Life & Style Psychedelika im Ukraine-Krieg: „Ich kehrte zum Leben zurück“

Psychedelika im Ukraine-Krieg: „Ich kehrte zum Leben zurück“

Die ukrainische Armee experimentiert mit Ketamin, um traumatisierten Soldaten zu helfen – und sie wieder einsatzfähig zu machen. Ärzte und Betroffene, denen es geholfen hat, glauben daran. Selbst im Kampfeinsatz soll die Droge Wunder bewirken.

Hor Kholodilo hätte wahrscheinlich nicht überleben sollen. Der Militärpsychologe und Sanitäter war Anfang 2023 dabei, Kameraden zu evakuieren, als sein Jeep von einer russischen Panzergranate getroffen wurde. Er war kaum noch in der Lage sich irgendwie zu äußern, geschweige denn zu sprechen. Operationen retteten sein Herz und sein Sehvermögen. Aber die Ärzte waren nicht in der Lage, sein Lallen und Stottern zu korrigieren. Er probierte alle möglichen radikalen Therapien aus, aber nichts half. Dann traf er Vladislav Matrenitsky, einen Pionier der psychedelisch unterstützten Psychotherapie, der ihm eine unerwartete Frage stellte. Würde er Ketamin ausprobieren?

Nichts half

Kholodilo erwartete nicht viel, aber die Ergebnisse waren verblüffend. Nach einer Sitzung war sein Stottern so gut wie verschwunden. Nach weiteren fünf Sitzungen war er fast wieder normal. Die Albträume und die Ängste vor dem täglichen Leben waren verschwunden. Die Ketamintherapie war nicht einfach, sagt er, aber sie ermöglichte es ihm, das Trauma zu überwinden, das seine Symptome verursacht hatte: „Ich kehrte zu dem zurück, was man als Leben bezeichnen könnte… Ich fühlte mich leicht, einfach gesegnet.“

Seit 2017 ist Ketamin in der Ukraine zur Behandlung psychischer Erkrankungen legal. Die therapeutische Verwendung von Psychedelika hat eine lange Geschichte und wurde in den 1950er und 1960er Jahren in Amerika erforscht. Nach der Hippie-Bewegung geriet sie in politische Ungnade, und eine Zeit lang wurden Psychedelika mit Rauschmitteln wie Heroin gleichgesetzt. Doch in den letzten zehn Jahren haben sie eine Renaissance erlebt.

Jetzt rückt der Krieg die Ukraine in den Mittelpunkt der Behandlung. Matrenitsky, der die einzige Klinik des Landes leitet, die eine Ketamintherapie anbietet, hat nach eigenen Angaben fast 300 Patienten behandelt, die an Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) oder Angstzuständen leiden. Ein wachsender Anteil davon sind Soldaten.

Eine 40-minütige Sitzung in seinen Behandlungsräumen, die sich im obersten Stockwerk eines tristen Kinderkrankenhauses im Norden Kiews befindet, kostet 4.000 Griwna, das sind etwa 100 Euro. Einigen Soldaten werden kostenlos therapiert. Eine typische Behandlung dauert zwischen zwei und sechs Sitzungen. Die Ketamindosis – 0,5 mg pro Kilo Körpergewicht – wird über einen Tropf verabreicht. Der Patient wird von einem Psychotherapeuten durch seine Reise begleitet. Ziel ist es, so Matrenitsky, unterbewusste Traumata anzuzapfen: „Wir verwandeln die Erinnerungen in eine metaphorische Reise“. Er sagt, dass etwa ein Drittel seiner Patienten, die Ketamin erhalten, „extrem gute“ und ein weiteres Drittel „einigermaßen gute“ Ergebnisse erzielen. Schlechte Reaktionen, in der Regel Panikattacken, sind selten. Das ist das Signal zum Absetzen des Tropfs.

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