Life & Style Travel Kollekt: Diese Dänin erfindet ihren eigenen Reiseführer – mit Erfolg

Travel Kollekt: Diese Dänin erfindet ihren eigenen Reiseführer – mit Erfolg

Mit gedruckten Reiseführern auf Basis von Inhalten aus dem Web will Travel Kollekt die individuelle Urlaubsplanung auf ein völlig neues Level heben

Reisende gibt es eigentlich nur in drei Kategorien: die, die blauäugig in den Urlaub fahren und schauen, was der Tag bringt; dann jene, die eine vorgeplante Pauschalreise buchen, um sich nicht selbst kümmern zu müssen; und schließlich solche, für die Reisen einen so hohen Stellenwert hat, dass selbst die detaillierte Planung mit großer Freude zelebriert wird. Für letztere Gruppe von Menschen hat das dänisch-deutsche Startup Travel Kollekt die wohl beste Innovation seit der Erfindung von „Lonely Planet“ parat: einen individuell zusammenstellbaren Reiseführer.

Ausgedacht hat sich das Ganze Louise Brandstrup Zastrow. Die Dänin arbeitete lange als Produktmanagerin und Kreativdirektorin in der Möbelbranche, später als freiberufliche Beraterin. Schon immer reiste Zastrow gern und viel, jedes Jahr verbrachte sie etwa drei Monate in Asien. Stets dabei: ein Reiseführer. Nur stellte sie irgendwann fest, dass da immer viel Zeug drinstand, das sie eigentlich gar nicht interessierte. Dafür mangelte es dann an anderer Stelle.

Kleinteilige Internetrecherche? Nö, danke!

Infolge einer Myanmar-Reise kam sie schließlich auf die Idee zu Travel Kollekt. Damals, 2013, gab es noch nicht viele Informationen über das Land, das sich gerade erst nach jahrzehntelanger Isolation dem Tourismus geöffnet hatte. Alles veränderte sich in rasantem Tempo – ein klassischer Reiseführer wäre schon gar nicht mehr aktuell gewesen. Außerdem gab es nur spärlichen Internetzugang. Spontan etwas bei Tripadvisor nachschauen war also nicht drin. Darum recherchierte Zastrow vor ihrer Reise wie verrückt im Web, speicherte alles über Evernote in der Cloud ab und fuhr schließlich mit einem losen Stapel ausgedruckter A4-Blätter, voll mit Orten, die sie sehen wollte, in den Urlaub.

Was nach großem Chaos klingt, stellte sich vor Ort als Glücksfall heraus, sagt Zastrow: „Mir wurden wieder die Vorteile ausführlicher Vorabrecherche bewusst. Es macht frei auf Reisen. Man nimmt die Dinge viel intensiver wahr, weil man unterwegs nicht ständig alles nachlesen und überprüfen muss.“ Erstaunlicherweise konnte sich Zastrow im Nachhinein auch viel besser an die Reise erinnern. Also entschied sie, künftig immer so vorzugehen. Der Nachteil: Solch kleinteilige Internetrecherche ist mühsam und am Ende schwer zu überblicken. „Ich war frustriert, dass all die Inspiration, die ich gesammelt hatte, am Ende immer in dem jeweiligen Medium stecken blieben – egal ob bei Pinterest, Instagram, Evernote oder meinem E-Mail-Postfach“, sagt Zastrow. „Ich konnte das alles nie so verwerten, wie ich eigentlich wollte.“

Keine passenden Reiseführer gefunden: Deswegen hat Louise Brandstrup Zastrow die Sache selbst in die Hand genommen und sich ihren eigenen geschrieben. © Marie Louise Munkegaard

Um dieses Problem zu lösen, gründete Zastrow 2016 Travel Kollekt, eine Plattform, auf der man während seiner Reisevorbereitung Informationen aus verschiedenen Quellen sammeln und daraus später ein Buch drucken lassen kann. Ein Template überführt alle Texte, Bilder, Karten, Adressen und Links automatisiert in ein festes Raster und erzeugt ein druckbares PDF. Das Endergebnis sieht dann so aus wie ein echter Reiseführer. Seit Anfang des Jahres ist Zastrow mit Travel Kollekt Teil des Accelerators Next Media in Hamburg, um ihr Produkt endlich auf die Straße zu bringen. Voraussichtlich Ende Mai soll der Launch erfolgen.

