Life & Style Thomas Jensen: „Mittlerweile ist Wacken vergleichbar mit einem Feiertag“

Thomas Jensen: „Mittlerweile ist Wacken vergleichbar mit einem Feiertag“

Holger Hübner und Thomas Jensen sind die Gründer des legendären Wacken Open Air. Das Metal-Festival ist längst arriviert. Wie hält man das Konzept trotzdem frisch?

Herr Jensen, können Sie uns die Faszination Wacken Open Air erklären?

Die Musik spielt eine große Rolle. Die Gemeinschaft spielt eine große Rolle. Das Dorf Wacken selbst spielt eine große Rolle. Ich glaube, dieses Zusammenwirken macht den Charakter von Wacken aus. Wir haben das Festival gegründet, um mit Metal-Musik eine Riesenparty zu machen. Mittlerweile ist Wacken vergleichbar mit einem Feiertag. Für viele Fans ist das ein Anker, einmal im Jahr zu uns zu kommen. Und auch für die Businesswelt. Bei uns sind schon einige gute Deals zustande gekommen. 

Welche denn?

Wir haben vor Ort schon Musiker mit Plattenfirmen zusammengebracht, oder Leute aus dem Entertainmentbereich haben sich auf Wacken kennengelernt. Da gibt es einige Geschichten.

Wacken gibt es jetzt seit bereits 33 Jahren. Wie bleibt man als Marke so lange relevant?

Unser Credo ist: Wir wollen Sachen möglich machen, sowohl für Künstler als auch für Fans. Wir wollen viel Freiheit, wenig Restriktion. Natürlich sind wir experimentierfreudig, und wir haben wirklich auch schon Scheiß gemacht. 

Was kam denn mal nicht so gut an?

Als wir mal Wrestling hatten auf dem Wacken, haben wir viele Sprüche gekriegt, obwohl viele Metaller sich Wrestling anschauen. Aber manche meinten, das gehöre nicht auf ein Festival. 

Stichwort Heino auf der Bühne: Wie viele Jokes kann man sich erlauben, ohne dass sich die alte Kerngruppe verarscht fühlt?

Der Auftritt von Heino kam über die Band selbst, nicht von uns. Wenn der Künstler sich das wünscht, wieso sollten wir das unterbinden? Als Roberto Blanco 2011 da war, fand ich das mega. Er hat den Auftritt für die Alzheimer Gesellschaft gemacht, um auf das Thema Demenz aufmerksam zu machen. Das war Charity. Natürlich müssen wir ein gutes Gefühl haben, wenn wir so was anbieten. Das sind Wellenbewegungen beim Ausprobieren. Ein bisschen Gas geben, ein bisschen Gas wegnehmen und dann schauen, wie es den Leuten gefällt. 

Sie bieten auch viele Neben­ver­anstal­tun­gen wie Metal-Yoga, Talks und Lesungen an. Wie erarbeiten Sie diese Ideen? 

Obwohl wir ein Hardrock- und Heavy-Metal-Festival sind, gab es bei uns immer mindestens einen Auftritt einer Irish-Folk-Band, weil Holger ein Riesenfan davon ist. So hat sich das eingebürgert. Wichtig ist, dass der Kern der anderen Veranstaltungen Metal-Bezug hat und die Themen zusammenpassen. Die Veranstaltungen auf der „Welcome to the Jun­gle“-Stage sind ein Add-on. 

Welchen Mehrwert bringt das den Fans?

Ich finde: Freiheit ist die Chance, auswählen zu dürfen. Manchmal überfordert das auch. Wir werden beschimpft, wenn wir die falschen Bands zur gleichen Zeit spielen lassen. Ich finde es schön, wenn man sich den Anfang einer Band anschauen kann und für die ganze Show bleibt, wenn sie einen guten Tag hat. Oder man sich den vielversprechenden Act aus Indien anhört. Das ist Luxus. Bei uns findet das Finale vom „Metal Battle“ statt. Da spielen 30 No-Name-Bands verschiedener Nationen bei uns auf Wacken. Das soll nicht großkotzig klingen, aber das kann sich kein anderes Festival leisten. 

Wenn man die Bilder und Filmaufnahmen sieht: Langweilig wird es bei Ihnen nicht. 

