Leadership & Karriere Pymetrics‘ Suche nach dem heiligen Gral des Recruitings

Pymetrics‘ Suche nach dem heiligen Gral des Recruitings

Je mehr Kandidaten über dieses Verfahren vermittelt werden, desto öfters klingelt es bei Pymetrics in der Kasse. Nach eigenen Angaben lag das Wachstum 2017 im dreistelligen Bereich; Umsatz, Anzahl der Mitarbeiter und Kunden zusammengenommen. Das 2012 gegründete Startup beschäftigt heute über 70 Mitarbeiter in New York, London und Singapur. VCs haben Millionen an US-Dollar investiert. Big Player wie Tesla, LinkedIn und Unilever nehmen die Dienste von Pymetrics in Anspruch.

All hail the Algorithm

Der Schlüssel zum Erfolg ist der Algorithmus. Je besser dieser arbeitet, desto genauer können Prognosen über die Wahrscheinlichkeit von Performance oder Nicht-Performance erstellt werden. In einer selbst in Auftrag gegebenen Studie stellte Pymetrics fest, dass Mitarbeiter eines britischen Versicherungsunternehmens, die über die eigene Plattform rekrutiert wurden, wesentlich erfolgreicher arbeiten als der andere Teil der Belegschaft. Auch soll die Fluktuation von guten Mitarbeitern zurückgegangen sein.

„Du kannst nie eine hundertprozentige faire Auswahl bieten, weil es immer an irgendeiner Stelle eine menschliche Entscheidung geben wird.“

Der Algorithmus ist das eigentliche Produkt bei Pymetrics. Er soll eine objektive und effiziente Auswahl garantieren. Kein Mensch wälzt sich durch einen Stapel an CVs und selektiert, bewusst oder unbewusst, nach persönlichen Präferenzen. Aber auch ein Algorithmus ist nie ganz frei von Vorurteilen. „Du kannst nie eine hundertprozentige faire Auswahl bieten, weil es immer an irgendeiner Stelle eine menschliche Entscheidung geben wird.“, gibt Cresswell zu. Um die „Biases“ im System aufzudecken, wird der Algorithmus daher regelmäßig nach möglichen Verzerrungen überprüft.

In Zukunft möchte Pymetrics mehr sein, als nur eine fancy Assessment-Spielothek. Die Plattform soll zu einer riesigen Job-Datenbank ausgebaut werden. Cresswell beschreibt es so: „Stellen Sie sich vor, wir haben Baselines und Algorithmen für alle Positionen in Deutschland erstellt, dann kann sich ein Kandidat für eine bestimmte Stelle bewerben, bekommt diese zwar nicht, aber wir können ihm im Gegenzug viele andere Posten anbieten, die seine Eigenschaften matchen.“ Schöne neue Arbeitswelt lässt grüßen.

 

Der heilige Gral des HR

Für Professor Doktor Sven Laumer von der Universität Bamberg, der zu neuen Trends beim Recruiting forscht, ist Pymetrics‘ Ansatz kein wirklicher Game Changer. Schon seit Jahren bieten Unternehmen Bewerbungsverfahren mit Gamification-Elementen an. Auch deutsche Player wie etwa Cyquest aus Hamburg mischen auf dem Markt mit. Laumer begrüßt diese Entwicklung, denn an einem Lebenslauf lasse sich lediglich eine Grundselektion durchführen. „Wenn ich aber mehr wissen will, wie tickt der Kandidat, welche Fähigkeiten bringt dieser mit, dann sind solche Tests hilfreich“, so Laumer.

Im Zentrum des datengestützten Rekrutierens steht die Frage: Wie gut kann ich einen Match zwischen Kandidaten X und Unternehmen Y berechnen? „Für solche Empfehlungen braucht man jede Menge Informationen“, sagt Laumer und fügt hinzu: „Genau darin liegt der heilige Gral der Rekrutierung in den nächsten Jahren. Die Plattform, die es schafft, möglichst viel Wissen über die Kandidaten und Jobs zu generieren, hat gute Chancen in diesem Markt gute Dienste anbieten zu können.“

Werden wir in Zukunft also alle durch neurowissenschaftliche Spiele analysiert? Laumer denkt einen Schritt weiter. „Die Zukunft könnte so aussehen, dass wir einfach über unsere Sprachassistenten nach neuen Jobs suchen. Siri sucht uns Stellen heraus, die zu unserem Profil passen.“ Der Sprachassistent als Job-Agentur? Laumer ergänzt: „Ein System, das mich am besten kennt, kann mir die besten Jobvorschläge machen.“ Pymetrics ist gerade dabei, ein solches System aufzubauen.


 

In unserer Ausgabe beschäftigen wir uns ausführlich mit neuen Trends in der HR-Branche. Die Titelstory dreht sich um Ex-StudiVZ-Chef Michael Brehm. Mit seinem neuen Startup verfolgt er eine radikale Vision: KI soll Menschen trainieren, damit sie gegenüber KI konkurrenzfähig bleiben. Mehr Infos gibt es hier.

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