Leadership & Karriere Gudrun Schweppe soll Youtube Music an die Spitze des Musikmarktes bringen

Gudrun Schweppe soll Youtube Music an die Spitze des Musikmarktes bringen

Youtube als erste Heimat

Youtube bietet Künstler:innen darüber hinaus eine große Chance, die andere Anbieter nicht leisten können: „Für viele aufstrebende Musiker:innen ist Youtube die erste Heimat, weil sie ohne Plattenvertrag ihre Musik online stellen und damit die Welt erreichen können, so wie es beispielsweise Milky Chance oder AnnenMayKantereit damals gemacht haben“, sagt Schweppe.

Dass sie Milky Chance und AnnenMayKantereit erwähnt, ist schon Teil des Problems, das Youtube hat: Vor einigen Jahren war Youtube für aufstrebende Musiker:innen noch alternativlos, dann kam Soundcloud – und Spotify regelte seine Uploadpolitik neu. Das ist für Youtube das vielleicht größte Problem: dass es ein, zumindest in der Wahrnehmung, vergleichsweise altes und großes und damit auch immer etwas träges Medium geworden ist. Spotify ist an Youtube lange vorbeigezogen, auch Instagram und Tiktok dürften Youtube eiskalt erwischt haben. Jetzt muss der alte, große Konzern zeigen, dass er es mit den jungen und agilen Anbietern aufnehmen kann.

Doch als Sprungbrett für junge, noch unbekannte Künstler:innen – die Kernkompetenz von Instagram und Tiktok – würde Schweppe Youtube wiederum auch nicht bezeichnen – Youtube sei in gleichem Maße schon auch eine Plattform für bereits etablierte Musiker:innen. Darüber hinaus bekämen alle unmittelbar Feedback: per Upvote, Follow oder Kommentar, eigentlich von allen, die gerade reingeschaut haben.

Dazu kommt, dass man Konzerte live streamen oder einen Countdown für die Premiere eines Songs einrichten könne. Zudem bietet die Plattform seit Kurzem Youtube Shorts, ein Kurzvideoformat, das an Tiktoks und Instagrams Reels erinnert. Klingt vor allem nach einen Schritt, um die Gen Z zu gewinnen und zu halten. Doch Schweppe will sich auf keine Zielgruppe beschränken: „Kann gut sein, dass dieses Format vor allem von Jüngeren genutzt wird, aber grundsätzlich ist das Format für alle da.“

Also: Wie will Youtube die große Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Musikstreaming schaffen? Schweppe weicht aus. Definieren wolle sie die Strategie noch nicht. Sie sehe sich gerade noch in der Phase, den Markt richtig kennenzulernen. „Wir haben noch lange nicht unser volles Potenzial ausgeschöpft, gerade was unser Musikangebot in Deutschland betrifft“, sagt Schweppe. Auch beim anschließenden Fotoshooting, für das sie in einen schwarzen Overall schlüpft, zeigt sie sich souverän, strahlt Coolness und Lockerheit aus.

„Frauen werden zu wenig gefördert“

Sie ist eben nicht nur Musikchefin bei Youtube, sondern gleichzeitig eine der wenigen Frauen in einer Spitzenposition in der Musikbranche. „Man könnte meinen, dass die Musikindustrie eigentlich so wahnsinnig progressiv sei, aber das ist sie leider nicht. Sowohl auf Business-Seite als auch auf der Seite der Künstlerinnen“, sagt Schweppe.

Und die Zahlen sind eindeutig: Anfang 2021 gab die University of Southern California Annenberg einen Report für 2020 heraus. Laut diesem habe sich die Anzahl an Frauen in der Musikbranche verkleinert. Der Anteil weiblicher Songwriterinnen sank von 14,4 auf 12,9 Prozent. Außerdem seien Frauen nur in 20,2 Prozent der Top-Songs die ausführende Künstlerin. „Das ist definitiv ein strukturelles Problem, Frauen werden zu wenig gefördert“, sagt Schweppe.

Auf die Frage, ob Schweppe sich in ihrer Position in der Verantwortung sehe, Gleichberechtigung zu schaffen, antwortet sie: „Auf jeden Fall. Allein mein Team ist nahezu hundert Prozent weiblich besetzt.“ Schweppe fordere auch von anderen Firmen, gezielt weibliche Talente zu fördern und mehr Frauen Chancen zu geben. Abgesehen von ihrem Auftrag, Youtubes Musiksparte in Deutschland auf den Thron zu heben, will sie die gesamte Branche progressiver gestalten.

Schweppe ordnet ihre Aufgabe noch einmal ein: „Wir holen schon lange immer weiter auf“, sagt sie. „Es liegt auch noch ein langer Weg vor uns, aber ich glaube, Spotify muss uns wirklich ernst nehmen.“ Bei Schweppes Ambition sollte das jeder. Denn die einst vakante Lead Position von Youtube Music Deutschland ist jedenfalls nun gut wahrnehmbar besetzt.

Das ist ein Text aus unserer Ausgabe 6/2021: Außerdem findet ihr darin 100 spannende Menschen, von denen wir im neuen Jahr Großes erwarten. Wir haben die Musik-Chefin von Youtube Deutschland im Berliner Google-Büro getroffen. Und der CEO von Reddit war in der Redaktion zu Gast und hat mit uns über Memes und WallStreetBets diskutiert. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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