden setzen die Maßstäbe für die Unternehmenskultur. Sie definieren Werte, die sich im Laufe der Zeit zwar in Nuancen weiterentwickeln werden, aber im Kern ihre Handschrift tragen. Und sie sind zu Beginn dafür verantwortlich, dass sich diese Werte im Unternehmen verankern. 

Ein Beispiel: Mein Co-Gründer und ich kommunizieren sehr direkt und offen. Wir finden es wichtig unseren Mitarbeitenden zu sagen, woran sie sind. Diese Transparenz schafft Vertrauen. „Vertrauen“ als Wert steht aber nicht nur auf einer Slide in einer Präsentation, sondern wir handeln danach. Jeder unserer Mitarbeitenden arbeitet nach bestem Wissen und Gewissen. Deshalb gibt es für uns als Gründungsteam keinen Grund, misstrauisch zu sein. Das macht vieles einfacher. Es führt zu weniger Geschwurbel. Alles Wichtige kommt auf den Tisch. Diese Offenheit ist eng mit unserem zweiten Wert verbunden: Wir arbeiten sehr umsetzungsorientiert. 

Wir glauben zudem an eine offene Fehlerkultur. Es geht nicht darum, jemanden für schuldig zu erklären, wenn etwas nicht rund läuft. Es ist ja nicht so, dass wir von klein auf gelernt haben, offen mit Schwächen und Fehlern umzugehen – ganz im Gegenteil. Sie gehören dazu und sind Ausdruck dessen, dass sich etwas weiterentwickelt. Um das auch zu leben, brauchen wir eine positive Arbeitskultur. 

Nur Top-Down hat ausgedient, auch bei der Unternehmenskultur

Eine Arbeitskultur, mit der alle zufrieden sind, schafft man aber nur gemeinsam. Ich als Gründer kann zwar Impulse setzen, am positiven Arbeitsklima arbeiten aber alle mit.

Dazu brauche ich aber auch ein Team, das die Unternehmenskultur weiterträgt. Bei Themen, die das Zusammenarbeiten und Miteinander definieren, kann es kein Top Down mehr geben. Eine positive Arbeitskultur entwickelt sich aus dem Unternehmen heraus. Wir als Gründerteam und das Unternehmen als Ganzes sind darauf angewiesen, dass es einen offenen Austausch gibt. Denn sicher ist: Keine Gründerin und kein Gründer möchte Mitarbeitende, die nur jammern, anstatt selbst aktiv zu werden und eine bessere Arbeitskultur zu entwickeln. 

Deshalb kann ich nur sagen: Wenn ihr euch in euren Unternehmen eine bessere Unternehmenskultur wünscht, dann tut etwas dafür. Beschwert euch nicht nur über Zustände. Nehmt die Sache auch selbst in die Hand. Fragt euch, welche Optionen ihr habt und schöpft sie aus. 

Du hast den Wunsch deine Kolleginnen und Kollegen besser kennenzulernen? Dann starte beispielsweise ein wöchentliches Event, in dem es um alles geht – nur eben nicht um Arbeit. So kannst du deine eigenen Vorstellungen einer guten Arbeitskultur mit einbringen. 

So wird es für alle besser: Jede Person ist Kulturverantwortliche im Unternehmen und kann dazu beitragen, dass es sich gut anfühlt, Teil des Teams zu sein.

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