Productivity & New Work Nico Rose: „Feelgood-Management kann man mit einer Aspirin-Tablette vergleichen“

Nico Rose: „Feelgood-Management kann man mit einer Aspirin-Tablette vergleichen“

Welche Möglichkeiten gibt es, Sinn in unserer Arbeit zu finden?

In der Wissenschaft unterscheiden wir vier Quellen. Bei der ersten geht es darum, was ich mit meiner Arbeit bewirke, wie mit meinen Ergebnissen weitergearbeitet wird und wie meine Firma die Welt besser machen will. Der zweite Treiber konzentriert sich auf Beziehungen – habe ich Freund*innen auf der Arbeit und kann ich mich mit Werten der Organisation identifizieren? Beim dritten geht’s darum, inwiefern ich an Themen arbeite, bei denen ich meinem Wesen näherkomme, und ob ich mich als authentisch in meiner Arbeitsrolle empfinde. Beim vierten Faktor geht es um Macht und Ressourcen. Je mehr ich am Arbeitsplatz wuppen kann, desto mehr Sinn empfinde ich dort. Deswegen ist in oberen Hierarchiestufen die Sinnwahrnehmung meistens ausgeprägter als weiter unten. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

Inwiefern?

Bei meinem ersten Job nach der Uni wurden Probleme gerne nach unten weggedrückt. Das war ziemlich frustrierend, weil man auf niedrigerer Hierarchiestufe kaum Befugnisse hat, um Probleme wirklich anzugehen und sie dann auch lösen zu können. Mich hat damals der Personalleiter zur Seite genommen und mir gesagt: „Man schlägt den Hund und meint den Herrn.“ Über die Jahre hat der Satz mir geholfen, um zu verstehen, dass wir auch im Job nur eine Rolle einnehmen. Vieles, was man da an unangenehmen Dingen erlebt, sollte man abstreifen, wenn man am Ende des Tages den Anzug oder Kapuzenpulli auszieht.

Diversity ist momentan en vogue. Du behauptest, dass sie keine besondere Errungenschaft ist. Was meinst du damit?

Du kannst eine diverse Belegschaft haben und dich toll nach außen repräsentieren, aber wenn ausschließlich die sogenannten „alten weißen Männer“ das Sagen haben, ändert das nichts. In der Psychologie unterscheiden wir zwischen oberflächlicher Vielfalt und „Deep Diversity“. Ein Beispiel: Da ist der Vorstand in der Firma mit gleich vielen Frauen und Männern unterschiedlicher Ethnien besetzt. Aber wenn die vorher alle bei McKinsey waren und in Harvard studiert haben, bringen sie dieselbe Lebenserfahrung und dadurch auch ähnliche Perspektiven mit. Mitarbeiter*innen brauchen in erster Linie Teilhabe – das bloße Dasein genügt nicht. Für Unternehmen heißt das, sich vor allem um Inklusion zu bemühen.

Wo müssen Unternehmen ansetzen, damit was vorangeht?

Einerseits in der Personalabteilung, weil da schon ausgesiebt wird, wer überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Studien zeigen, dass eine Person mit einem baugleichen Lebenslauf deutlich häufiger zu einem ersten Gespräch eingeladen wird, wenn oben ein Name wie Michael Schmidt statt Ali Öztürk steht. Das ist aber nicht alles. Auch die Geschäftsführung, die die Menschen ja einstellt, muss reflektieren, wen sie an Bord haben will. Gegenwärtig bleibt es da oft noch bei Lippenbekenntnissen. Klare Zielvorgaben für die HRler und auch Leitungen der einstellenden Abteilungen bei externen Besetzungen wie auch für interne Beförderungsrunden können hier helfen. Meist gibt es bei wichtigen Entscheidungen zuletzt eine Short List. Wer es dort nicht drauf schafft, ist aus dem Rennen. Ergo könnte eine Regel für die Besetzung einer Führungsrolle lauten: Wenn nicht mindestens 50 Prozent Frauen auf der Short List sind, wird das Budget für die Stelle nicht freigegeben. Ohne Druck passiert hier leider recht wenig – vor allem, wenn man es vorher ein paar tausend Jahre anders geübt hat.

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