Life & Style Alle machen jetzt Hard Seltzer: Muss das sein?

Alle machen jetzt Hard Seltzer: Muss das sein?

Hard Seltzer – Sprudelwasser mit Geschmack und einem Schuss Alkohol, zieht nach und nach in die Supermarkt-Regale. Immer mehr Marken buhlen um Aufmerksamkeit. Darunter auch große Unternehmen wie Coca Cola. Wir haben mit dem Gründer eines Startups gesprochen: Mats Thede von Mr. Seltzy. Im Interview erzählt er, wie es auf dem Hard-Seltzer-Markt gerade zugeht.

Ich nenne Hard Seltzer mal böse Wasser mit Schuss: Wieso produziert ihr das Getränk?

Der Bier- und Weinmarkt ist seit Jahren unter Druck. Der Bierabsatz sinkt jedes Jahr und das um bis zu zehn Prozent. Das gleiche sehen wir schwächer ausgeprägt beim Wein. Einzig die Spirituosen scheinen hier relativ konstant zu bleiben.

Gleichzeitig gibt es im Alkoholbereich wenig Innovation, die über neue Geschmacksrichtungen und fancy Farben für die gleichen Getränke hinausgeht. Alle Trends unserer Generation wie gute, vegane und glutenfreie Ernährung, Sport und Fitness und der Verzicht auf Zucker finden keinen Anklang. Wir fragen uns, wieso zum Beispiel bis heute nicht die Kalorienanzahl auf alkoholischen Getränken stehen muss? Oder bei alkoholhaltigen Mischgetränken die Nährwerte und die dutzend Zusatzstoffe? 

Da sind wir auf Hard Seltzer gestoßen: fruchtig-spritziges Wasser mit Alkohol. Ich bin zu meinem Mitgründer und Lebensmitteltechnologen Nico geflogen, und wir haben in seinem 12qm Studizimmer angefangen herumzubrauen, bis etwas Schmackhaftes dabei entstanden ist. Unser Ziel war es von Anfang an, ein Hard Seltzer zu erschaffen, das möglichst wie Sprudelwasser schmeckt, natürlich aromatisiert ist und dabei nicht lange im Mund herumhängt.

Alle machen jetzt Hard Seltzer – muss das sein?

Wir sind der Meinung, dass ein Markt immer Platz für gute Produkte hat, die den Konsument:innen einen klar erkennbaren Mehrwert bieten. Und genau das tut Hard Seltzer. Leichter und guter Geschmack, wenig bis keine Zusatzstoffe, ein niedriger Kaloriengehalt – ein Feel-Good-Drink, der sich an den Bedürfnissen unserer Zeit orientiert. Wir sehen in den Vereinigten Staaten bereits, dass der Markt ein immenses Potenzial aufweist, das Getränk von Männern und Frauen gleichermaßen getrunken wird, was bei alkoholischen Getränken sonst nie der Fall ist.

In diesem Sinne sind wir sehr dankbar über alle Mitstreiter:innen, die uns helfen den Menschen diese neue Getränkekategorie mit ihren zahlreichen Vorteilen näherzubringen – und damit für mehr Vielfalt im Angebot zu sorgen.

So ganz setzt sich das Getränk noch nicht durch. Das sieht man in den Verkaufszahlen. Welche Vorteile hat ein Markt, der noch jung ist?

Ja, das Getränk hat sich noch nicht durchgesetzt, das stimmt absolut. Die Verkaufszahlen kommen meist aus dem Einzelhandel, und die deutschen Verbraucher:innen stehen neuen Sachen in der Regel sehr skeptisch gegenüber. Wenn da plötzlich ein Produkt steht, völlig unbekannt, das an Alka Seltzer Kopfschmerztabletten erinnert und auch als Marke neu ist, dann ist das wahrscheinlich auch kein besonders starker Pull-Faktor.

Dass der Markt noch so jung ist, hat aber viele Vorteile. Wir lernen jeden Tag dazu: über die Zielgruppe(n), über Trinkanlässe, über Geschmackspräferenzen und dass Sachen, die für uns als „Insider” der Getränkeindustrie glasklar sind, aber für Konsument:innen eher unverständlich. Beispielsweise, wie zur Hölle Alkohol eigentlich 0g Kohlenhydrate, aber trotzdem Kalorien haben kann. Dass wir ein kleines Startup mit direktem Kund:innenkontakt sind, hilft uns, hier agil und schnell zu reagieren und unser Produkt mehr und mehr an die Kund:innenerwartungen anzupassen.

Was denkst du, wie die großen Player ihn verändern werden?

