Random & Fun Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs als Delikatesse

Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs als Delikatesse

Das Food-Startup Holycrab macht aus eingeschleppten Tierarten Delikatessen für probierwillige Gourmets.

Vergangenes Frühjahr sitzen Juliane Bublitz und Lukas Bosch bei einem Glas Wein und sprechen über den Roten Amerikanischen Sumpfkrebs. Der nämlich wurde nach Berlin eingeschleppt und treibt es nun so wild im Tiergarten, dass Spaziergänger über die sich rasant vermehrenden Krebse steigen müssen. Bublitz und Bosch, beide Anfang 30, fragen sich, warum die Tiere durch Berlin spazieren und nicht auf dem Teller landen. Denn Schalentiere aus regionalem Wildfang sind ein absolutes Premiumprodukt und wurden in Berlin 2018 zum Fang freigegeben, um die Verbreitung zu kontrollieren. Die beiden spinnen ein wenig rum; ein paar Glas Wein und viele Wortwitze auf „crab“ später steht der Plan für Holycrab: ein innovatives Food-Konzept, das invasive Arten wie den Roten Amerikanischen Sumpfkrebs als kulinarische Besonderheit auf den Teller bringt und so Schädlinge in Gourmet-Food verwandelt.

Die Idee steht, doch den freiberuflichen Innovationsberatern Bosch und Bublitz fehlt eine wichtige Zutat, um aus ihrer Idee ein Business zu machen: jemand, der aus Plagen Delikatessen kreieren kann. „Es muss richtig gutes Essen sein, sonst interessiert sich in ein paar Wochen niemand mehr dafür“, sagt Bosch. Darum vertrauen die beiden nicht in ihre Qualitäten als ambitionierte ­Hobbyköche, sondern holen einen Profi ins Team: Andreas Michelus. Der 25-Jährige ist da Chef de Partie im Hotel de Rome und direkt begeistert von der Idee. Um sich unter den nötigen Druck zu setzen, das Ganze durchzuziehen, machen die drei beim Gastro-Gründerpreis mit. „Externe Verbindlichkeiten können sehr hilfreich sein, bei einem noch nicht existenten Business eine Dringlichkeit zu schaffen, daran weiterzuarbeiten“, formuliert es Bosch.

Lukas Bosch, Juliane Bublitz und Andreas Michelus (v. l.) bringen den Roten Amerikanischen Sumpfkrebs vom Berliner Tiergarten und Umland auf die Teller der Hauptstadt-Foodies. Probieren kann man die Delikatesse als Streetfood unter anderem in der Berliner Kulturbrauerei. ©bastimowka

Hedonistisch schlemmen

Das scheint geholfen zu haben, Holycrab siegt beim Wettbewerb und kann darum im Frühjahr 2019 bereits zur Pre-Launch-Verkostung laden. Michelus serviert Pasta Frutti di Plage, Celina Invasiva und Hauptstadtbouillabaisse. Den Gästen schmeckt’s, und sie spielen zwischen den Tellern Food-Buzzword-Bingo: hedonistische Nachhaltigkeit, Local Superfood, invasivorer Genuss, Plagetarier. Gründerin Bublitz versucht, Klarheit zu schaffen, und beruft sich auf Vorbilder wie den Cradle-to-Cradle-Vordenker Michael Braungart. Leute, die den asketischen, auf Verzicht beruhenden Nachhaltigkeitsbegriff um etwas Lebensfreude aufbohren. Sie wollen nicht an der Verzichtsschraube drehen, sondern in Materialkreisläufen denken und es den von schlechtem Gewissen geplagten, zugleich überforderten Konsumenten leichter machen, sich ökologisch richtig zu verhalten. Denn die müssen ihre Gewohnheiten nicht komplett umstellen oder radikal auf geliebte Speisen verzichten. Nur dass der Flusskrebs auf dem Teller eben nicht mehr vom anderen Ende der Welt stammt, sondern aus dem Teich im Tiergarten nebenan. „Nachhaltigkeit macht also Spaß und ist mit Genuss verbunden – so wird sie hedonistisch“, sagt Bublitz.

Den Gründern ist wichtig, ihre Gäste nicht zu belehren, sondern ihnen einfach gutes lokales Essen mit einem positiven Einfluss auf die Umwelt zu servieren. Und sie hoffen, dass andere ihrem Beispiel folgen. „Wenn die invasivore Revolution ihren Lauf nimmt, werden wir qualitativ hochwertige, exotische Lebensmittel aus lokaler Produktion essen können und dabei keinen Schaden an der Umwelt anrichten. Im Gegenteil, unsere Ernährung wird dazu beitragen, dass das Ökosystem im Gleichgewicht bleibt – Menschen nehmen wieder ihren Platz in der Nahrungskette ein –, und zwar mit Genuss“, sagt Bublitz.

Holycrab ist nicht nur ein kulinarisches Experiment, sondern auch ein wirtschaftliches. Auf der Suche nach einem, nun ja, nachhaltigen Geschäftsmodell zwischen Catering, Restaurant und Lebensmittelhandel testen die Gründer unterschiedliche Kundengruppen und Produktvarianten auf Streetfood-Märkten. „Unser Food-Trailer schafft uns die nötige Mobilität und Flexibilität. Er ist sozusagen ein fahrendes Testlabor, das nächste Woche schon wieder ein leicht abgewandeltes Konzept beinhalten kann“, sagt Chefkoch Michelus. Und eins scheint zumindest sicher: Die Krebse werden ihnen so schnell nicht ausgehen.

 

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