Life & Style Wie Roy Bianco und die Abbrunzati Boys die ultimative Glückspille für 2020 und darüber hinaus geschaffen haben

Wie Roy Bianco und die Abbrunzati Boys die ultimative Glückspille für 2020 und darüber hinaus geschaffen haben

Mit ihrem Debütalbum „Greatest Hits“ lieferten Roy Bianco und Die Abbrunzati Boys das beste Mittel gegen das Horrorjahr 2020. Jetzt legen sie nach.

Das war vielleicht ein beschissenes Jahr. 2020 war eine permanente Krise, der man nicht entkommen kann. Niemand. Nirgends. Nicht mal in der eigenen Wohnung. Sich mit 15 Leuten zu treffen und mit vier, fünf Flaschen Champagner gegen die vergangenen Monate anzutrinken wäre eigentlich die Lösung. Aber: Ist nicht. Auch jetzt, 2021, noch nicht.

Das einzige Mittel ist der Eskapismus nach innen, eine zen-artige Geisteshaltung und eine gepflegte Ach-leck-mich-doch-am-Arsch-Attitüde – ich bleibe einfach auf dem Sofa liegen. Winterschlaf. Spumante allein. Und dazu Roy Bianco und Die Abbrunzati Boys: „Und an der Ponte di Rialto singen die Gondolieri von Amoooore.“ Oder: „Komm mit mir heut Nacht nach Capri. Denn am Morgen werden Blumen für dich blühen. Du und ich heut Nacht auf Capri. Glaub mir, Liebe ist viel mehr als ein Gefühl.“ Und natürlich: „Im Maranello von Milano nach Bolzano. In weniger als einer Stunde.“ Das geht runter.

Auch wenn Roy Bianco und Die Abbrunzati Boys wohl weniger gerne hören würden, dass sie die ultimative Glückspille in Musikform gegen dieses Jahr sind. Doch wenn Baci Baci, Amore und die triefende Dosis Italien kicken wie ein doppelter Negroni, ist wenigstens einmal kurz Schluss mit 2020.

Das Land des ewigen und heiligen Urlaubs

Warum ist das so? „Italien ist jedem ein Begriff, konkret und gleichzeitig richtig schön unkonkret“, sagt Roy Bianco. Außerdem sei „Italien das Land des ewigen und heiligen Urlaubs“. Nicken bei Die Abbrunzati Boys. Um das klarzustellen: Die Abbrunzati Boys ist eine Person, Roy Bianco die andere der „römischen Doppelspitze“, wie sich das Duo auch vorstellt. Die beiden heißen natürlich anders, und die Namen könnte man mit nur wenig Mühe herausfinden. Aber wozu? Nur wenn man die Show, die Haltung und die Künstlernamen, die sich die beiden gegeben haben, annimmt und zulässt, erschließt sich der Irrsinn, den die Band ausmacht. Hinter ihren Namen verstecken sie das Storytelling, das die gesamte Band umgibt, in dem Realität und Fiktion verschwimmen – zu einer Geschichte, in der sie die ewigen Stars im Schlager-Olymp sind. Ohne dass irgendwas davon stimmt.

Bungo Jonas im Grand Hotel Fasano am Gardasee. Dort also, wo alles begann. Foto: Ludwig van Borkum

In diesem Jahr, in dem selbst ein Urlaub im Süden eine überkomplexe Angelegenheit ist, bietet die Musik von Roy Bianco und Die Abbrunzati Boys eine kurze Flucht. Denn: Mit Italien verbindet jeder etwas Positives. „Entweder den Urlaub mit der Familie oder einfach nur den Gang zum Italiener um die Ecke“, sagt Die Abbrunzati Boys. „Nirgends scheint die Sonne schöner. Und: Wo schmeckt das Essen besser?“ Wenn er könnte, sagt er, würde er jetzt runter in den Süden fahren, nach Apulien. „Das Erste, das ich machen würde: Ich würde eine Pizza Margherita essen“. Die Mutter aller Pizzen. Wir alle würden das! Und damit ist ein großer Teil des Hypes um die Band auch schon erklärt. Aber: Kann es wirklich so einfach sein?