Was heißt verändern werden? Wenn wir uns die Hard-Seltzer-Marken in Deutschland angucken, die es bisher im Handel gibt, so kommen diese uns zwar wie kleine Startups vor – hinter ihnen stehen aber in den allermeisten Fällen große Brauereien, Brennereien oder Getränkekonzerne, die bereits große Player sind, aber die Kategorie nicht so entscheidend angehen. Der Einstieg von Coca-Cola und von Krombacher ist insofern eine Zäsur, als dass sie aufs Ganze gehen und viel mehr Geld in die Hand nehmen. Das ist auch nötig, um für die Kategorie der Hard-Seltzer-Getränke Bekanntheit und Interesse zu schaffen.

Das wird dem ganzen Segment zu Gute kommen. Besonders, weil das Angebot der sehr großen Player durchaus attraktiv ist und die Kund:innenerwartungen, anders als in der Vergangenheit oft passiert, nicht enttäuschen wird. Ansonsten hätten wir eine Kategorie, die zwar einer kleinen Anzahl an Menschen bekannt ist, aber nicht überzeugt. Das wäre das Ende, bevor es überhaupt losgeht. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir eine klassische Marktentwicklung erleben werden.

Habt ihr noch Wettbewerbsvorteile in puncto Schnelligkeit, wenn erst große Unternehmen das Produkt so richtig bekannt machen?

Natürlich. Als Startup mit flachen Hierarchien sind wir in der Entscheidungsfindung sehr viel schneller. Durch unseren kleineren Ausstoß und den direkten Kontakt zu unseren Kund:innen können wir schnell auf andere Sorten, andere Vertriebskanäle, andere Gebinde oder eine andere Marketingbotschaft umstellen, wenn das notwendig wird. Die Agilität von Startups, die können Konzerne mit ihren langen Planungshorizonten eben oftmals nicht leben. Und das ist unser Vorteil.

Wieviel Spielraum habt ihr, um euer Produkt einzigartig zu machen, beziehungsweise auf welchen Ebenen könnt ihr es, da Hard Seltzer ja einer strikten Rezeptur folgt?

Zuerst einmal muss man sich vor Augen führen, dass sich Hard Seltzer nur aus zwei Teilen zusammensetzt: „Seltzer” steht im amerikanischen Englisch für Sprudelwasser und „Hard” für den enthaltenen Alkohol, von daher liegt zuerst einmal keine strikte Rezeptur zugrunde. In Amerika wird es aus einer vergorenen Zuckerlösung gewonnen, filtriert und behandelt, bis jeglicher Geschmack des Brauvorgangs und der Hefe weg ist und dann mit Wasser, Zucker, Aroma, Kohlensäure und Säuerungs- und Süßungsmitteln aufgefüllt, um eine gewisse Vollmundigkeit zu erreichen.

So haben wir auch angefangen. Mein Mitgründer Nico ist schließlich Lebensmitteltechnologe. Jedoch hatten wir vorher kein Hard Seltzer probiert und uns zum Ziel gesetzt, ein Getränk zu erschaffen, dass wie Wasser schmeckt, aber etwas beschwipst macht. Nach Experimenten mit Zuckervergärung sind wir einen anderen Weg gegangen. Wir haben mit einer wunderbaren Apfelweinkälterei eine Rezeptur entwickelt, die ohne raffinierten Zucker oder Zuckersirup auskommt und in der Herstellung natürliche Äpfel benutzt. Weiterer Vorteil: Es müssen keine Zusatzstoffe hinzugeben werden, um das Geschmackserlebnis so zu erzeugen. Das hebt uns von anderen Produkten auf (Frucht-)Weinbasis oder Zuckerbasis stark ab.

Zudem sind wir keine große Marke, die einfach so in den Markt rennt, Millionen in die Hand nimmt, um sich Listungen zu ergattern und überall präsent zu sein. Wir haben eine Botschaft, eine selbstentwickelte Top-Rezeptur, produzieren klimaneutral, spenden für Trinkwasserprojekte und wollen Hard Seltzer und die Freude am beschwipsten Wasser in die Welt tragen.

Das könnte dich auch interessieren

Warum Deutschlands oberster Streikführer Weselsky US-Präsident John F. Kennedy liebt Life & Style
Warum Deutschlands oberster Streikführer Weselsky US-Präsident John F. Kennedy liebt
Endlich raus aus dem Hamsterrad: Wie man eine Auszeit im Job plant Life & Style
Endlich raus aus dem Hamsterrad: Wie man eine Auszeit im Job plant
Die Lovebrand-Lektion: Wenn cool nicht cool genug ist Life & Style
Die Lovebrand-Lektion: Wenn cool nicht cool genug ist
Elon Musk nach Twitter-Übernahme: Wutausbruch sorgt fast für Polizei-Einsatz Life & Style
Elon Musk nach Twitter-Übernahme: Wutausbruch sorgt fast für Polizei-Einsatz
10 unbekannte Apps, die jeder kennen sollte Life & Style
10 unbekannte Apps, die jeder kennen sollte