Leadership & Karriere Wie feminine Werte digitale Geschäftsmodelle verändern können

Wie feminine Werte digitale Geschäftsmodelle verändern können

Von Maria Meermeier, Business Partnerin Digital Growth bei der Strategieberatung Diffferent

Viele Startups und Unternehmen der digitalen Wirtschaft versuchen stetig zu innovieren, kreieren stattdessen aber immer mehr vom Gleichen. Wie wäre es stattdessen mit einer Tech-Welt, die feminine Werte wie Großzügigkeit, Sorge für Schwächere und mehr Lebensqualität für alle als Prinzipien für sich nutzt?

Neulich drückte mir in Berlin-Kreuzberg eine:r der vielen Promoter:innen auf der Straße einen Flyer für ein neues Delivery-Startup in die Hand. Den ich direkt im nächsten Mülleimer wieder entsorgte. Zeugt es im Jahr 2023 von Innovationskraft, einen weiteren Delivery-Dienst auf den Markt zu bringen? Wohl kaum.

Die Prinzipien, nach denen solche Geschäftsmodelle aufgebaut werden, folgen der immer gleichen Copycat-Logik. Statt signifikanten Eigenentwicklungen oder Innovationen gibt es in erster Linie mehr vom Gleichen. Schauen wir genauer hin, sind es oft männliche Startup-Gründer, denen Mut, Risikofreudigkeit und Durchsetzungsvermögen zugeschrieben werden.

Sie nehmen sich bereits etablierte Geschäftsmodelle und versuchen diese noch effizienter zu gestalten und mit noch mehr Power in bereits gesättigte Märkte zu drücken. Um ein paar Jahre später erfolgreich den Exit zu machen und selbst in Startups zu investieren, die wieder diesem Schema folgen.

Gastautorin Maria Meermeier. Foto: Diffferent

In unserem auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystem überrascht dieses Vorgehen wenig. Zweifellos wurden und werden so milliardenschwere Unternehmen aufgebaut und neue Jobs geschaffen. Dabei handelt es sich jedoch oft auch um Geschäftsmodelle, die darauf ausgelegt sind, den Nutzen für einige wenige Privilegierte zu erhöhen, während die Folgen auf Kosten der Gesellschaft gehen.

Feminine Werte eröffnen Chancen in der Tech-Welt

Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma führt über einen stärkeren Fokus auf feminine Werte – wie Großzügigkeit, Sorge für Schwächere und mehr Lebensqualität. Denn ein neues digitales Geschäftsmodell zum wirtschaftlichen Erfolg zu führen, braucht zwar Durchsetzungsstärke und Risikofreudigkeit. Aber auch eine klare Haltung, aus der heraus zu überlegen ist, welche Ressourcen wie verwendet werden, welche Communities davon profitieren sollen oder wie eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Institutionen aussehen kann, in der alle voneinander lernen. 

Es ist mittlerweile Common Sense, dass eine Führungskraft nicht nur entscheidungsfreudig und visionär sein sollte, sondern – im Sinne von Female Leadership – auch empathisch und integrierend. Und es gibt Beispiele, die zeigen, welche Potenziale feminine Werte in ein Business Model einbringen –  besonders in der Tech-Welt. Feminine Werte auf die Gestaltung digitaler Geschäftsmodelle auszuweiten, ist somit nur logische Konsequenz. Folgende Ansätze sind dabei denkbar oder bereits Realität.

Bessere Bildungschancen durch Großzügigkeit

Insbesondere bei digitalen Geschäftsmodellen verursachen mehr Nutzer:innen eines Services nicht automatisch mehr Kosten. So könnten theoretisch auch Menschen von Angeboten profitieren, die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen – ohne zusätzliche Kosten für das jeweilige Unternehmen.

Böten etwa E-Learning-Plattformen wie Udemy ihren Service diesen Menschen kostenlos an, entstünden für Alleinerziehende, Student:innen, Arbeitssuchende oder prekär Beschäftigte neue Bildungschancen. Auch ein sozial gestaffeltes Preismodell wäre denkbar: Besserverdienenden wird die Möglichkeit gegeben, einen höheren Preis zu zahlen, um damit ein günstigeres Angebot für Menschen zu ermöglichen, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen. Noch ist dies allerdings Zukunftsmusik.

Sorge für Schwächere durch Verantwortung

Einen Schritt weiter ist zum Beispiel das Startup Sama. Es trainiert Large Language Models (LLMs) für AI-Anwendungen im Auftrag von Tech-Firmen wie Google, Microsoft oder die NASA mit einem crowdbasierten Ansatz. Sama ist mit der Mission gestartet, seinen Crowd-Arbeiter:innen, vor allem Frauen und junge Menschen im globalen Süden, eine Ausbildung zu ermöglichen, damit sie für sich und ihre Familien sorgen können.

In der Pandemie bot das Startup seine Mitarbeiter:innen eine sichere Unterkunft, Essen und medizinische Versorgung. Sama übernimmt damit Verantwortung für Communities, die aus der globalen Wirtschaftsperspektive immer noch benachteiligt sind.

Mehr Lebensqualität für alle

Ein anderes Beispiel: Marktplätze wie Backmarket reparieren Smartphones, Tablets und Laptops, um sie danach wieder in den Nutzungskreislauf zu bringen. Damit ermöglichen Unternehmen dieser Art zum einen den Zugang zu Technologien für eine breitere Gruppe von Menschen. Zum anderen tragen sie dazu bei, dass weniger wertvolle Ressourcen wie seltene Erden genutzt werden, um technische Geräte herzustellen.

Unsere Lebensqualität wird in den nächsten Jahren davon abhängen, wie wir mit den uns noch verfügbaren Ressourcen umgehen – und wer davon profitiert. Alles, was dazu beiträgt, die Folgen sozialer Ungleichheit und die Verschwendung von Ressourcen zu verringern, verbessert die Lebensqualität für alle.

Im Kontext der Herausforderungen unserer Zeit können wir nicht weitermachen wie bisher. Es darf nicht sein, dass existierende und neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle sich oft an einer privilegierten Minderheit ausrichten. Daher sollte es uns gelingen, feminine Werte in die Tech-Welt zu integrieren.

Mit dem Ziel, neue Perspektiven auf Geschäftsmodelle und Preis-Logiken zu eröffnen. Die Tech-Welt kann einen großen Beitrag dazu leisten, wie wir in den kommenden Jahren unsere Gesellschaft gestalten und unsere Ressourcen verteilen.

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