Leadership & Karriere „Ich bin nicht als CEO auf die Welt gekommen“ – Patrick Leibold über Servant Leadership

„Ich bin nicht als CEO auf die Welt gekommen“ – Patrick Leibold über Servant Leadership

Mal angenommen ein kleines Team von fünf Leuten arbeitet gemeinsam an einem Projekt und es kommt zu Streitigkeiten. Wie würde standesgemäß das Problem nach traditioneller Führung gelöst und wie nach den Maßstäben von Servant Leadership? 

In einem traditionellen Setup würde irgendwann eine Person sprichwörtlich auf den Tisch hauen und Kraft ihrer möglichst hochrangigen Position eine Entscheidung treffen.

Mein Ansatz ist es eher, Diskussionen so zu moderieren, damit doch noch eine gemeinsame Entscheidung entstehen kann. Dass das nicht immer möglich ist, ist mir absolut bewusst. Manchmal lassen sich unterschiedliche Ansichten nicht miteinander vereinen, deshalb zählt im Zweifelsfall statt dem Titel die für die Entscheidung relevante Erfahrung einzelner Personen – denn eine Organisation ist nur dann handlungsfähig, wenn Unstimmigkeiten schnell aufgelöst werden und offene Themen nicht zu lange in der Luft hängen.

Auch wenn die Meinungen unterschiedlich sind, so ist das Ziel, dass wir unter dem Stichwort „disagree and commit” Entscheidungen selbst dann mittragen, wenn sie nicht der eigenen Ansicht entsprechen. Sollte sich herausstellen, dass eine Lösung nicht zum Ziel geführt hat, wird die erste Entscheidung als Test angesehen und neu diskutiert.

Wenn gilt, dass der Dienstgrad immer Trumpf ist, ist die Welt für alle Beteiligten ziemlich einfach

Patrick Leibold

„Dem Team zu dienen“: Böse Zungen könnten das auch Wohlfühlmanagement nennen. Wie konterst du das? 

Gegenfrage: Wie konnte es soweit kommen, dass offensichtlich ein Managementstil, der eben nicht zu einem guten Gefühl bei den Mitarbeiter:innen führt, der Standard ist? 

Aber im Ernst – eine gute Atmosphäre zu schaffen, ist auf den ersten Blick eine nette Sache, weil es sich in Watte gepackt immer leichter lebt. Einen Schritt weiter gedacht ist es aber eine Methode, um das Unternehmen besser und leistungsfähiger zu machen.

Unglückliche Menschen leisten aus Angst und unter Druck, leider aber nicht nachhaltig. Wer sich hingegen mit dem Unternehmen identifiziert und Teil des Erfolgs ist, ist intrinsisch motiviert, gute Ergebnissen zu liefern. Eine anständige Unternehmenskultur ist also auch wirtschaftlich sinnvoll. 

Welche Missverständnisse herrschen noch beim Thema Servant Leadership?

Es gibt ein ganz grundlegendes Missverständnis, dass die ganze Diskussion leider oft in falsche Bahnen lenkt: Servant Leadership, also ein Führen auf Augenhöhe, ist tatsächlich das Gegenteil von Wohlfühlmanagement. Wenn gilt, dass der Dienstgrad immer Trumpf ist, ist die Welt für alle Beteiligten ziemlich einfach.

Die Mitarbeiter:innen können innerhalb enger Rahmen agieren, sich zurückzulehnen und den Chef, beziehungsweise die Chef:in machen lassen, anstatt selbst die Verantwortung zu übernehmen. Und Leader:innen können ohne Input von anderen einfach vor sich hin entscheiden.

Loslassen und das Team „einfach machen lassen“ ist schwerer als gedacht

Patrick Leibold

Viel anstrengender ist es hingegen, selbst mitzudenken, die eigenen Eitelkeiten zur Seite zu schieben und offen für andere Meinungen zu sein. Loslassen und das Team „einfach machen lassen“ ist schwerer als gedacht, denn auch wenn ich die Entscheidung nicht selbst fälle, die Verantwortung trage ich am Ende doch. 

Auch Meinungsverschiedenheiten und angespannte Diskussionen sind ein Muss. Wir wollen Leidenschaft in unseren Mitarbeiter:innen und diesen dann auch eine Stimme geben. Bei Konflikten auf Vermeidungskurs zu gehen ist nicht zielführend. 

Was denkst du, wird es irgendwann auch ganz ohne CEO gehen?

Nein, so weit wird es nicht kommen, zumindest bei Unternehmen, deren Teams nicht mehr an einen normalen Küchentisch passen. Unterschiedliche Interessen und Meinungen müssen moderiert werden, Situationen mit Überblick angegangen und bewertet sowie Verantwortung delegiert werden – alles stets unter Berücksichtigung strategischer Überlegungen, die sich mit dem Überblick eines CEO am besten machen lassen.

Was aber sicherlich passieren wird ist, dass sich die Rollenbeschreibung des CEOs noch weiter verändern und entwickeln wird. Statt Micromanagement und einer zentralisierten Struktur mit einem Sonnengott beziehungsweise einer Sonnengöttin, geht es darum, Zielkaskaden aufzubauen, die Teams zu motivieren und in den Erfolg des Unternehmens mit einzubeziehen.

Ich bin nicht sicher, bis wann wir das schaffen, aber ich hoffe sehr, dass das langsam aber sicher auch dazu führt, dass weniger Narzisst:innen in Führungspositionen sind – denn die schaden nachweislich dem Business. Diese Art von Leadership darf und sollte ruhig aussterben.

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