Innovation & Future Scholz macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

Scholz macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

Scholz und Habeck eröffnen die Industriemesse und zeichnen ein rosiges Bild der Wirtschaft. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun.

In welcher Welt leben dieser Kanzler und sein Wirtschaftsminister? Olaf Scholz hat auf der Hannover Messe eine Lobeshymne auf den Standort gehalten. Die Zuschauer rieben sich die Augen. „Stimmung und Lage sind nicht immer deckungsgleich“, sagte Scholz. Die Energiekosten seien auf ein verträgliches Maß zurückgegangen. Gleichzeitig habe der Bund milliardenschwere Entlastungen für energieintensive Unternehmen auf den Weg gebracht. Dazu sieht Scholz Fortschritte bei der Beseitigung von Regulierungen sowie von Berichts-, Nachweis- und Dokumentationspflichten. „Bürokratieabbau kostet nichts und bringt viel. Und deshalb reden wir nicht nur darüber, sondern wir machen.“ Der mit den Bundesländern vereinbarte Deutschland-Pakt werde zudem das Bau- und Planungsrecht vereinfachen und damit für schnellere Genehmigungsverfahren sorgen.

Wer glaubte, sich verhört zu haben, erlebte tags darauf einen Robert Habeck, der beschwingten Schrittes über diese ehemalige Leistungsschau der deutschen Industrie ging. Wie er über die Lage denkt, hatte er jüngst in einem Video klargemacht: Die Versorgungssicherheit sei gewährleitet. Die CO2-Emissionen seien runtergegangen und die Strompreise auch.

Stimmung und Lage sind unterschiedlich? Die Stimmung in der Industrie ist mies, da hat der Kanzler recht. Aber sie ist der Lage angepasst: Deutschlands Wirtschaftsleistung schrumpft, während alle vergleichbaren Länder und auch die in der EU wachsen. Mit der Milliardenentlastung für energieintensive Unternehmen, die Scholz anspricht, dürfte er die Senkung der Stromsteuer meinen, die sich auf knapp drei Milliarden Euro summiert. Zum Vergleich: Das Bürgergeld kostet den Staat in diesem Jahr voraussichtlich knapp 40 Milliarden Euro. Wenn Scholz von guter Stimmung spricht – dann meint er vielleicht die bei den Bürgergeldempfängern.

Regulierung wird abgebaut? Das Bau und Planungsrecht vereinfacht? Der Chef der größten deutschen Wohnungsbaugesellschaft Vonovia, Rolf Buch, hatte dazu in der vergangenen Woche auf dem Ludwig Erhard-Gipfel am Tegernsee seinen großen Auftritt. O-Ton Buch: „Wenn ich ein Schlafzimmer plane, gibt mir der Gesetzgeber vor, wieviel Abstand zwischen Bett und Wand bestehen muss.“ Als ob die Deutschen nicht in der Lage seien, sich ein passendes Bett zum Schlafzimmer auszusuchen. Anschließend referierte er über den Regulierungswust, der sich aus 16 verschiedenen Landesbauverordnungen ergebe, während die ebenfalls anwesende Bauministerin Klara Geywitz verständnisvoll nickte. Buch dürfte die Lage mit seinen anschaulichen Beispielen besser beschrieben haben, als Scholz aus seiner Helikoptersicht.

Auch Habeck lebt auf Wolke sieben. Die Wirklichkeit, die er nicht wahrnimmt, sieht so aus: Vor zwei Wochen hat Oranienburg bei Berlin den Stromnotstand ausgerufen. Es ist kein Kilowatt mehr übrig. Neue Bürger oder gar neue Unternehmen kann die bisher prosperierende Stadt nicht mehr aufnehmen. Versorgungssicherheit? Nicht in Oranienburg. Und die Tatsache, dass die CO2-Emmissionen in Deutschland – deren Berechnung nebenbei ziemlich im Nebel liegt – gesunken sind, hängt vor allem damit zusammen, dass die deutsche Industrie weniger produziert. Das wiederum ist eine direkte Folge der Klima- und Wirtschaftspolitik von Habeck, Scholz und Co. Der Strompreis schließlich, den der Kanzler und sein Wirtschaftsminister so entspannt sehen, ist 2023, als die letzten Atommeiler vom Netz gegangen sind, für private Haushalte so stark gestiegen, wie sonst kein Mal in den vergangenen zehn Jahren. Seither ist er leicht gesunken, aber längst nicht da, wo er noch 2022 gewesen war. 

Das ist die raue Wirklichkeit. Sie entspricht dem, was beispielsweise Industriepräsident Siegfried Russwurm als eine Lage in „moll“ beschreibt. Deutschland sei abgeschlagen Letzter unter den großen Industrieländern. Woher kommt die unterschiedliche Wahrnehmung zwischen Kanzler und Wirtschaftsminister auf der einen und der Industrie auf der anderen Seite? Auch hierfür hatte Russwurm eine schlüssige Erklärung. „Herr Scholz beschreibt die Input-Maßnahmen der Regierung. Wir dagegen schauen darauf, was am Ende rauskommt für die Wirtschaft. Und da muss man deutlich sagen: Es reicht nicht.“ 

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