Leadership & Karriere Claude Grunitzky – der Kontaktmann

Claude Grunitzky – der Kontaktmann

UND JETZT: AFRIKA

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Stephanie Füssenich

Nach einer kurzen Nacht sitzt Grunitzky am nächsten Morgen im Zug nach Paris. Draußen ziehen Felder vorbei, satte, grüne Landschaft. Vor ihm: ein Cappuccino, die „New York Times“ und sein Laptop. Grunitzky ist auf dem Weg zu einem Vortrag. Es geht um sein neuestes Projekt: True Africa. Wenn man so will, ist es das Projekt seines Lebens.

True Africa soll eine Medienplattform für junge Menschen werden. Eine Mischung aus dem lässigen „Vice“-Magazin und der BBC für ­Afrika. Grunitzky will einen Ort schaffen, an dem die Jugend des Kontinents zusammenkommt. Im Prinzip macht Grunitzky wieder, was er am besten kann: Menschen verbinden.

Die Idee zu True Africa kam ihm während eines Sabbaticals am MIT. Grunitzky hatte gerade sein halbes Leben verkauft, das Magazin, die Agentur. Er saß auf einer Menge Geld und einem Adressbuch, für das viele in New York, London oder Paris gemordet hätten. Doch nun fragte er sich, was er mit dem Rest seines Lebens anstellen sollte. Er dachte an seinen Vater, der Afrika verändern wollte und damit gescheitert war. Also: True Africa.

Zu Grunitzkys Idee gehört auch ein Projekt für afrikanische Jungunternehmer. Er reist dafür mit einem Jeep quer durch verschiedene Länder des Kontinents und hört sich die Geschäftsideen junger Afrikaner an, von Sonnenauf- bis -untergang. Jeder Pitch bekommt fünf Minuten.

Den besten zehn Kandidaten verschafft Grunitzky dann Kontakte zu Mentoren und Finanziers. Es ist wie bei einer Castingshow. Nur dass Grunitzky und seine Leute die einzige Jury sind und die Kameras fehlen. Bei der Finanzierung hilft ein Förderprogramm des Weißen Hauses. Grunitzky sagt: „Afrika schafft es nicht allein.“

Er zeigt jetzt Fotos auf seinem Laptop. Es gibt Bilder, die ihn umringt von Kindern zeigen, beim Abendessen mit Dorfgemeinschaften und vor seinem Zeltlager. Es steckt einige Ironie darin: Denn im Prinzip muss Grunitzky neu beginnen. Sein Netzwerk, das ihm in London und New York die Türen aufschließt, hilft ihm in Afrika kaum weiter. „Alles auf Anfang“, sagt er.

Grunitzky schaut aus dem Fenster. Dann leuchtet plötzlich eine Mail in seinem Posteingang auf. Acht Zeilen lang, mit einer Unterschrift darunter: Michael Bloomberg. Grunitzky schaut, als habe er soeben einen Liebesbrief erhalten. Es ist eine persönliche Einladung nach Johannesburg. Mehrere Monate hat er daran gearbeitet. Grunitzky lässt sich glückselig in seinen Sitz fallen.

Als Grunitzky sich dazu entschied, mit True Africa ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen, schrieb er ein paar Namen auf ein Blatt Papier: Michael Bloomberg stand ganz oben. Grunitzky braucht Medienpartner, er will Reichweite, und Bloombergs Medienimperium passt perfekt. Aber um einen Mann wie Michael Bloomberg zum Essen zu treffen, muss einiges passieren. Los ging es mit einem Vortrag auf einer Konferenz an der Universität Cambridge. Mitarbeiter von Bloomberg waren auf Grunitzky aufmerksam geworden und luden ihn ins Office nach London ein. Insgesamt wurden es drei Treffen, die ihn immer näher zu Michael Bloomberg selbst brachten. Beim letzten war ein Mitglied aus dem Vorstand dabei. Grunitzky sagt: „Diese Mail ist die Ernte.“

Ein anderer Name, der auf Grunitzkys Liste ganz oben steht, ist Bill Gates. Gates und er sind sich zuletzt auf einer Feier im House of Lords in London begegnet. Gates, den wahrscheinlich am besten abgeschirmten Mann der Geschäftswelt, umringten damals seine Mitarbeiter. Eine halbe Stunde wartete Grunitzky, dann ging er rüber. Er sagt: „In einem Raum wie dort gibt es höchstens fünf Personen, die den Mumm haben, einen Mann wie Gates anzusprechen. Ich gehöre immer dazu.“ Man müsse sich das vorstellen wie die Eroberung einer Frau. Erst Augenkontakt, dann ansprechen. Nie zu anbiedernd.