Als Printpartner konnte Zastrow Moleskine gewinnen. Da der italienische Notizbuch-Spezialist seinen Print-on-demand-Service aber nicht pünktlich zum Launch von Travel Kollekt fertig haben wird, müssen die frühen Kunden erst mal mit einem einfacheren Büchlein vorliebnehmen. Am Ende soll der fertige Moleskine-Guide zwischen 20 und 25 Euro kosten – abhängig vom Seitenumfang und der Menge an Zusatzinhalten.

„Show me the real Bangkok“

An diesen Zusatzinhalten arbeitet Zastrow gerade noch. Denn für jene Kunden, die nicht nur eine Liste mit Ausflugszielen und Restauranttipps haben wollen, sondern sich eingehender mit ihrer Urlaubsdestination befassen möchten, soll es ein zusätzliches Content-Angebot entstehen. „Wir bauen gerade eine Datenbank mit kuratierten Experteninhalten auf“, sagt Zastrow. „Denn so etwas ist im Internet schwer aufzutreiben. Gib mal bei Google ein: ,Show me the real Bangkok‘. Wie soll man das da finden?“

Um an tiefgründige Essays, Analysen und Insiderinfos zu kommen, schließt Zastrow internationale Partnerschaften mit großen Verlagshäusern, Nischenmagazinen und He­rausgebern von Indie-Büchern ab. Diese können dann ihren vorhandenen Content, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nur ein einziges Mal gedruckt wurde, über Travel Kollekt wieder und wieder verwerten – und damit jedes Mal aufs Neue Geld verdienen.

Praktisch funktioniert das so: Stellt ein Kunde seinen individuellen Thailand-Guide zusammen, bietet ihm Travel Kollekt passend dazu beispielsweise einen kritischen Artikel über die thailändischen Auffangstationen für Elefanten oder eine Übersicht zur Kaffeekultur in Bangkok an. Entscheidet sich der Kunde für diese Zusatzinhalte, zahlt er abhängig davon, ob er die gesamten Artikel oder nur bestimmte Absätze übernehmen möchte, ein paar Euro an Travel Kollekt. Davon behält das Startup 30 Prozent ein, der Rest geht direkt an den Urheber.

Sollte das Ganze zum Erfolg werden, könnte Zastrow sich vorstellen, auch andere individualisierte Printprodukte rund ums Reisen zu kreieren: „Wir könnten alle Phasen einer Reise abdecken – vor, während und nach einem Trip.“ Erst muss sich aber der Guide beweisen. Sicher, es handelt sich um ein absolutes Nischenprodukt, nur wenige Leute sind solche Reise-Nerds. Doch genau die werden vermutlich zu treuen Kunden, denn Zastrow weiß aus eigener Erfahrung, welche Bedeutung Reiseführer haben können: „Leute, die Reiseführer lieben, sammeln sie, behalten sie und wertschätzen sie – weil sie für etwas stehen.“

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Der Artikel stammt aus unserer aktuellen Ausgabe. Titelstory: Wieso Nico Rosberg sich nach seinem radikalen Karriere-Schlussstrich 2016 gerade als Investor in Zukunftstechnologien neu erfindet. Außerdem haben wir ein Dossier zum Thema Travel Biz für euch. Darin berichten wir unter anderem über Away, das New Yorker Koffer-Startup, das mit clever konzipiertem Gepäck gerade zur Love-Brand der Millennials wird. Mehr Infos gibt es hier.

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