Leadership & Karriere Zurück zum Beton: Vom Startup-Kosmos zum Milliardenkonzern

Zurück zum Beton: Vom Startup-Kosmos zum Milliardenkonzern

Für Stress könnte auch ein Risikofaktor sorgen, den Ugwu zwar einkalkuliert, auf den er womöglich aber wenig Einfluss hat. Mit der Adtech-Tochter Retail Media Group wagt sich Ceconomy aka Metro auf ein Feld vor, in dem bislang vor allem Startups unterwegs sind. Und die Adtech-Branche genießt nicht unbedingt den saubersten Ruf. „Wenn es einen Graubereich gibt, nutzen den viele Startups“, sagt Ugwu. „Im Konzern ist ganz klar: Diesen Graubereich nutzen wir nicht.“ Er betont, dass nur Daten in zuvor anonymisierter Form ausgewertet würden. Allein, wer achtet auf die feinen Unterschiede, wenn es der Retail Media Group wirklich gelingt, weitere in ihrer „Kategorie führende Handelspartner“ (wie es in einer Präsentation heißt) als Partner zu gewinnen? Am Ende kann Ugwu vermutlich nur hoffen, dass die geplante Aufklärungsarbeit fruchtet und niemand auf die Idee kommt, sich eine Schlagzeile wie „Datenkrake Metro“ zusammenzufabulieren. 

Auch Ugwu selbst leistet in gewissem Sinne Aufklärungsarbeit, indem er vielen potenziellen Kunden erst einmal erklären muss, was er überhaupt macht. Vorstände deutscher Handelskonzerne sind schließlich auch eher keine Leute, die morgens nach dem Aufwachen als Erstes an „Global Frequency Capping“ oder „Programmatic Advertising“ denken. Und es hilft auch nicht, wenn ihnen das irgendso ein junger Techversteher mit Blitzkarriere vorhält. 

Ugwu tritt nicht als „Geschäftsführer“ des Tochterunternehmens eines Großkonzerns auf, sondern als einer, der dem Manfred und dem Karl-Heinz einmal erklärt, was die davon haben. „Ich duze immer alle“, sagt Ugwu. Wirkt das nicht manchmal unangebracht, wenn etwa ein Konzernvorstand am Tisch sitzt? Ja, aber es helfe. „Und die Leute können das einordnen.“ 

Denn inzwischen hat es sich bis in die Eckbüros rumgesprochen, dass es bei den jungen Techleuten in Berlin etwas anders läuft. Genau darum leisten sich ja so viele Konzerne dort ihre Digital- und Innovations-Hubs, um mal ein wenig auszubrechen aus der Immer-geradeaus-Mentalität, wo das Ende der aktuellen Roadmap zugleich die Limitiertheit des eigenen Horizonts markiert. Wenn nun einer wie Ugwu kommt, der zwar wie -Startup aussieht und redet, aber die Welt der Anzugträger verstanden hat, dann beruhigt das ungemein: „Der ist jetzt nicht wie ein Konzernmensch, aber er spricht unsere Sprache“, umschreibt Ugwu selbst seine Mittlerrolle aus der Wahrnehmung der anderen. 

Richy Ugwu
Konzerne funktionieren wie Parteien: Man braucht Mehrheiten.

Gelernt hat er diese Sprache nicht erst in seiner Metro-Zeit. Zwischen dem Bachelor in Business Administration und einem Masterstudium in Management arbeitete Ugwu etwas mehr als anderthalb Jahre für eine Techberaterfirma, wo er an Projekten für Volkswagen und Coca-Cola beteiligt war. Dort habe er gelernt, „wie das bei Konzernen innen läuft“, sagt Ugwu. Dass man nicht darauf vertrauen sollte, mit Argumenten allein ans Ziel zu kommen, sondern dass man sich Mehrheiten organisieren muss. Dass es immens hilft, zu wissen, welche Ziele ein Gegenüber verfolgt, dass es manchmal klüger ist, sich mit der zweitbesten Lösung zufrieden zu geben, Entscheidungen hinzunehmen. 

Bald auch Agentur

Dabei erweckt die Retail Media Group nun nicht gerade den Eindruck, es handele sich um eine zweitklassige Variante von Ugwus ursprünglichem Pitch, deren Daseinszweck vor allem darin besteht, seinen Chef gut aussehen zu lassen. Zumal wenn man das Tempo betrachtet, mit dem Ugwu plant: Alle drei bis sechs Monate will er das Produkt in einem neuen Land ausrollen („kein klassischer Corporate-Zeitplan“) und mittelfristig seinen Kunden nicht nur Werbeplätze in der passenden Audience verkaufen, sondern zusätzlich passgenau für diese Zielgruppe entworfene Werbung. Am Ende gehe es ja nicht darum, ob eine Werbung dem Süßigkeitenhersteller gefällt, sagt Ugwu, „der Foodlover muss sie geil finden“. 

Man darf davon ausgehen, dass Richy Ugwu weiß, was er tun muss, um den Leuten etwas schmackhaft zu machen. Schließlich hat er, der Startup-Typ aus dem Wedding, es hinbekommen, sich nach Düsseldorf komplimentieren zu lassen, um nach gerade einmal einem Jahr von dort in die Heimat zurückzukehren – als Chef der Tochterfirma eines von Deutschlands bedeutendsten Handelsunternehmen.

Der Artikel „Zurück zum Beton“ stammt aus Ausgabe 01/2017 der Business Punk. Alle unsere Ausgaben gibt es in unserem Online-Shop.

Seite 3 / 3
Vorherige Seite Zur Startseite

Das könnte dich auch interessieren

Warum die Generation Z kein Bock auf Chef-sein hat Leadership & Karriere
Warum die Generation Z kein Bock auf Chef-sein hat
Die ersten 100 Tage im neuen Job: Ein Leitfaden für den erfolgreichen Start Leadership & Karriere
Die ersten 100 Tage im neuen Job: Ein Leitfaden für den erfolgreichen Start
Bizarres Wahlvideo: Trump behauptet, Gott habe ihn gesandt  Leadership & Karriere
Bizarres Wahlvideo: Trump behauptet, Gott habe ihn gesandt 
Mehr Freizeit, weniger Geld – Arbeitnehmende würden für Vier-Tage-Woche auf Gehalt verzichten Leadership & Karriere
Mehr Freizeit, weniger Geld – Arbeitnehmende würden für Vier-Tage-Woche auf Gehalt verzichten
Social Undermining: Wenn lästernde Kolleginnen und Kollegen zum Karriere-Killer werden Leadership & Karriere
Social Undermining: Wenn lästernde Kolleginnen und Kollegen zum Karriere-Killer werden