Leadership & Karriere Wie zwei junge Brüder mit einer Nachhilfe-App zu Millionären wurden

Wie zwei junge Brüder mit einer Nachhilfe-App zu Millionären wurden

Maxim und Raphael Nitsche sind zwei Mathe-Cracks, die eine Nachhilfe-App erfunden haben. Das Produkt machte die Brüder und ihren Vater zu Millionären. Nun basteln sie an einer Idee, die noch größer ist. Von Jenny von Zepelin

Maxim und Raphael Nitsche sind gerade erst zur Wohnungstür reingekommen, da platzt es schon heraus: „Wir sind da wieder an etwas dran“, sagt Maxim. Die Brüder setzen sich an den Couchtisch. Der schwarze Ledersessel rechts ist für ihren Vater reserviert. Der kommt aus dem Nebenraum, grüßt kurz und fragt seine Söhne sofort: „Habt ihr es schon erzählt?“ „Es.“ Das Neue. Das Große.

Vater Thomas Nitsche und seine Jungs sitzen in einer Berliner Altbauwohnung. Stuckverzierte Decken, volle Bücherregale, Holzdielen. Gediegenes Bürgertum. Bei der neuen Idee geht es um eine andere Welt als hier in Berlin. Bei ihren Erklärungen fallen sich die zwei jungen und der alte Nitsche gegenseitig ins Wort, korrigieren einander, überholen sich. Eine neuartige Suchmaschine ist das Ziel, ein Art Google hoch drei. Vermutlich fänden die Nitsches diese Umschreibung anmaßend. Aber der Vater sagt, es sei etwas, „das signifikant, um Potenzen weitreichender ist als das, was wir bislang gemacht haben“.

Ideal für ein Computerprogramm

Dabei war schon das ein großer Wurf. Der heute 22-jährige Maxim hatte als Schüler vor acht Jahren die Idee für ein Mathematik-Lernprogramm. Die Lehrmethoden der Schule fand er rückständig, ineffizient und frustrierend. Die Kinder, denen er seit der fünften Klasse Nachhilfeunterricht gab, quälten sich. Hunderte Formeln müssten sie lernen. „Dabei brauchen sie nur 20 Regeln zu verstehen“, sagt Maxim. „Dann können sie Mathematik – jede Rechnung.“

Das führte zu einer Idee: Integrale, Vektoren, Matrizen – sämtliche Aufgaben können Schritt für Schritt detailliert erklärt werden. Ideal für ein Computerprogramm, dachte Maxim. Seinen damals 13-jährigen Bruder Raphael überzeugte er sofort. Der Vater, ein erfahrener Mathematiker, Softwareentwickler und Unternehmer, nannte es hingegen „eine Schnapsidee“. Die Söhne sollten erst mal einen Busi­ness­plan ausarbeiten.

Die Schüler recherchierten und fanden heraus: In Deutschland werden jährlich rund 800 Mio. Euro für Mathe-Nachhilfe ausgegeben, in Südkorea das Zehnfache, weltweit werden es 2021 voraussichtlich mehr als 100 Mrd. Dollar sein. „Mathe ist ein Monsterproblem, und der Markt ist riesig“, fand Maxim. Und heute stellt Thomas Nitsche fest, dass seine hartnäckigen Söhne wohl den richtigen Riecher hatten: „Das ist ein großes Ding.“

Foto: Maximilian Virgili

Wie Mark Zuckerberg!

Drei Jahre lang tüftelten die Brüder neben Schule und Studium an ihrem Nachhilfeprogramm. Mit der Hilfe des Vaters und dessen Frau Oxana, einer Computerlinguistin. Sie programmierten und probierten, verwarfen und entwickelten neu. 2013 war Math 42 fertig, eine Anwendung für Mobiltelefone. Nun brauchten die Nitsches vor allem eins: Geld. Mit Mathe-Apps hatten es bis dahin schon viele versucht, auch die ganz Großen aus den USA wie Microsoft. Mit wenig Erfolg. Und jetzt sollten zwei Teenager aus Deutschland wissen, wie es geht? Eine Frage, die sich auch die Investoren in der „Höhle der Löwen“ stellten.

2,4 Millionen Vox-Zuschauer sehen an einem Herbstabend 2015, wie der damals 19-jährige Maxim und der 18-jährige Raphael in Wollpullis und mit ge­rö­te­ten Wangen vor die „Löwen“ treten. Sie wollen zwei Millionen Euro für 20 Prozent an ihrem Unternehmen. So viel Geld hat zuvor kein Kandidat gefordert. „Ganz schön selbstbewusst“, sagt Jochen Schweizer.

Doch begeistert, fasziniert sind bald alle Investoren. Sie steigen aus, weil die App nicht ihre Welt ist. Am Ende blieben Vural Öger und natürlich Frank Thelen. Die App ist sein Beuteschema. „Das ist ein Mark Zuckerberg“, raunt Thelen Öger zu und weist auf Raphael Nitsche, das Mathe-Hirn mit einem Intelligenzquotienten von 151.

„Ist das etwas, was durch die Decke geht?“, fragt Judith Williams.

„Ja. Ich kann das Ding morgen für 100 Millionen verkaufen, wenn das alles stimmt“, sagt Thelen. Gemeinsam mit Öger macht er den Brüdern ein Gegenangebot: zwei Millionen, aber für 30 Prozent. Der Deal kommt nicht zustande. Denn plötzlich bekennt einer der Brüder, dass der Vater der beiden die Mehrheit an der Familienfirma hält. Zu kompliziert solche Besitzverhältnisse.

App erreicht Millionen

Berlin, im heißen Sommer 2018. Thomas Nitsche beugt sich aus dem schwarzen Ledersessel vor, schüttet sich Tee aus einer Thermosflasche nach. Dass sich Investoren an dem Gründerteam stören, hat der 65-Jährige immer wieder gehört: „Dem einen sind die Söhne zu jung, dem anderen bin ich zu alt, oder es heißt, das Familienmodell implodiere irgendwann.“ Das Gegenteil sei der Fall. „Wir sind das perfekte Team“, sagt der Vater. Und die Söhne widersprechen an der Stelle nicht.

Der Vater, der Großvater und Cousins sind Mathematiker. Maxim und Raphael bekamen schon von klein auf ständig Denksportaufgaben zu lösen, lernten früh Schach. Das ist ihre Erfolgsformel: „Das strukturierte Denken, bei dem wir auch sehr komplizierte Dinge in kleine Einzelteile zerlegen und mit großer Hartnäckigkeit nach Lösungen suchen“, sagt Thomas Nitsche. „Darin sind wir so eingespielt, dass wir sogar gegenüber Konzernen mit einer Armada an Experten einen Wettbewerbsvorteil haben.“

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