Leadership & Karriere Yusaku Maezawa: Unternehmer, Milliardär und Weltraumtourist

Yusaku Maezawa: Unternehmer, Milliardär und Weltraumtourist

In Japan wurde Yusaku Maezawa mit E-Commerce zum Milliardär. Jetzt kennt ihn alle Welt: Als den Typ, der bald mit Elon Musk zum Mond fliegt.

Von Felix Lill

Der Menschheit bleibt nicht viel Hoffnung, jedenfalls wird es mal wieder verdammt knapp. Das sind die ersten Gedanken, die einem beim Betreten des Saales aus dem Popkulturspeicher des Hirns entgegenfluten: futuristische Stühle um einen weißen, runden Konferenztisch aus Kunststoff. Das alles erinnert stark an die Inneneinrichtung für Szenen aus Science-Fiction-Filmen der 60er-Jahre, Szenen, in denen ein Krisenstab tagt, weil die Menschheit eben mal wieder heftig bedroht ist: Invasion vom Mars, irrer Erpresser mit Atomsprengköpfen, Katzen streichelnder Megalomane mit Versteck tief im Pazifik. Aber hier, im Büro von Zozotown, wartet nur ein einziger Mensch. Der Retter braucht keinen Stab. Im Gesicht trägt er ein verschmitztes Grinsen.

Das ist er also: Yusaku Maezawa, 43 Jahre alt, Multimilliardär. Die Milliarden hat er durch Zozo reingeholt, eine in seiner Heimat Japan beliebte Onlineplattform für Mode. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hat vor einiger Zeit ausgerechnet, dass Zozo seinen Chef zu einem der 20 reichsten Menschen Japans gemacht hat. Daher hatte Maezawa auch genug Scheine im Portemonnaie, um sich bei Elon Musk ein paar Tickets zur ersten zivilen Mondreise von dessen Raketenunternehmen Space X zu besorgen. Maezawa wird dem Erdtrabanten so nahe kommen wie kein Mensch seit dem Ende der US-amerikanischen Apollo-Mission. Und als der schmächtige Mann dies im September in leicht holprigem Englisch vor laufenden Kameras verkündete, wurde er von jetzt auf gleich auf der ganzen Welt berühmt.

Nun ist Weltraumtourismus kein neues Phänomen, nicht einmal Marketing-Michelangelo Musk wäre frech genug, einem die Tour nach oben als Hot Shit zu verkaufen. Als im Jahr 2001 der Amerikaner Dennis Tito knapp acht Tage lang ins All mitreisen durfte, war das noch überall eine große Berichterstattung wert. Seitdem sind eine Handvoll „self-funded space tourists“ mitgeflogen, und man hört nicht mehr hin, wenn sich ein Mensch mit viel Geld seinen Traum von der ultimativen Vogelperspektive erfüllt. Außerdem ist seitdem auch Felix Baumgartner quasi nackt aus dem All gesprungen, und das pure Mitreisen bekam nicht zuletzt durch diese Steigerung eine niedliche Bädertournote für ältere Herren.

Zwei Nasen tanken Superkerosin: Maezawa und Elon Musk, von dem er für eine unbekannte Summe ins All geschossen werden wird (Credits: Imago).

Maezawa ist das egal. Er hat Größeres vor. Nicht für sich alleine hat er Musk ein Ticket zum Mond abgekauft, sondern gleich alle verfügbaren Sitze. Eine Art Luxury Box mit Blick auf die Erde. Man muss sich fragen, wer in dem Fall wem bei der PR geholfen hat – der große Name Musk dem unbekannteren Mae­zawa oder der eiskalt die Dollarscheine zückende Maezawa dem angeschlagenen Tesla-Chef?

Maezawa fläzt sich in seinen Stuhl in der terrestrischen Luxury Box seines Büros und erklärt einem das Projekt. Zwischen sechs und acht Künstler sollen mit ins All kommen, die wird er persönlich auswählen und einladen. Er sagt: „Ich will wissen und erleben, was Künstler der Welt geben können, wenn sie davon inspiriert sind, unseren Planeten aus der Ferne zu sehen. Wie es der Mond jeden Tag tut.“ Auf der Liste möglicher künstlerischer Gattungen, die Maezawa für weltall-förderungswürdig erachtet, stehen bislang Filmregie, Malerei, Tanz, Literatur, Musik, Modedesign, Bildhauerei, Fotografie und Architektur. Er hat auch schon Ideen, wen genau er einladen wird. Namen mag er aber noch nicht verraten.

