Productivity & New Work Porzellan aus dem Drucker: Tradition trifft Disruption

Porzellan aus dem Drucker: Tradition trifft Disruption

Von: Daniel Schönwitz

Die Neugierde war groß: Mehrere Dutzend Mitarbeiter der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) in Berlin drängten sich im firmeneigenen Labor um Alex Jentsch. Sie löcherten den 31-jährigen Designer vom Berliner Künstlerkollektiv „The Constitute“ mit Fragen zu seiner Arbeit und vor allem dem 3D-Drucker, den er mitgebracht hatte.

Der Ortstermin war einer der Höhepunkte des einmonatigen Stipendiums, das Jentsch im Herbst bei KPM absolvierte. Als Teil des Projekts PHASE XI, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Innovationen in Schnittstellenprojekten mit der Kultur- und Kreativwirtschaft voranzutreiben, war es zugleich eine Art Clash of Cultures: Auf der einen Seite die Mitarbeiter eines 260 Jahre alten Traditionsunternehmens, die Porzellanteller, -tassen und -accessoires in akribischer Handarbeit modellieren, formen und gießen. Und auf der anderen Seite das Mitglied eines Künstlerkollektivs, das neue Ideen ausprobiert, mit innovativen Methoden experimentiert und auf diese Weise „Wissenschaft, Kunst und Ökonomie verbinden“ will. Tradition trifft auf Disruption, Kunsthandwerk auf 3-D-Druck, unternehmerische Hierarchie auf experimentelles Arbeiten: Konnte das gut gehen?

Eine heikle Entscheidung fürs Management

Bei KPM hatte man sich die Entscheidung für das Stipendium, das vom Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes initiiert wurde, nicht leichtgemacht. „Wir haben durchaus die Gefahr gesehen, dass bei unseren Mitarbeitern der Eindruck entsteht, sie sollen bald durch Maschinen ersetzt werden“, erzählt Geschäftsführer Bernd Lietke.

Andererseits sei es eben wichtig, neue Wege zu gehen und sich intensiv mit neuen Technologien auseinanderzusetzen. „Wir haben deshalb von Anfang an auf Transparenz gesetzt“, sagt Lietke. Dazu gehörte, den Betriebsrat umfassend zu informieren und einen – rege besuchten – Ortstermin im Labor zu organisieren. Rückblickend ist Lietke froh, dass er den Schritt gewagt hat. „Wir haben in den letzten Wochen viel über den 3D-Druck gelernt“, sagt er. „Das hat geholfen, Ängste abzubauen und die Chancen zu erkennen, die die Technik auch für einen Traditionsbetrieb birgt.“

Bild: The Constitute

So sei einerseits deutlich geworden, „dass der 3D-Drucker Dinge kann, die wir Menschen nicht können“. Andererseits haben die KPM-Experten aber auch gelernt, dass Menschen in einigen Bereichen klar im Vorteil sind – und dies auch auf absehbare Zeit bleiben werden. „Erhebliche Probleme gibt’s zum Beispiel bei der Oberflächenstruktur“, berichtet Laborleiter Dr. Hamid Naghib Zadeh. Auch sonst stecke die Technik noch in den Kinderschuhen.

Die Technik gibt uns Zeit, unsere Stärken auszuspielen

„Der 3-D-Druck wird das Kunsthandwerk deshalb nicht ersetzen, kann aber eine hervorragende Ergänzung sein“, konstatiert Lietke. Deshalb will er – „ähnlich wie bei einem Hybrid-Motor“ – das Beste aus beiden Welten verbinden. „Wir haben jetzt den Grundstein gelegt und werden in den nächsten Monaten und Jahren sehen, wo uns das hinführt.“

Erste konkrete Ideen gibt es bereits. So habe KPM „Schwächen beim Prototyping“, weil es schlicht zu lange dauere, sagt Lietke. Hier biete der 3D-Druck große Chancen. Und mittelfristig kann die Technik die Mitarbeiter von Basisarbeiten entlasten – und ihnen damit Zeit geben, ihre Stärken noch besser auszuspielen, zum Beispiel bei der Verzierung und Individualisierung von Objekten. Auch Jentsch sieht die Technik als Ergänzung und nicht als Ersatz – und ist erleichtert, dass diese Botschaft bei KPM offensichtlich ankam. Die Mitarbeiter seien „offen und interessiert“ gewesen, als sie ihn im Labor besuchten, erzählt der gelernte Industrie-Designer.

Bild: The Constitute

Aber auch er selbst hat profitiert: „Obwohl ich schon vorher viel mit Porzellan gearbeitet habe, war mir immer ein Rätsel, wie man die richtige Konsistenz hinbekommt. Das Stipendium hat mich da deutlich weitergebracht.“ Damit haben also beide Seiten konkrete Ideen, wie sie die jeweils andere Technik besser in ihre Arbeit integrieren können. Und sie sind sich einig, dass sie weiterhin voneinander profitieren wollen. „Wir werden die Zusammenarbeit fortsetzen“, heißt es übereinstimmend. Der „Clash of Cultures“ – er mündet in eine Kooperation.

 

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