Productivity & New Work Entscheider: Darf man Kolleg:innen im Urlaub kontaktieren?

Entscheider: Darf man Kolleg:innen im Urlaub kontaktieren?

JA!

„Sommer, Sonne, Kaktus“, predigt Helge Schneider. Sommer und Sonne sind schön. Kaktus bedeutet Aua. Beides taucht zusammen auf. Ich bin in dem Fall der Kaktus. Oder die „Kack-Tuss“, wie ein Boomer jetzt an dieser Stelle scherzen würde. LOL. Mit kurzen Nachrichten live aus dem Büro piekse ich in die Urlaubsblase meiner Kollegin – und das mit einer Schadenfreude, die besser ist als jeder Sex on the Beach: „Hey, sorry, dass ich dich im Urli störe, aaaber die Kaffeemaschine ist kaputt. Kann sein, dass das eine Weile so bleibt. Nur fyi.“ So einfach ist das, soll sich niemand zu weit entfernen. Natürlich halte ich sie auch auf dem Laufenden, wenn es um ihre Karriere geht: „Hey, der Kunde hat dein Projekt gecancelt. Chef ist jetzt auf 180. Aber dann hast du nicht so viel Stress, wenn du zurückkommst. Grüßis.“ Ja gut, solche Nachrichten tun mir natürlich ein bisschen leid, aber ist doch besser, die Realitätsschelle unter Palmen zu bekommen.

Außerdem gibt es in besagtem Lied von Helge Schneider auch die Zeile: „Never, never go to work.“ Liest sich für mich wie eine doppelte Verneinung. Ergo: Arbeit ist immer. Im Gegensatz zu Malle. Was ist dann wohl wichtiger? Come on, als ob die Kollegin nicht an solchen Infos interessiert wäre, während sie Piña Coladas schlürft. Apro­pos Piña Colada. Auch hier gibt es eine Songzeile, die meine Büronachrichten legitimiert: „If you like piña coladas and gettin’ caught in the rain.“ Ha! Regen! Zufall? Kann ich nicht glauben.

von Jessica Rosenmann

NEIN!

Dass wir uns diese Frage überhaupt stellen, zeigt doch, wie weit uns unsere ständige Fomo mittlerweile treibt. Ich nehme mir doch nicht extra Urlaub, um dann doch mit einer „kurzen Frage“ von den Kolleg:innen belästigt zu werden. Urlaub ist zum Wegsein da – dass man sich irgendwo im Nirgendwo in Gedanken vertieft am Strand befindet. Kommt dann eine Nachricht, die Antwort, Nachdenken und Aktion erfordert, ist die ganze angesammelte Entspannung des Tages mit einem Schlag verschwunden. Selbst wenn die Nachfrage der Kolleg:innen so in der Art formuliert wird: „Hey, kein Stress, du musst das nicht jetzt direkt beantworten, aber …“, mache ich mir sofort einen riesigen Stress. Danke für nichts.

Das eigentlich Schlimme ist aber auch, dass am Ende davon niemand etwas hat: Ich bin, wie ich gerade ausführlich erläutert habe, massiv genervt. Am Ende bin ich nach meiner Rückkehr auch nicht so wunderbar ausgeruht, wie ich es hätte sein können. Und das schlägt sich wiederum in meiner Performance am Arbeitsplatz nieder – und meiner Freundlichkeit und Geduld gegenüber dem Teammitglied, das mich aus dem Palmentraum gemessagt hat. Wer jetzt mit dem Argument kommt, dass man das Telefon ja auch einfach weit unten im Koffer verstecken und im Hotel lassen könne, darf gerne aus den Neunzigern zu mir ins Jahr 2023 kommen. Denn Urlaub bedeutet immerhin auch, sich ins Nirwana zu scrollen, wenn man das denn gerne will. Also stört gefälligst jemand anderen. 

von Michael Gnahm

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 03/23. Dieses Mal dreht sich in unserem Dossier alles um das Thema Danach. Wie geht es nach einem Fuck-Up oder Wendepunkt im Leben weiter? Außerdem haben wir mit Nationaltorhüterin Merle Frohms gesprochen und die Seriengründerin Marina Zubrod erzählt alles über ihre Hassliebe zum Unternehmertum. Viel Spaß beim Lesen! Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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