Green & Sustainability Wenn Profis vor lauter Nachhaltigkeit ihr eigentliches Ziel aus den Augen verlieren

Wenn Profis vor lauter Nachhaltigkeit ihr eigentliches Ziel aus den Augen verlieren

Passiert ist bei der EZB folgendes: Frank Elderson, eines von sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums und  Klimabeauftragter der Notenbank hat in einer Sitzung im Februar die Mitarbeiter mit der Ansage verunsichert, dass Personen, die seine grünen Ziele nicht unterstützen, nicht willkommen seien. „Ich will diese Leute nicht mehr haben“, soll er laut Zuhörern gesagt haben. Und: „Warum sollten wir Leute einstellen wollen, die wir umprogrammieren müssen?  Weil sie von den besten Universitäten kommen, aber immer noch nicht wissen, wie man das Wort ‚Klima‘ buchstabiert?“ 

Die Personalvertretung der EZB zeigt sich „schockiert“ über diese Aussage.  In einer Mail, die unter anderem auch bei der Financial Times landete, erklärte sie, die Idee, Menschen „umzuprogrammieren“, stehe in „krassem Widerspruch zu Vielfalt und Inklusion, insbesondere zur Vielfalt der Gedanken.“ Eldersons Haltung sei „autoritär“ ließen sich Mitarbeiter anonym zitieren. Eine freie und offene Diskussion über den Klimawandel – und die Rolle, die die Bank bei seiner Bekämpfung spielen sollte – sei in der in Frankfurt ansässigen Organisation nicht mehr möglich. 

Tatsächlich hat die EZB in ihren Statuten den Einsatz für nachhaltiges Wirtschaften zum Ziel erhoben: „Wir arbeiten daran, die Klimarisiken für geldpolitische Geschäfte und Anlagegeschäfte sowie für das Finanzsystem besser einschätzen, überwachen und steuern zu können. (…) Wir unterstützen einen geordneten Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft mit Maßnahmen, die in unseren Aufgabenbereich fallen“, heißt es da. Die EZB argumentiert, sie sei rechtlich verpflichtet, zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen, und beruft sich auf eine formale Nebenaufgabe, die sie zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der EU verpflichtet.  

Profis von außerhalb sehen das kritisch. „Die Diskussion über die Ökologisierung des Zentralbankwesens ist so polarisiert, dass eine kritische Debatte schwierig geworden ist“, sagt Daniel Gros, Direktor des Institute for European Policymaking an der Bocconi Universität in Mailand dem Nachrichtenportal Politico. „Wenn man Kritik äußert, wird man schnell beschuldigt, gegen den Klimawandel zu sein.“ 

Und Volker Wieland, Ökonom beim offiziellen Frankfurter Gremium der EZB-Beobachter, glaubt darüber hinaus, dass sich Elderson und die EZB überschätzten: „Ihren Einfluss auf die Emissionen des Euroraums halte ich für sehr gering. Hier sind die Instrumente der CO2-Steuer und des Emissionshandels wesentlich effektiver als etwa die Politik bei den Anleihekäufen der EZB.“

Allen Kritikern gemeinsam ist, dass ihnen die Entwicklung der vergangenen Jahre recht gibt: Die EZB hatte eine stark steigende Inflation über Monate hinweg untätig zugesehen und musste dann in schnelle Folge die Zinsen rapide anheben, um die Geldentwertung noch zu stoppen. Hat sie sich, so fragen sich die Kritiker, von ihren Nachhaltigkeits-Ambitionen so sehr ablenken lassen, dass ihr die Geldwertstabilität gleichgültig geworden war?

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