„Lieber Herr Gates, ich möchte mich dafür bedanken, was Sie in Afrika leisten“, sagte Grunitzky. Sie sprachen zwei Minuten miteinander. Gates schwieg und lächelte die meiste Zeit. Anschließend gab Gates’ Assistentin ihm dessen Kontaktdaten.

AUF DIE VORSPULTASTE

Schon am nächsten Morgen hatte sie eine Mail von Grunitzky im Postfach. Seitdem checkt er Gates’ Zeitplan. Er weiß, wo er sprechen wird, welche Länder er besucht und wen er zu seinen Freunden zählt. Grunitzky ist wie ein Stalker. Er wartet auf den richtigen Moment, den richtigen Ort. Er will eine Kooperation mit der Gates Foundation. Wofür, wird man dann sehen. Als der Zug den Bahnhof in Paris erreicht, sagt Grunitzky: „Ich brauche noch einmal fünf private Minuten mit Gates. Dann habe ich eine Chance.“

Am Abend steht Grunitzky in einem gewaltigen Glaswürfel in Paris. Im Gebäude der Fondation Cartier findet heute ein Netzwerktreffen zum Thema Afrika statt. Einige Kunstmenschen sind da, viele Musiker und Aktivisten. Es gibt viel Händeschütteln und den Auftritt einer Hip-Hop-Gruppe. Grunitzky trägt wie immer Schwarz und sieht vor den Bildern an der Wand aus wie ein Galerist. Er lacht viel an diesem Abend und wirkt gelöst. Irgendwann stellt sich ihm eine kleine Frau mit kurzen Haaren in den Weg. Ndeye Diobaye, 21 Jahre alt.

Sie ist eine von zehn handverlesenen jungen Menschen, die Grunitzky als Mentor fördert. Er vermittelt Kontakte, bespricht Karrierepläne und gibt Rat. Grunitzky begrüßt sie mit zwei Küssen auf die Wange und strahlt. Die beiden sprechen nur kurz miteinander, wie Trainer und Spieler an der Seitenlinie stehen sie zusammen. Grunitzky, der schneller denkt und eigentlich auch schneller redet, als die meisten Menschen zuhören können, bremst sich normalerweise in Gesprächen he­runter. Jetzt allerdings nicht. Von außen wirkt die Unterhaltung, als sei jemand auf die Vorspultaste gekommen. Als Grunitzky ihr von Bloomberg erzählt, klatschen sich die beiden mit einem High Five ab.

Grunitzky und Diobaye sind sich vor drei Jahren das erste Mal begegnet. Fragt man Grunitzky, dauerte es keine 30 Sekunden, ihr Talent zu erkennen – schnell, klug, ehrgeizig, so wie er. Er kann mit Leuten nichts anfangen, die nichts wollen. Fragt man Diobaye, kommt heraus, dass sie schon im Jahr zuvor mit ihm sprechen wollte. Damals fehlte ihr allerdings der Mut. Diobaye sagt: „Dass ein Mensch wie Claude an mich glaubt, ist das größte Kompliment, das ich mir vorstellen kann.“

Grunitzky sagt: „Sie erinnert mich an mich, als ich jung war. Der gleiche Hunger. Die gleiche Geschwindigkeit.“ In zwei Wochen wird sie für ihren Master nach London gehen. Grunitzky hat schon ein paar Anrufe gemacht.

DIE GRUNITZKY-FORMEL

1. HABEN SIE EINE MISSION:
Setzen Sie sich ein klares Ziel: Was wollen Sie erreichen? Dann identifizieren
Sie einflussreiche Protagonisten, die Ihnen beim Erreichen dieses Ziels weiterhelfen können. Auf die konzentrieren Sie sich.

2. FINDEN SIE MENTOREN:
Die besten Türöffner sind andere Menschen. Suchen Sie sich einen Mentor, über den Sie neue Kontakte knüpfen können.

3. FASSEN SIE MUT:
Grunitzky glaubt: Wenn Bill Gates auf einer Party steht, haben höchsten fünf Leute den Mumm, ihn anzuspre- chen. Auch eine Nummer kleiner gilt: Fremde anzusprechen ist schwer – aber enorm wichtig. Übung macht’s!

4. BIETEN SIE MEHRWERT:
Menschen, von denen Sie etwas wollen, müssen Sie auch etwas bieten können. Stellen Sie Ihre Fähigkeiten, Referenzen und Kontakte heraus.

5. MEISTERN SIE MASSE:
Pflegen und intensivieren Sie Kontakte. Die schlechten sortieren Sie aus.

Der Originalartikel über Claude Grunitzky ist zuerst in der CAPITAL 4/2016 erschienen

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