Leadership & Karriere Fuck Purpose! Schluss mit dem verlogenen Gerede

Fuck Purpose! Schluss mit dem verlogenen Gerede

Quizfrage: Warum gehen Menschen zur Arbeit? Warum sind sie so beknackt, ihre Zeit, ihre Gedanken und letztlich ihr selbstbestimmtes Leben in großen Teilen einfach so einzutauschen? Für Geld? Aus Gewohnheit? Weil die Kolleg:innen so nett sind? Einfach, weil halt irgendjemand den Job machen muss?

Die einfache Antwort lautet, frei nach Karl Marx: Arbeit ist „die unfreie, unmenschliche, vom Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit“. Kurzum: Arbeit ist Zwang. Speziell natürlich in einer Gesellschaft, in der man ohne Einkommen und Vermögen gerade eben überleben, aber nicht am Leben teilhaben kann.


„Warum sollte irgendjemand auch nur eine Sekunde länger arbeiten als es im Arbeitsvertrag steht?“


Klar, das war mal anders: Bis in die 80er-Jahre war das große, motivierende Versprechen von Arbeit vielleicht so etwas wie Stolz, gesellschaftliche Stellung, vor allem aber: sozialer Aufstieg: Ein Haus, ein Auto, ein, zwei Urlaube im Jahr, und unsere Kinder sollen es einmal besser haben.

Extra Mile? Nö danke

Bloß: Der demografische Wandel, der alte Schlawiner, dreht seit einiger Zeit den Wind und rüttelt an den Machtverhältnissen wie einst Russen-Schröder am Zaun des Kanzleramts in Bonn. Mittlerweile nämlich fehlt vielen Unternehmen das große Versprechen, das die Angestellten dazu anhält, die „Extrameile“, wie es auf Startupdeutsch so schön heißt, „zu gehen“, so sehr, dass sie ein veritables Problem haben, Menschen zu finden, die die Arbeit überhaupt noch machen wollen.

Genau das ist für das Employer-Branding und die HR-Abteilungen ein Problem. Konkret heißt das nämlich: Warum sollte irgendjemand auch nur eine Sekunde länger arbeiten als es im Arbeitsvertrag steht, wenn dadurch nur wieder die Investoren und Vorstandsmitglieder profitieren?

Opium fürs Volk

Ist ja eine berechtigte Frage. Weil aber natürlich auch in den HR-Abteilungen und den Vorstandsetagen der eine oder andere ein paar Sätze Marx gelesen hat, weiß man dort: Religion ist Opium fürs Volk. Und was ist Religion? Die einfachste, erfreulichste und beruhigendste Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.

So oder so ähnlich dürfte der Gedankengang verlaufen sein, der einst zu einem der schillerndsten Buzzwords der modernen Arbeitswelt geführt hat. Nämlich zu dem faszinierenden Begriff „Purpose“, zu Deutsch: Sinn, Zweck, Mission.

„Purpose“ hat in den vergangenen fünf Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt: Quasi aus dem Nichts scheint dieser Begriff zum entscheidenden Kriterium auf dem Arbeitsmarkt geworden zu sein. Der neonbeleuchtete Späti an der Straßenbahnstation, der Kleinwaffenkonzern am Bodensee, die rechtsradikale Partei im Bundestag: Wenn es nach den Experten und Expertinnen geht, brauchen alle einen höheren Purpose, besser gestern als morgen.

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