Doch so viel kann Maezawa schon sagen: „Ich schätze jene Künstler, die etwas für den Weltfrieden tun. Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn die politische Elite der USA nach dem 11. September 2001 gemeinsam ‚Imagine‘ von John Lennon gehört hätte. Wären sie dann in den Krieg gezogen?“ Mae­zawa vermutet, dass alle noch mal gründlich drüber nachgedacht hätten. Als Vorbeugung für anstehende Kriege will er also der Menschheit Kunstwerke vermachen, die ein globales Wir-Gefühl stiften. „Welche Inspiration kann dafür besser sein, als die Erde als Ganzes, Zusammenhängendes, Schönes zu sehen?“

Erfolgskonzept Punk

Wenn man sich nur eines an Maezawa merken kann, dann sollte es wohl Folgendes sein: Der Mann ist der wohl unjapanischste Geschäftsmann seines Landes. Ist das Business in Japan geprägt von schwer durchschaubarer Leisetreterei, lässt sich der Zozo-Boss als Star feiern. Ende des Jahres hat er eine Neujahrskarte über Twitter geteilt. Wer sie retweetet, hatte eine Chance auf einen Bargewinn. Zack, schaffte Maezawa so den Rekord der meisten Retweets aller Zeiten. Die Presse daheim wiederum weiß viel über ihn: zwei Söhne von zwei Frauen, dazu eine 17 Jahre jüngere Geliebte, die Schauspielerin Ayame Goriki. Obwohl, gab Maezawa der Yellow Press neulich dann Nachhilfe, eigentlich sind es drei Söhne von drei Frauen. Und nein, die dritte Mutter ist nicht Goriki. Die wiederum meldete sich via Instagram zu Wort und verkündete, dass sie stolz sei auf ihren Freund, weil er so hart arbeite.

Japans Vorstände sind Synonyme für Angegrautheit, Kahlheit und Zurückhaltung; inmitten dieser staubigen Konzernarbeiter wirkt der jungenhafte Maezawa wie ein ausgestreckter Mittelfinger für die gesamte Fleiß- und Leistungsgesellschaft. Und überhaupt, harte Arbeit, diese urjapanische Tugend? Maezawa schüttelt den Kopf und sagt, dass er kein Workaholic sei. Manchmal kommt er nur drei Mal in der Woche ins Büro und verbringt dann nicht mehr als sechs Stunden hier. Er will auch grundsätzlich nur das tun, was ihm Spaß macht. Spaß sei für ihn Arbeit, Arbeit sei Spaß. „Eine Unterscheidung finde ich schwierig“, sagt er. Trotzdem ist es Maezawa gelungen, ein Milliardenunternehmen aufzubauen. Und er fliegt in ein paar Jahren zusammen mit Musk, dem noch größeren Mittelfinger der Wirtschaft, Richtung Mond. Wie das?

V is for Versteigerungskönig: Maezawa und befreundete Kunstgenießer vor dem Werk von Jean-Michel Basquiat, für das er 100 Mio. Euro hinlegte (Credits: Shutterstock).

Weder hat er jemals eine Wirtschafts-Uni von innen gesehen, noch hatte er schon immer das wattige „Imagine“-Mindset im Kopf. Der junge Maezawa war Punk. Richtig Punk, nicht bloß bunte Haare und Asahi aus der Dose vorm Konbini. Als ihn die japanische Öffentlichkeit erstmals mitbekam, war er Anfang 20 und trug weite, zerrissene Hemden und spielte Drums für Switch Style, eine Punkband. Mit der tourte Maezawa landauf, landab und wurde semi-berühmt. Über semi ging es dann jedoch nicht hinaus.

Zeitgleich sammelte er seltene Schallplatten, vor allem Punk und Rock. Maezawa begann, damit zu handeln und gründete ein Unternehmen, das er nach einem Titel der New Yorker Punkband Gorilla Biscuits benannte: Start Today. Der Refrain geht so: „It won’t pass me by; Procrastinate, it can wait, I put it off; Let’s start today, let’s start today!“ Okay! Derart befeuert, importierte er alle möglichen CDs, verkaufte sie in einem Katalog und verschickte sie per Post an seine Kunden. Das war Ende der 90er, als man mit einem Hobbyunternehmen wie Start Today noch Geld verdienen konnte. Jedenfalls genügend Geld für Maezawa, um sich teure Klamotten und ein Auto zu leisten und seine Freunde überall hin einzuladen.

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