Productivity & New Work „Der digitale Skill-Gap ist bereits da“: Welche Fähigkeiten im Beruf in Zukunft unverzichtbar sein werden

„Der digitale Skill-Gap ist bereits da“: Welche Fähigkeiten im Beruf in Zukunft unverzichtbar sein werden

Wenn die Coronapandemie und mit ihr die unzähligen Zoom-Meetings eines gezeigt haben, dann, dass digitale Kompetenzen und IT-Kenntnisse heutzutage wichtiger denn je sind. Wie wird es wohl dann erst in der Zukunft sein?

Im Interview erklärt Kurt Jeschke, Professor und Prorektor Corporate an der IUBH Internationalen Hochschule, welche Skills in Zukunft gefragt sind, welche Berufsfelder einen Umschwung erleben werden und wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden bei einer digitalen Fortbildung unterstützen können.

Herr Jeschke, welchen Umbruch erleben wir gerade auf dem Arbeitsmarkt?

Mit Blick auf die Angestellten: Die Hälfte der heute 30-Jährigen wird sich im Laufe des Berufslebens komplett neu orientieren müssen, weil es den alten Job in zehn bis 15 Jahren schlicht nicht mehr geben wird.

Das heißt, bestehende Berufsbilder und Qualifikationen verändern sich dramatisch oder fallen ganz weg. Gründe sind Automatisierung, Künstliche Intelligenz und voranschreitende digitale Transformation in allen Branchen – ausnahmslos.

Innerhalb der nächsten 30 Jahre werden davon 50 Prozent aller Tätigkeiten im Industrie- und Dienstleistungssektor betroffen sein. Paradoxerweise geht dies mit einem fortschreitenden Fachkräftemangel einher.

Denn die Future Work erfordert Future Skills, über die nur ein geringer Teil der Beschäftigten heute verfügt. Das ist bedrohlich für die Mitarbeiter*innen und lähmt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Wieso ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt für eine digitale Weiterbildung?

Intensive Weiterbildung und Weiterqualifizierung von Mitarbeitenden ist der einzige Weg aus dem Dilemma.

Wenn Sie Inhalte von Stellenausschreibungen analysieren, dann zeigen diese Ergebnisse heute schon die steigende Relevanz in vielen Berufsfeldern. Unsere Studienergebnisse – und auch die anderer Institutionen –  zeigen das ganz klar: Der digitale Skill-Gap ist bereits da und wirkt sich negativ auf die Unternehmen aus.

Unternehmen haben schon jetzt einen massiven Bedarf an neuem Know-how an der Schnittstelle klassischer Aufgaben, digitaler Technologien und im Bereich der sogenannten „New Work“. Den decken weder der Arbeitsmarkt noch die eigenen Mitarbeiter*innen.

Mit digitalen Bildungsformen und -inhalten lassen sich viele dieser Probleme lösen. Sie sind schnell einsetzbar, problemlos skalierbar und mit wenig Aufwand an unterschiedliche Zeit- und Lehrformate anpassbar. Das reicht von einer kleinen Einheit auf dem Smartphone während des Arbeitsweges bis hin zum Fortbildungsseminar mit Zoom oder Teams am Abend oder Wochenende.

Welche Aufgabenbereiche werden denn in Zukunft in Unternehmen dazukommen?

Die Bereiche IT und Technik gewinnen immer mehr an Relevanz, aber auch ein grundlegendes Verständnis. Digitale Schlüsselqualifikationen werden zur Grundvoraussetzung. Im Bereich der IT sprechen wir hier von Themen wie KI, Data Analytics und Big Data, Online- und Social-Media, digitale Business-Modelle oder dem Umgang mit modernen ERP-Systemen.

Welche Hard- und Soft-Skills braucht man dafür?

Die Hard-Skills der Zukunft fokussieren sich auf technologische Fähigkeiten, zum Beispiel auf die Administration vernetzter IT Systeme oder etwa dem Aufbau dezentraler Datenbanken mit Hilfe der Blockchain-Technologie. Daneben werden aber auch digitale Kompetenzen im Bereich Marketing und Kommunikation oder Management und Wirtschaft immer wichtiger.

Bei den Soft-Skills geht es darum, die technischen Entwicklungen zu ergänzen. In einer digitalen Arbeitsumgebung werden die „weichen“ Kompetenzen wie Teamorientierung, Problemlösungsfähigkeit und Kreativität immer bedeutsamer.

Interessant sind hier die Ergebnisse unserer Up-Skilling-Studie: Während für Mitarbeiter*innen Kompetenzen wie Konfliktmanagement, Problemlösungskompetenz und Teamwork ganz oben stehen, erachten Führungskräfte Mitarbeiterentwicklung, Stressprävention und Delegieren und Loslassen als besonders wichtig.

© Kurt Jeschke ist Experte für digitale Transformation im Bereich Corporate Learning und Development.

Wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden da unterstützen?

Die Maßnahmen sollten ganz gezielt auf die jeweiligen Kompetenzlücken abgestellt sein. Also nicht irgendeine Weiterbildung von der Stange, auch wenn sich das scheinbar als Quick-Win und zu günstigen Preisen anbietet.

Dann sollte das aktuelle Know-how der Mitarbeitenden abgeglichen und die am beste Weiterbildungsmaßnahme ausgewählt werden.

Zudem: Zeit für die Maßnahmen einräumen, bewusste Anreize setzen und – ganz wichtig – die Notwendigkeit der Weiterbildung vermitteln. Unsere Studie hat gezeigt, dass hier gerade in kleinen Unternehmen oft das Bewusstsein fehlt.

Wenn ich eine Weiterbildung machen möchte, aber noch nicht genau weiß, in welche Richtung es gehen soll, wie kann ich das rausfinden?

Der erste Schritt ist Selbstreflektion. Beobachten Sie sich selbst. Sie kennen Ihre Jobdescription, die Erwartungen Ihres Vorgesetzten, ihre Stärken und Schwächen am besten. Was erwartet mich in meinem Job jetzt und in der Zukunft? Welche Skills fehlen mir komplett? Wo kann ich mich verbessern? Seien Sie dabei schonungslos ehrlich zu sich selbst.

Im zweiten Schritt sollten Sie Ihren Job genauer unter die Lupe nehmen: Welche Herausforderungen kommen in Zukunft auf mich zu? Welche Skills würden meinen Arbeitsalltag erleichtern? Und dann hilft in den allermeisten Fällen ein direktes Gespräch mit den Arbeitgeber*innen.

Wie überzeuge ich meine Vorgesetzten in mich und eine Weiterbildung zu investieren?

Es ist wichtig, dass Sie valide und nachvollziehbare Argumente vorbringen. Ihr*e Vorgesetzte*r muss klar erkennen können, welchen Mehrwert die Weiterbildungsmaßnahme für den Arbeitsplatz, das Team und damit für das Unternehmen bringt.

Kann die Kollaboration im Team verbessert und die Produktivität des Teams erhöht werden?  Erhöht sich die Motivation und Arbeitszufriedenheit und die Bewertung des Arbeitgebers? Kann ein Prozess optimiert und dadurch Kosten gespart werden? Können Sie einen bisher externen Arbeitsschritt eingliedern? Helfen Ihnen Ihre neuen Fähigkeiten, mit der technischen Entwicklung in Ihrem Bereich Schritt zu halten?

Der Nutzen für die Firma steht hier im Fokus. Ihr persönliches Interesse können Sie dabei ebenfalls einbringen.

Welche Möglichkeiten habe ich in Sachen digitaler Weiterbildung, wenn mein Unternehmen mich nicht fördern will?

Es gibt eine schier endlose Auswahl an Möglichkeiten. Lassen Sie sich nicht entmutigen, falls Ihr*e Arbeitgeber*in Sie nicht unterstützen will. Recherchieren Sie, informieren Sie sich. Mit einer Weiterbildung investieren Sie in sich und Ihre Zukunft.

Ein kleiner Tipp: Weiterbildungsmaßnahmen lassen sich in der Regel von der Steuer absetzen. Aber auch für Unternehmen stellt die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des sogenannten Qualifizierungschancengesetzes umfangreiche Mittel für die Weiterbildung von Arbeitskräften zur Verfügung. Unternehmen werden bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter*innen beraten und gefördert. Informieren Sie Ihr Unternehmen darüber.

In welchen Berufsfeldern wird in den nächsten Jahren eine digitale Weiterbildung auf jeden Fall notwendig sein?

Die Frage ist wohl eher: In welchen nicht? In Anbetracht des tiefgreifenden strukturellen und digitalen Wandels der Arbeitswelt zeigen sich zwei Entwicklungen: 1. In den nächsten Jahren werden weniger Mitarbeitende benötigt. 2. Aufgrund der Entwicklungsdynamik auf dem Arbeitsmarkt ist nicht klar prognostizierbar, welche Future Skills beziehungsweise künftigen Qualifikationsprofile für welches Berufsbild im Detail von Bedeutung sein werden.

Wir müssen uns darauf einstellen, dass die verbleibenden Berufsfelder und Berufe sich zukünftig viel schneller verändern, als wir dies aus der Vergangenheit kennen. Up-Skilling ist ein Weg für Unternehmen, nicht nur die aktuellen Mitarbeitenden an die neuen Herausforderungen heranzuführen, sondern auch aktiv zukünftige Qualifikationsprofile (Future Personas) pro-aktiv nach den eigenen Bedarfen zu entwickeln.

Ich bin überzeugt, dass wir hier vor einer grundlegenden Veränderung unseres Verständnisses von Berufsfeldern, Berufsfähigkeiten und der Weiterbildung im Unternehmen stehen.

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