Leadership & Karriere Wie ein erfolgreicher Anwalt seinen Job kündigte, um einen Hip-Hop-Radiosender zu starten

Wie ein erfolgreicher Anwalt seinen Job kündigte, um einen Hip-Hop-Radiosender zu starten

Bei manchen wird der Werdegang von Frederick Staudacher für Stirnrunzeln sorgen.Für andere dürfte er hingegen ein Vorbild sein: nämlich für all jene, die unzufrieden sind, aber zu viel Schiss vor dem Reset haben. Denn Staudacher machte Ernst: Er kündigte seinen fantastisch bezahlten, aber wenig erfüllenden Anwaltsjob, um seinen Lebensunterhalt mit etwas zu verdienen, das ihn glücklicher machen sollte als die Juristerei. Das Interessante daran: Was das sein könnte, wusste er zu dem Zeitpunkt noch gar nicht.

Das war 2016. Inzwischen hat Staudacher seine Berufung gefunden: das Radiomachen. Vor zwei Jahren gründete er den Internetsender Say Say. Einen Sender, auf dem ausschließlich Hip-Hop, Soul und Funk laufen. Und zwar nicht als Spaßprojekt, sondern mit ernsthaften Ambitionen. „Wir sind nicht irgendwelche Homies, die rumhängen, kiffen und Hip-Hop hören“, sagt Staudacher. „Das ist ein richtiges Unternehmen.“ Mit richtigem Studio, richtigen Mitarbeitern und richtigem Programm. So wie bei herkömmlichen Sendern eben. Nur ein bisschen cooler.

Eigentlich interessierte sich Frederick Staudacher sowieso nie wirklich für eine Juristenlaufbahn. Sein Ding war schon immer die Musik, der Hip-Hop. Allerdings fand er keinen Ansatz, diese Leidenschaft zum Beruf zu machen. Da Staudacher auch sonst keine zündende Karriere-Idee hatte, empfahl sein Vater ein Jurastudium – etwas Anständiges, womit man später ja alles machen könne. Das leuchtete Staudacher ein.

Tatsächlich fand er Gefallen an dem Fach, zog Studium und Referendariat durch. Währenddessen versuchte er sich zwar durch Wahlfächer und Praktika immer mal in Richtung Musikbusiness zu orientierten, doch als Staudacher noch vor seinem Abschluss ein verlockendes Angebot vom Hamburger Büro einer renommierten US-Kanzlei erhielt, sagte er zu. Es handelte sich, gemessen am Umsatz, um eine der größten Kanzleien der Welt, sagt Staudacher. Da ging es nicht um Mietstreitigkeiten; Staudacher beriet große Unternehmen und Finanzdienstleister. Das bedeutete: fancy Büros, teure Anzüge, riesige Deals.

Frederik Staudacher: Seine älteren Brüder brachten ihn schon als Kind zum Hip-Hop, doch erst kürzlich machte der 39-Jährige aus dieser Leidenschaft einen Beruf. (Foto: Erik Anders)

Es war ein High-End-Geschäft, das entsprechenden Druck und extreme Arbeitszeiten mit sich brachte. „Die Mandant*innen haben sehr, sehr viel Geld bezahlt und dafür zu Recht erwartet, dass man schnell agiert“, sagt Staudacher. „Es war gang und gäbe, nachts um 3 Uhr E-Mails zu bekommen.“

Sieben Jahre blieb Staudacher bei dieser Kanzlei. Er mochte den Job. „Das war unheimlich viel Action“, sagt Staudacher. „Wenn man an diesen Deals beteiligt ist, hat das eine starke Energie, die einen echt mitreißt.“ Doch irgendwann war Routine eingekehrt. Die Anfangsaufregung verflog, stattdessen kam die Sinnfrage auf. Es kristallisierte sich heraus, dass er eben doch nicht so für Jura brannte.

Um sich damit zu arrangieren, ging der Job allerdings mit zu viel Stress, zu vielen Entbehrungen einher: Seine zwei Kinder sah Staudacher an den meisten Tagen nur kurz, Zeit für andere soziale Kontakte gab es kaum. „Irgendwann schaust du in die Zukunft und fragst dich: Willst du später wirklich Partner werden und noch mit 50 um 3 Uhr nachts E-Mails schreiben?“ Hell no! Das war Staudacher schnell klar. Aber die viel schwierigere Frage: Was dann? Staudacher sagt: „Man liest ja oft: ‚Folge deiner Leidenschaft, lebe deine Träume.‘ Das hört sich immer so toll an, aber was bedeutet das für dich konkret?“

Zunächst bewarb sich Staudacher bei anderen Kanzleien und Banken, führte diverse Gespräche, um herauszufinden, wie es weitergehen soll. Doch nichts erschien vielversprechend. Schließlich lieferte ein Bekannter den entscheidenden Impuls. „Er sagte: Wenn du in dieser Mühle drin bist, wirst du niemals herausfinden, was du machen willst. Das fliegt nicht an deinem Schreibtisch vorbei.“ Also kündigte Staudacher. Einfach so. Ohne Masterplan.

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