Productivity & New Work FAQ zum Arbeitsrecht: Darf man Mails nach dem Urlaub ungesichtet löschen?

FAQ zum Arbeitsrecht: Darf man Mails nach dem Urlaub ungesichtet löschen?

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Verschwiegenheitsklausel und Urlaubsanspruchsberechnung: Das Arbeitsrecht in Deutschland ist kompliziert. Damit auch Normalsterbliche in Zukunft verstehen, was sie bei der Arbeit dürfen, können, müssen, sollen und was nicht, fragen wir Expert:innen, was hinter den gängigen Mythen steckt.

Unsere Frage, ob man Mails nach dem Urlaub ungesichtet löschen darf, wenn das Postfach überquillt, hat Dr. Burcu Zimmerling beantwortet. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin der Kanzlei rugekrömer und erklärt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man Mails ungesichtet löscht und ob es einen Unterschied macht, wenn man in der Abwesenheitsnotiz darauf hinweist.

Dürfen Arbeitnehmer:innen nach dem Urlaub alle E-Mails im Postfach ungesichtet löschen?

Nein, grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer:innen weder interne noch externe E-Mails ungesichtet löschen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine (ausdrückliche) Weisung der Arbeitgeber:innen dahingehend besteht, dass die zwischenzeitlich eingegangenen E-Mails zu bearbeiten sind. Aber auch ohne entsprechende Weisung ist es Arbeitnehmer:innen nicht gestattet, E-Mails eigenmächtig zu löschen. Vor allem bei Arbeitnehmer:innen, die in die Vertriebs- und Kundenkommunikation eingebunden sind und womöglich Aufträge entgegennehmen, könnte eine vollständige Löschung ohne Sichtung der externen E-Mails zu einem großen Schaden bei den Arbeitgeber:innen führen, wenn etwaige Aufträge dadurch verloren gehen.

Denkbar ist darüber hinaus, dass etwaige den Arbeitgeber:innen zustehende per E-Mail übermittelte Daten durch die Löschung abhandenkommen. Auch in der internen Kommunikation können wichtige Informationen untergehen; vor allem dann, wenn die E-Mails Arbeitsanweisungen, generelle Weisungen, Termine und Fristen oder ähnliches enthalten. Diese Informationen sind unabdingbar für den ungestörten Betriebsablauf und die von den Arbeitnehmer:innen verrichtete Tätigkeit.

Wenn das Unternehmen allerdings in die Löschung der E-Mails einwilligt, haben Arbeitnehmer:innen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten.

Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, ist Arbeitgeber:innen geraten, den Umgang mit externen und internen E-Mails betrieblich klar zu regeln, unter Umständen auch unter Einbeziehung der Formulierung von Abwesenheitsnotizen und Vorgaben zu Vertretungsregelungen.

Welche rechtlichen Konsequenzen kann die ungesichtete Löschung der E-Mails für Arbeitnehmer:innen haben?

Löschen Arbeitnehmer:innen eigenmächtig, beziehungsweise weisungswidrig E-Mails nach ihrer Urlaubsrückkehr, verstoßen sie gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Dieses Verhalten können Arbeitgeber:innen grundsätzlich (nur) abmahnen. Erst bei einer wiederholten Pflichtverletzung kann eine Kündigung zulässig sein. Lediglich in Einzelfällen ist eine ordentliche, in schwersten Fällen eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung denkbar. Dies könnte beispielsweise bei einem großen finanziellen oder (drohenden) Imageschaden für die Arbeitgeber:innen der Fall sein. Eine Rolle kann auch die Bedeutung der Position und des Tätigkeitsfeldes der betreffenden Arbeitnehmer:innen für das Unternehmen spielen.

Aber nicht nur unmittelbare arbeitsrechtliche Sanktionen können Arbeitnehmer:innen ereilen. Erleidet das Unternehmen der Arbeitgeber:innen einen Schaden, der nachgewiesen werden kann, müssen Arbeitnehmer:innen unter Umständen Schadensersatz leisten, wenn etwa ein großer Auftrag eingeht, der nur deswegen nicht angenommen werden kann, weil die betreffende E-Mail gelöscht worden ist. Da der Löschvorgang in diesen Fällen vorsätzlich erfolgt, würden Arbeitnehmer:innen auch nicht nur beschränkt haften.

Ist das Löschen erlaubt, wenn Arbeitnehmer:innen dies in ihrer Abwesenheit ankündigen?

Nein, das eigenmächtige Löschen von E-Mails ist grundsätzlich auch dann nicht erlaubt, wenn Arbeitnehmer:innen ihr Vorgehen in einer E-Mail ankündigt. Bei einer Einwilligung der Arbeitgeber:innen hingegen, könnte es im Verhältnis zum Geschäftspartner sinnvoll sein, die Löschung verbunden mit der Benennung einer konkreten Urlaubsvertretung in der Abwesenheitsnotiz anzukündigen.

Welche Konsequenzen für Arbeitgeber:innen hat es, wenn Arbeitnehmer:innen E-Mails nach den Urlauben ungesichtet löschen?

Dieses Vorgehen könnte sich auf das Image des Unternehmens auswirken. Es ist nicht besonders kundenfreundlich, wenn die Angelegenheit unbearbeitet bleibt, (nur) weil betreffende Arbeitnehmer:innen im Urlaub sind.

Gleichermaßen ist es denkbar, dass die Löschung zu Auftragsverlusten führt, was wiederum einen wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen bedeuten kann.

Außerdem ist zu beachten, dass eingehende E-Mails unter Umständen aufbewahrungspflichtig sind, sofern es sich bei ihnen um Handels- und Geschäftsbriefe oder steuerlich relevante Unterlagen wie Buchungsbelege handelt. Dies könnte beispielsweise bei Angeboten, Auftragsbestätigungen und Rechnungen der Fall sein. Der Verstoß gegen die handelsrechtlichen Vorschriften ist nicht folgenlos. Im Hinblick auf die Besteuerungsgrundlage kann das Finanzamt zum Beispiel bei Nichtvorlage der erforderlichen Dokumente den Betrag schätzen. Daneben sind unter Umständen auch steuerstrafrechtliche Folgen denkbar.

Dürfen Arbeitnehmer:innen mit ihren E-Mails also nicht umgehen, wie sie wollen?

Richtig, Arbeitnehmer:innen dürfen mit ihren dienstlichen E-Mails nicht umgehen, wie sie wollen. Sofern Arbeitgeber:innen aber die private Nutzung des geschäftlichen E-Mail-Accounts und des Internets gestatten, ist der Umgang mit diesen privaten E-Mails ausschließlich die Angelegenheit der Arbeitnehmer:innen. Sie können entscheiden, ob diese gelöscht oder beibehalten werden sollen. 

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