Life & Style „Die Discounter“: So funktioniert Comedy für Gen Z

„Die Discounter“: So funktioniert Comedy für Gen Z

Kelber und Ulmen sind dann so etwas wie die Retter für die kleinen Brüder gewesen. Belton sagt: „Wir haben Christian Ulmen einfach die ganze Zeit genervt. Mit Leuten gesprochen, die an seinem Set arbeiten. Versteckte Botschaften an sein Set geschickt. Ihm ständig geschrieben. Irgendwann hat er mir dann auf Instagram auf einmal eine Sprachnachricht zurückgeschickt.“

Ulmen und Kelber hatten sich die Serie „Intimate“ angeschaut und wohl das Potenzial erkannt. Allerdings wollte Pyjama Pictures nicht die eigene Youtube-Serie von den Jungs produzieren lassen, sondern eine adaptierte Serie aus den Niederlanden: „Vakkenvullers“.

Kelber erzählt, dass das erste Treffen völlig außer Kontrolle geraten sei. Ein lautes Durcheinander voller Ideen. Wie es eben ist, wenn man Leuten Kreativität eingesteht und sie einfach mal von der Leine lässt. Und sieh an: Nicht nur die Pyjama-Produzenten, auch die Unterhaltungssparte von Amazon musste nicht lange überzeugt werden. Die Produktionsfirma Kleine Brüder hatte plötzlich den Auftrag in der Tasche.

Foto: Amazon Prime Video

Schule von der Straße

Und die Auftraggeber wussten, dass sie ihnen am besten alle Freiheiten lassen sollten, um sie ordentlich groß zu machen: „Die Jungs haben ihre eigene Serie immer kleingeredet, sogar als amateurhaft bezeichnet“, sagt Kelber. „Aber es war genau das Gegenteil.“

„Schule von der Straße“, nennt es Belton. Auch andere haben bei dem Projekt einen Crashkurs absolviert. Für Mattis ist die Zusammenarbeit mit Pyjama Pictures so etwas wie seine persönliche Ausbildung, sagt er: „Wir haben Carsten und Christian als Mentoren. Das ist wie Eins-zu-eins-Unterricht. Eine bessere Uni kann es nicht geben.“ Belton lässt sich zu einer generellen Einordnung hinreißen: „Bei einigen Schauspielern mit klassischer Ausbildung merkt man, dass sie geformt wurden. Ich glaube, ohne Ausbildung denkt man freier.“

„Ich glaube, ohne Ausbildung denkt man freier“

Oskar belton

Gut. „Die Discounter“ profitiert allerdings auch vom riesigen Verdrängungswettbewerb, der seit Jahren auf den großen Streamingplattformen herrscht. Netflix, Amazon, Sky, Peacock, hierzulande noch RTL+, Joyn und die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen – alle wollen mit immer neuen und spitzeren Inhalten gefüllt werden, um einen immer fragmentierteren Markt zu erreichen.

Alle Player wollen sich über Eigenproduktionen für immer verwertbare Rechte sichern. Das bewährte Prinzip: Einmal mit möglichst schmalem Budget anschieben und bis in alle Ewigkeit anbieten können.

Dabei wurden zuletzt unzählige halb gare Projekte realisiert, weil die Verantwortlichen wie im Wahn erst mal alles an die Wand warfen und schauten, was am Ende kleben blieb – sprich: wo Zuschauende bis zum Ende treu blieben. Bleiben die Abrufzahlen hinter den Erwartungen zurück oder stellen sich Projekte als zu teuer heraus, wird schnell der Stecker gezogen. Dass „Die Discounter“ eine zweite Staffel bekommt, ist ein Zeichen, dass nicht nur die Kritik Gefallen fand. Sondern dass der Alleskonzern Amazon aus Feinkost Kolinski einen Nutzen ziehen kann.

Und man versteht nach drei Sekunden zuschauen, warum eine Serie wie „Die Discounter“ auch der Traum eines jeden Controllers ist: nirgends teure CGI, günstiges Setting, junge Menschen ohne große Ansprüche und Star-Allüren vor der Kamera, ein junges Team, das über Social Media pausenlos und umsonst für Buzz in der relevanten Zielgruppe sorgt. Ein klassisches Low-Risk-High-Reward-Szenario.

Die jungen Visionäre

Im Gegenzug dürfen die jungen Verantwortlichen am Set dann so gut wie alle Entscheidungen treffen. Darstellerin Lange sagt allerdings: „Ich dachte mir noch nie: Oh, da kommen die Chefs.“

Die Chefs haben ohnehin eine andere Selbstwahrnehmung: Im Januar, kurz nach Release der ersten Staffel „Die Discounter“, sagte Regisseur Alexander in einem Interview mit „Die Zeit“, man würde sich am Set eher als Visionäre bezeichnen, nicht als Chefs. Belton ist bis heute bei dieser Bezeichnung geblieben, wenn auch mit leichtem Zögern. „Visionär ist ein schwieriger Begriff, aber es stimmt irgendwo, weil wir unsere Vision am Set durchbringen und mit den anderen teilen wollen“, sagt er.

Kelber scheint von dem Begriff sogar noch überzeugter: „Auch wenn es bei den Jungs wuselig wirkt, es ist immer schnell klar, worauf es hinausläuft. Es ist ein klarer Weg. Das vermittelt allen Sicherheit.“

Foto: Amazon Prime Video

Da passt dann auch, dass die Beltons und Alexander neben Regie und Drehbuch gleich auch den Schnitt verantworten. „Wir hatten erst einen externen Cutter, aber sein Ergebnis entsprach nicht unserem Humor. Also haben wir es noch mal selbst gemacht“, sagt Belton. Das Schneiden durften sie in Christian Ulmens Hütte in Potsdam üben, der in „Jerks“ auch schon den Schnitt selbst übernommen hatte. Mattis sagt: „Aus dem Material für eine Szene könntest du wahrscheinlich 27 Versionen schneiden.“

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