Amoooooooooore zieht eben

Es gibt zwei Antworten. Eine ist kurz, die andere lang. Die kurze: Ja, so einfach ist das! Italien zieht eben. Die Österreicher von Wanda haben auf „Amore“ und den Indie-Überhit „Bologna“ ihre Karriere aufgebaut. In Wien füllen sie damit die ganz großen Hallen. Die Grucchi Gang, ein Zusammenschluss von Sven Regener, Isolation Berlin und Von Wegen Lisbeth um den Die-Höchste-Eisenbahn-Sänger Francesco Wilking hat von „Bungalow“ bis „Da da da“ deutsche Hits auf Italienisch übersetzt und damit das „Carbonara, e una Coca-Cola“-Gefühl in den Pandemieherbst gebracht.
Alles in unseren Köpfen

Wer wirklich verstehen will, was es mit Roy Bianco und Die Abbrunzati Boys auf sich hat, braucht vor allem eines: den Willen, die Ernsthaftigkeit hinter dem gekünstelt Unernsten zu entdecken. Wer hat denn wirklich schon mal die Gondolieri an der Ponte di Rialto von Amore singen hören? Ist im Ferrari in einer Stunde von Mailand nach Bozen geballert? Wer war denn überhaupt schon mal auf Capri? Das alles passiert in unserem Kopf. In unserem Bild vom Italien, das wir eingedroschen bekommen haben, seit unsere Eltern und Großeltern in den 50er-Jahren mit ihren VW Käfern über die Alpen sind. Brennerpass. Stau und Bayern 3. Endlich wieder Urlaub auf dem Stiefel. Und nicht Furor teutonicum, wie so oft zuvor. Im Gepäck die deutsche Bräsigkeit und natürlich einen Schlager auf den Lippen. Also – komm ein bisschen mit nach Italien. Und zwar in das moderne Italien von Roy Bianco, das zeitlich irgendwo zwischen den 50er- und den 80er-Jahren liegt. So weit der geografische Mythos.

Kunstfiguren nach dem Ausweis fragen? Pah!

Aber auch der Mythos um Roy Bianco und Die Abbrunzati Boys selbst trägt dieses Spumante-Feeling. Dazu gehört das Spiel mit der Gründung der Band und dem Alter ihrer Mitglieder. „Wir haben uns in der Silvesternacht von 1981 auf 1982 getroffen. Auf einer Silvesterparty von Erik Silvester am Gardasee“, erklärt Roy Bianco das Werden der Band. Erik Silvester, manche erinnern sich, ist der Typ, der die Welt mit Krachern wie „Zucker im Kaffee“ bereichert hat. Und: „Wir haben unseren Alterungsprozess mit Ende 20 beendet“, sagen Roy und Die Abbrunzati Boys. Das müsste dann eben irgendwann zwischen 1981 und heute gewesen sein. Genauer festlegen? Nein danke. Wer will schon Kunstfiguren nach dem Ausweis fragen?

An der Trompete der Blechkofler, hier melancholisch im Treppenhaus des Grand Hofel Fasano. Foto: Ludwig van Borkum

Ob es sich dabei überhaupt um Kunstfiguren handelt, würden die beiden ohnehin anzweifeln. So viel zur Gründung, die es ihnen dann auch erlaubt, das erste Album ganz bescheiden „Greatest Hits“ zu taufen. Und besser wird es vielleicht nicht mehr. Nicht, weil da nicht noch mehr Großartiges kommen könnte. Sondern einfach, weil der Name des Albums so passgenau in die Legende passt. Was, nach Angaben der Band, folgt, ist das typische Auf und Ab des Schlagerlebens bis zur Auflösung im Jahr 1997. Richtungsstreits und finanzielle Probleme. Hype, Heldengeschichte und Fall – mit anschließender Katharsis. Jetzt Wiedervereinigung, Best-of, ein neuer Hype. Alles professioneller Quatsch. Natürlich ist das jüngste, erste Album der größenwahnsinnige Versuch, die goldenen Zeiten des Schlagers zu imitieren. Und auch den Hype. Den gibt es aber wirklich – jedenfalls in ihrer Heimat Augsburg und in München.

