Life & Style Da habe ich einfach Glück gehabt – was Madonna und Bill Gates gemeinsam haben

Da habe ich einfach Glück gehabt – was Madonna und Bill Gates gemeinsam haben

 Glück, Zufall, Neid – und ein psychologisches Trostpflaster

Auch wenn der Zufall eine Rolle spielt, ist es von großer Bedeutung, was der Einzelne aus dem Zufall macht. Ein Beispiel für Glück sind Lottogewinne. Aber wir wissen, dass Personen, die im Lotto einen Hauptgewinn hatten, oft schon wenige Jahre danach ihr Geld wieder verloren haben. Andererseits gibt es Selfmade-Millionäre und -Milliardäre, die alles verloren und binnen einiger Jahre ein neues Vermögen aufbauen konnten. Das Erbe eines großen Vermögens ist ein anderes Beispiel für einen glücklichen Zufall, an dem derjenige, der erbt, keinen Anteil hat. Aber auch sehr reiche Erben verlieren das Vermögen oft innerhalb von zwei oder drei Generationen.

Der Hinweis erfolgreicher Menschen darauf, dass sie Glück gehabt hätten, diene, so der Soziologe Helmut Schoeck, der unbewussten Neidabwehr: „Ein Sportler, ein Schüler, ein Geschäftsmann, der gerade einen besonders schönen (und für andere neiderregenden) Erfolg errungen hat, sagt einfach, achselzuckend: na, ich hab eben Glück gehabt … Damit, meist unbewusst, sucht er einen möglichen Neid gegen sich zu neutralisieren.“ 

Die Erklärung eines sehr erfolgreichen Menschen, er habe „eben Glück gehabt“, wirkt zudem sehr viel sympathischer, menschlicher und angenehmer, als wenn er beispielsweise auf seinen überragenden Intellekt oder auf seine ungewöhnliche Persönlichkeit verweisen würde. 

Andererseits kennen wir alle das psychologisch entlastende Bestreben, Erfolge als Ergebnis des Könnens und Misserfolge als Ergebnis unglücklicher, externer Umstände zu interpretieren. „Erfolge gehören mir, Misserfolge den anderen.“ Bei überaus erfolgreichen Menschen, die nicht in der Not stehen, Scheitern zu erklären, gibt es jedoch offenbar häufiger genau das umgekehrte Muster, Erfolge als Ergebnis von großem Glück zu bewerten oder dies zumindest zu postulieren. Vielleicht spielt sogar manchmal eine gewisse Koketterie dabei mit. Die von Schoeck erwähnte unbewusste Neidabwehr kann dabei durchaus ein wichtiger Faktor sein, jedoch kommt ein dritter Faktor hinzu, warum überaus erfolgreiche Menschen so oft den Zufall oder das Glück ins Feld führen.

Können wir einen Erfolg nicht erklären, schließen wir oft allzu rasch darauf, Glück sei die Ursache. Michael J. Mauboussin gehört zu denjenigen, die stark die Rolle des Zufalls und des Glücks betonen. Als Beleg führt er an, dass sich das musikalische Talent von Superstars und von solchen, die nicht viel verdienen, nicht allzu stark unterschieden. Das mag sein. Aber dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass viele Autoren dazu neigen, allzu rasch auf Zufall oder Glück zu schließen, obwohl es andere Erklärungen gibt, die sie nicht in Betracht ziehen. 

Madonna war die zeitweise am besten verdienende Sängerin der Welt. Ihre Managerin, die ihr den Weg zu ihren ersten Erfolgen ebnete, antwortete auf die Frage, ob Madonna begabt sei: „Sie besaß gerade die Fähigkeiten, einen Song zu schreiben oder Gitarre zu spielen … Vor allen Dingen aber lagen ihre Stärken in ihrer besonderen Persönlichkeit und ihrer Fähigkeit, eine großartige Bühnenshow abzuziehen.“ 

Als sie für den Film „Evita“ engagiert wurde, musste sie zunächst einmal drei Monate professionellen Gesangsunterricht nehmen. Damals war sie schon eine der bekanntesten und erfolgreichsten Künstlerinnen der Welt. Der Grund für ihren Erfolg und für ihren besonderen Verdienst lag weder in besonderen musikalischen Fähigkeiten noch einfach im Zufall oder Glück, sondern in einer überragenden Fähigkeit zur Positionierung und Selbstvermarktung. 

Gleiches gilt für viele andere Unternehmer und Superstars, bei denen die Erklärung für ihren Erfolg weder in überragenden fachlichen Fähigkeiten oder Produktmerkmalen lag, sondern in einem überragenden Marketing. Als Beispiele können etwa die Milliardäre Dietrich Mateschitz (Red Bull) oder Richard Branson (Virgin) angeführt werden. 

Jedoch neigen nicht nur Beobachter dazu, allzu rasch mit Glück oder Zufall zu argumentieren. Erfolgreiche Menschen wissen oft selbst nicht bzw. können nicht artikulieren, warum und wie sie erfolgreich sind. Der Wissenschaftstheoretiker Michael Polanyi hat den Begriff des „stillschweigenden“ oder „impliziten“ Wissens geprägt (tacit knowledge). 

Erfolgreiche Menschen können also oftmals nicht explizit erklären, warum sie erfolgreich sind. Kann ein erfolgreicher Schriftsteller genau erklären, „wie“ er schreibt, kann ein erfolgreicher Musiker genau erklären, wie es ihm gelingt, erfolgreicher zu sein als andere? 

Da die Handlungen oftmals das Ergebnis impliziten Lernens sind und intuitiv erfolgen, ist dies sehr schwer. Vielleicht haben diese Personen nie besonders gründlich darüber nachgedacht, oder es fehlt ihnen die Fähigkeit, über solche Themen auf einem abstrakteren oder gar wissenschaftlichen Niveau zu reflektieren. Und selbst wenn sie es getan hätten, fehlten ihnen wohl oft die Distanz und der Vergleich, um Erklärungen zu geben. Wenn für den Erfolgreichen viele Gründe, warum er erfolgreich ist bzw. war, im Verborgenen liegen, dann bieten sich Erklärungen wie Zufall oder Glück an.

Wenn Menschen ihren Erfolg mit Glück oder Zufall erklären, können alle drei Ursachen zusammenspielen: Der Befragte kann sein verborgenes oder implizites Wissen nicht explizit machen, und er verfällt dann in eine Verlegenheits-Erklärung, die zugleich noch den dreifachen Vorteil hat, dass sie eine Teilwahrheit beinhaltet, sich für seinen Gesprächspartner „gut anhört“ und der unbewussten Neidabwehr dient. Und wer erfolglos ist, kann sich leicht damit trösten, er habe halt – anders als andere – einfach kein Glück gehabt im Leben. Ein psychologisches Trostpflaster, das diese Erklärung so beliebt macht. 

Mehr zu diesem Thema findet sich in Rainer Zitelmanns Kurs https://zitelmann-freiheit.de/die-master-class

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