Der Großteil der Ideen kommt aus dem Umfeld, von den Fans, von den Bands, von den Partnern, und wir bringen die Ideen eigentlich nur zusammen. Wir gucken natürlich auch bei anderen Events, was die machen, wenn da etwas gut ankommt, dann ist es offensichtlich nachgefragt. Wir überlegen dann, wie das zum Metal passt, weil Wacken natürlich für diese Musikrichtung steht. Und dann versuchen wir, das in Einklang zu bringen, auch mit unseren beiden Partnern. Im letzten Jahr war das super mit Haribo und den schwarzen Gummibärchen auf dem Wacken. Die laufende Kooperation zur Erhaltung bedrohter Tierarten mit Krombachers „Growling Creatures” oder Gerolsteiners „Zwischenwasser“ – Mega-Ideen der Partner und Teams. An den Rändern muss immer was passieren. 

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Auf welche Events schauen Sie noch?

Wir sind mit den bekannten großen deutschen Festivals in Kontakt, tauschen uns auch genrespezifischer mit den anderen deutschen Metalfestivals aus und sind international mit unseren Partnern von Superstruct Entertainment in der Festivalszene gut vernetzt. 

Wie kann eine Marke wie Ihre noch wachsen und trotzdem authentisch bleiben?

Wir versuchen, Merchandise zu optimieren, um rauszufinden, was die Leute wirklich haben wollen, und versuchen, da auch nachhaltiger zu werden. Das ist eine Aufgabe, die jedes Unternehmen hat. Beim Merchandise wird uns immer unterstellt, wir wollen nur viel Kohle machen. Aber das Metal-Shirt an sich ist Ausdruck von Identität. Das gehört dazu, also muss man sich drum kümmern. Wir überlegen uns auch, wie wir das Gelände weiterentwickeln können, sodass es für die Gemeinde Wacken, die Fans, die Musiker und unsere Mitarbeiter gut ist. Wir sind dicht an Hamburg dran, aber liegen auch zwischen zwei Meeren. Da gibt es viel, was man draus machen kann. 

Wie schafft man es, das alles selbst so lange abzufeiern? Die wenigsten Menschen in der Branche arbeiten so lange in einem Unternehmen.

Ich bin der Uwe-Seeler-Typ: einmal HSV, immer HSV. Dass das ein Anachronismus ist, ist mir natürlich rein aus der Business-Strategie auch klar. Aber ich finde das unglaublich sympathisch. Diese Beständigkeit, auch ein bisschen Sturheit, am Guten festzuhalten, so bin ich auch. Manchmal verfluche ich das Business. Künstler haben es momentan sehr schwer, da passiert ein tierischer Umbruch. Wenn man in dem Business bestehen will, muss man alles können außer Musik machen. Aber: Ich bin dabei, weil ich es liebe. Aus keinem anderen Grund. Und weil ich es kann. Das ist nicht selbstverständlich, in diesem Business zu überleben. Wir hätten auch nie zu träumen gewagt, dass wir damit unseren Lebensunterhalt bestreiten dürfen. 

Was ist Ihre wildeste Story vom Wacken – aus organisatorischer Perspektive, vor diesem Jahr?

Es gab über die Jahre viele Erlebnisse beim Wacken Open Air. Zum Beispiel hatten wir 2007 in der Aufbauphase in kurzer Zeit viel Niederschlag und damit viel Feuchtigkeit auf dem Veranstaltungsgelände. Um Teile der Flächen für die Besucher trockener zu bekommen, hatten wir, neben anderen Maßnahmen, unter anderem einen Helikopter kommen lassen, der in circa 60 Zentimeter Höhe langsam Teile der Flächen überflog, um zu helfen, die Bereiche trockenzulegen. Das war eine eher ungewöhnliche Aktion. 

Einen Tag nach dem Festival, am 6.8., startete bereits der Ticketverkauf für Wacken 2024. Muss man den Fans nicht erst mal eine Atempause lassen?

Wir haben uns vor Jahren mal überlegt, dass es gut wäre, den Fans die Möglichkeit zu geben, nach einem schönen Festival direkt das Ticket fürs nächste Jahr kaufen zu können. Zwar haben sich seitdem die Parameter verändert, aber wir halten an dieser Tradition fest. Die Metalheads sind darauf auch schon eingestellt, der Ticketkauf nach dem Festival gehört für viele einfach zum Gesamterlebnis dazu.

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