Leadership & Karriere “4 Blocks“: Zu Gast im Wohnzimmer des Paten

“4 Blocks“: Zu Gast im Wohnzimmer des Paten

Am Anfang von „4 Blocks“ stand dieses Gefühl: Dass sich die Sicherheitslage in Berlin in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Weil arabischstämmige Clans inzwischen ganze Viertel beherrschen. Weil es in der Stadt heute Straßen gibt, in die sich die Polizei nur noch in größerer Besetzung wagt. Rund vier Jahre ist es her, dass Quirin Berg darüber in der Zeitung las. Und sofort sah der Münchner Produzent und Mitgründer von Wiedemann & Berg Television einen Stoff. „Die Araberclans in Neukölln, die gesamte Situation, was das für Berlin bedeutet – spannender kann eine Vorlage für eine fiktionale Geschichte nicht sein“, sagt Berg beim Interview am Rande der Berlinale, wo die beiden ersten Folgen der sechsteiligen Serie „4 Blocks“ Premiere feierten.

Tatsächlich sieht man in der fertigen Folge eins, wie zwei Polizisten auf der Suche nach einer Drogenlieferung in eine der fiesen Ecken der Stadt geraten, wo sie direkt von den Anwohnern angegangen werden, beschimpft, bespuckt und mit Gegenständen beworfen. Eine Szene, die im deutschen TV vor ein paar Jahren noch undenkbar war, inzwischen aber selbst im „Tatort“ auftauchen könnte. Wie auch der ursprüngliche Einfall, „4 Blocks“ aus der Perspektive des Undercover-Ermittlers Vince (Frederick Lau) zu erzählen, der sich in den besagte vier Häuserblöcke beherrschenden Clan einschleust. Aufrechter Alman unter bösen Arabern, kennt man, kapiert jeder. Wie also könnte man es anders erzählen, radikaler? Produzent, Regisseur, auftraggebender Sender und die Autoren entschieden: indem sie in „4 Blocks“ mal nicht die Perspektive der ermittelnden Behörden einnehmen, sondern die des Clans. „Der Pate“ statt „Tatort“.

Der Gangster auf dem Amt

Regisseur Marvin Kren und das Autorentrio Hanno Hackfort, Bob Konrad und Richard Kropf – von denen auch die Mitte März angelaufene, erste deutsche Amazon-Prime-Produktion „You Are Wanted“ stammt – suchten den Kontakt zu den wichtigen Leuten in der Unterwelt von Berlin-Neukölln. Das gelang ihnen überraschend schnell, erzählt Produzent Berg. Weil es „ein sehr respektvoller Umgang miteinander“ gewesen sei. Die Macher konnten sogar die Frauen von Clanmitgliedern interviewen. „Das ist ja nicht alles schwarz oder weiß. Es gibt viele Perspektiven und die Menschen da haben ein großes Interesse daran, auch mal gehört zu werden“, sagt Berg. Denn zu ihrer Geschichte gehören Aspekte, die sonst eher selten in deutschen Krimiserien thematisiert werden. Etwa, dass das Ausländerrecht einen gewissen Anteil daran hat, Migranten mit unsicherem Aufenthaltsstatus in die Kriminalität zu drängen.

Solche Details tragen dazu bei, dass der deutsch-libanesische Hauptdarsteller Kida Ramadan als Clanchef Ali „Toni“ Hamady in „4 Blocks“ einmal nicht nur als skrupelloser Krimineller auftritt, sondern auch mit demütig gebeugtem Rücken auf dem Amt rumsitzt und auf seine Einbürgerung hofft, um dem Leben jenseits der Illegalität ein Stück näher zu kommen.

Bei aller Fiktionalität geht es den Machern um Authentizität bis ins Detail. Drogen heißen hier „Material“, und die Szene, in der einer von Hamadys Schlägern dem widerspenstigen, nur Englisch sprechenden Betreiber einer Hipster-Bar beibringt, wer hier das Sagen hat, wurde wirklich in einer Hipster-Bar gedreht – und wäre fast abgebrochen worden, nachdem es zu einem Missverständnis zwischen dem Barmann und dem Darsteller kam, der ihm den Kopf ins Spülbecken tauchen sollte. „Es gab mal kurz etwas Reibung mit Hipstern die nicht gleich begriffen haben, wer jetzt Straße ist und wer zum Film gehört, da haben sich Fiktion und Realität wunderbar vermischt.“

Dass sich das Neukölln und seine Bewohner in „4 Blocks“ sehr echt anfühlen, liegt auch daran, dass viele kleine Rollen mit Locals besetzt wurden. Und am Hauptcast: Kida Ramadan ist hier im Kiez aufgewachsen und lebt bis heute ums Eck. Der zweite Kopf des Hamady-Clans wird von dem aus Essen stammenden Rapper Veysel gespielt, der reichlich Street-Cred mitbringt. Frederick Lau kommt zwar aus dem eher bürgerlichen Berlin-Steglitz, wo er heute noch lebt, ihn verbindet jedoch gleichfalls eine lange Geschichte mit Neukölln:

Herr Lau, es heißt, Berliner verlassen nur ungern ihren Kiez. Warum hat es Sie früher aus Steglitz nach Neukölln verschlagen?

Lau: Berlin war für mich niemals nur ein einziger Bezirk. Ich war immer überall. Und mein Vater hatte eine Werkstatt am Südstern (Platz in Kreuzberg, unmittelbar an der Grenze zu Neukölln, Anmerkung der Redaktion). Da habe ich einen Teil meiner Jugend verbracht und war oft um die Ecke Fußball spielen. Und in Steglitz ging jetzt nachts auch nicht so viel wie in Neukölln.

Hat sich die Gegend seitdem verändert?

Lau: Klar, das hat sich extrem verändert.

Ramadan: Das ist halt die Zeit. Jetzt siehst du diese ganzen Touristen, die Hipster. Es gibt Kaffee im Glas, Eier im Glas, früher hast du gesagt: „Einen Zitronentee, bitte.“ Jetzt gibt es Ingwer-Zitrone-Minze.

Auf Seite 2 geht es mit dem Interview weiter.

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