Die Rettung des deutschen Schlagers

Die Story ist das Trojanische Pferd, mit dem sie den deutschen Schlager retten wollen. Mit dem sie die Gefühle der 50er wiederbeleben wollen. Wer würde denn einem Peter Müller abnehmen, dass er das Zeug dazu hat, Helene Fischer ans Bein zu pissen? Nicht, dass die Band das je aktiv getan hätte – nur impliziert die Behauptung, dass man den Schlager vor sich selbst retten muss, dass es da draußen viel Mist gibt.

Und vielleicht braucht man auch etwas neben der Musik, das man fühlen kann. Ganz generell ist das ja die Idee von Popmusik und Schlager: dass die Show alles ist und Authentizität nichts. Und was könnte eine perfektere Show sein als eine fingierte Story, auf die man alles projizieren kann? Wie auf eine Filmleinwand eben, auf der Roy und Die Abbrunzati Boys ihr Leben ­faken. So lange, bis es auch wirklich jeder glaubt. Wer mit seinem privaten Leben hausieren geht, hat eigentlich nichts zu erzählen, finden die beiden.

Der Eisensepp an dem Ort, an dem sich am besten neue Songs schreiben lassen. Foto: Ludwig van Borkum

Und vor allem hat er eben keine Projektionsfläche – Roy Bianco hat die weltgrößte Sammlung niederländischer Landschaftsmalereien, von denen niemand die Künstler kennt, er setzt auf Pferde und hat damit sein Vermögen verzockt. Die Abbrunzati Boys hat Geschichte, Politikwissenschaft und Jura studiert, ohne je einen Abschluss zu machen. „Dafür habe ich aber das Musikbusiness bei Frank Farian gelernt“, sagt er. Farian ist der Produzent von Boney M und Mastermind hinter Milli Vanilli. „Wir sind doch das absolute Ideal von Kunst“, sagt also Roy. Heute brauche man in der Öffentlichkeit ein Alter Ego. Roy und Die Abbrunzati Boys sind eben das der beiden nie gealterten 80er-Jahre-Giganten.

Immer gibt es ein Ziel

Das gilt übrigens auch für die, die in der zweiten Reihe hinter Roy und Abbi stehen, für den Rest der Band, von dem die beiden nicht sagen würden, dass es die zweite Reihe ist. „Wir haben eine ganz genaue Aufgabenverteilung“, sagt da etwa Ralph Rubin, der sich laut Legende nach der Auflösung der Band ein Busunternehmen aufgebaut haben will. „Das ist ja eigentlich eine Metapher dafür, wo wir mit der Band hinwollen“, sagt er. „Busreisen sind unangenehm. Aber wenn der Bus liegen bleibt, merkt man, dass man genau dort hinwollte.“

In der Erzählung ist das Ziel natürlich klar. Und in der Realität meistens auch. Und zu der Aufgabenverteilung gehört auch, dass die beiden der Band Namen und Gesicht geben – aber ohne die Instrumente geht es eben nicht. Da ist der Eisensepp am Bass, der Blechkofler an der Trompete, Ralph und der Bungo Jonas, der, so erzählen sie, seit einem Konzert in Brasilien dabei ist. Der alte Drummer habe sich Schwimmhäute zwischen die Finger genäht und sei seitdem unpässlich. So geht das weiter. „Man braucht in einer Mannschaft nicht nur zwei Kapitäne. Es muss auch eine solide Abwehr geben, einen starken Flügelstürmer und einen guten Trainer“, sagt Die Abbrunzati Boys. Den Trainer haben sie in Bungo Jonas gefunden. Der habe sich in der Auszeit der Band eher mit Yoga und solchen Sachen beschäftigt. Jetzt ist er so etwas wie Head of Fitness der Gruppe.

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