Leadership & Karriere Pro & Contra: Darf man seine Kollegen ärgern?

Pro & Contra: Darf man seine Kollegen ärgern?

Ja

Ja, ja, und nochmals ja. Ehrlich gesagt verstehe ich die Frage nicht. Wie öde wäre ein Tag im Office, wenn man Meetings, Mittagessen und Kaffeepause ausschließlich mit dem Wechseln belangloser Höflichkeiten, einstudierter Floskeln und sterbensödem Smalltalk verbringt, damit bloß keinem sein teppichfliesengrauer Bürofrieden gestört wird. No way! Dass so ein steifes Miteinander schlecht für das Arbeitsklima ist, liegt auf der Hand, und Sticheleien haben noch niemandem geschadet.

Es mag der platteste Spruch ever sein, aber darum ist er nicht falsch: „Was sich neckt, das liebt sich.“ Ganz klar fördert das Ärgern von Kollegen die Laune am Arbeitsplatz und den Teamgeist. Nur wer ab und an mal aus seiner Rolle ausbricht, zeigt, dass er auch im Büro ein Mensch ist. Darum steht es im Interesse der Mitarbeiterzufriedenheit ganz oben auf meiner To-do-Liste, die Office-Nachbarn in den Wahnsinn zu treiben. Außerdem lasse ich meinem pubertären Humor gerne freien Lauf. Also verschicke ich Mails, in denen ich Buchstaben abwechselnd groß und klein schreibe, um den LeSeFlUsS zU eRsChWeReN.

Natürlich kommentiere ich lautstark jeden Fehler der Kollegen mit sarkastischen Sprüchen über die Nichtskönner um mich. Verlässt einer kurz das Büro, stürme ich an seinen Platz und klebe die Lichtquelle der PC-Maus ab, damit sich der Cursor nicht mehr bewegt. Auf Verwirrung folgt in der Regel ein sich langsam steigender Tobsuchtsanfall des Kollegen – und pure Schadenfreude meinerseits.

Auch bewährt hat sich: das neue, wasserdichte Arbeitshandy, auf das der Kollege so nervig stolz ist, verschwinden zu lassen und es ihm am nächsten Morgen in einem Wackelpudding auf den Schreibtisch zu stellen. Unschlagbar: den Screenshot eines Updates im Vollbildmodus auf dem Rechner des Kollegen einstellen. Es kostet ihn Minuten und vor allem Nerven, bis er auf die Idee kommt, einfach mal die Escape-Taste zu drücken. Und mal ehrlich, so ein IT-Nichtskönner hat es auch nicht anders verdient.

Nicole Plich

Nein

Nein. Arbeit heißt für die meisten: jeden Tag zur selben Zeit aufstehen, Stunden auf einen Computer starren und irgendwann den Feierabend herbeisehnen. Eat, work, sleep, repeat – damit verschwenden wir unsere kostbare Lebenszeit. Glücklicherweise sind wir mit diesem schrecklichen Schicksal nicht allein. Schauen wir uns in unserem neonröhrenbeleuchteten Großraumbüro um, blicken wir in die starren Gesichter der Kolleginnen und Kollegen, die sich jeden Tag der gleichen Routine unterwerfen, denselben cholerischen Chef ertragen, den gleichen faden Kaffee aus der viel zu lange nicht entkalkten Filtermaschine trinken müssen wie wir selbst.

Immerhin, in der Mittagspause oder beim Feierabendbier geteiltes Leid ist halbes Leid – und das macht den Job ja überhaupt erst erträglich. Warum also sollten wir die Mitstreiter necken, die kleine Portionen des gemeinsamen Leids auf ihren Schultern verteilen? Wieso diejenigen provozieren, die dasselbe Arbeitsumfeld erfahren und uns darum besser verstehen als unser Partner? Es mag ja sein, dass kleine Scherze auf Kosten anderer kurzweilige Ermunterung schaffen: „Der Tom nimmt dieses Jahr keinen Urlaub, der braucht nur wieder 17 Bier auf unserem Sommerfest. Wisst ihr noch, letztes Mal … hahahahaha.“

Doch man braucht keinen How-to-present-yourself-in-front-of-others-Kurs zu absolvieren, um einzusehen, dass das Herumreiten auf Verfehlungen der Kollegen am Ende nicht nur moralisch fragwürdig ist, sondern das schallende Gegacker über Toms Vollabsturz samt Alkoholvergiftung und einer Woche Krankschreibung eine fürchterliche Dynamik in Gang setzen könnte. Schnell wird dann Gleiches mit Gleichem vergolten, und bald kippt Ärgern in Rachenehmen, bis jemandes Schnürsenkel am Bürostuhl festgebunden, Zöpfe irgendwo festgetackert oder das geliebte Pflänzchen des Sitznachbarn eiskalt ertränkt wird und man schließlich aus Sicherheitsgründen seine Augen im Büro überall haben muss – und niemanden mehr hat, sich darüber zu beklagen.

Luisa Jabs

 

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 02/2018. Darin porträtieren wir Lea-Sophie Cramer, Gründerin von Amorelie. Nach der Übernahme durch ProSiebenSat.1 soll sie die Konzerntochter zu einer Lifestylemarke ausbauen. Außerdem: Quiz-App HQ Trivia, Schauspieler Bryan Cranston, DJ-Gott David Guetta und wie immer viele weitere Geschichten. Mehr Infos gibt es hier.

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