Life & Style „Für mich ist Halbzeit“ – Rapper Kool Savas im Interview

„Für mich ist Halbzeit“ – Rapper Kool Savas im Interview

Erst Druck, dann Reflektion: Nach über 20 Jahren im deutschen Rap-Game hat Legende Kool Savas Zeit für die große Betrachtung. Ein Gespräch über Glück, Freundschaften – und sein Buch.

Savas, du hast über 20 Jahre Musikkarriere hinter dir. Menschen nennen dich den King of Rap. Siehst du dich selbst auch so?

Ich werde tatsächlich oft so genannt. Manche sprechen mich sogar mit King an. Der Titel ist zu meinem Namen geworden, er gehört einfach zu mir. Das ist wie bei Boxer:innen, die haben ihren richtigen Namen und noch einen zusätzlichen Namen, der für sie bezeichnend ist.

Der Name steckt auch in dem Titel deines ersten Buches, das jetzt erscheint. Ist es die Autobiografie des King of Rap?

Ich lehne diese klassische Autobiografie ab, weil das oftmals eine verzerrte Darstellung ist. Außerdem würde eine Autobiografie für mich einen Schlussstrich bedeuten. Aber ich habe nun mal schon eine lange Karriere hinter mir und glaube, es gibt einige Leute, die meine bisherige Karriere interessiert.

Du erzählst mit deinem Buch also nicht die klassische Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte?

Es ist auf jeden Fall keine klassische Bilderbuchgeschichte. Allein, weil ich immer wieder in viele Löcher gefallen bin und eine emotionale Achterbahnfahrt hinter mir habe. Es war oft mühsam. Nicht das Musikmachen, aber das Drumherum.

Welche Learnings kannst du aus deiner bisherigen Karriere ziehen?

Man sollte immer versuchen, sehr nah bei sich selbst zu sein. Ich glaube, wenn man so gut es geht mit sich im Reinen ist, dann kann man sich sehr gut von diesem enormen Erwartungsdruck lösen.

Wie lange hast du diesen Druck verspürt?

Ich stand 20 Jahre unter enormem Druck, aber ich habe gelernt, dass ich die Nummer eins auch mal abgeben muss. Man muss nicht immer an der Spitze von allen sein. Ich bin nicht Jay-Z oder Beyoncé und kann damit glücklich sein. Ich muss akzeptieren, dass es auch andere Leute gibt, die gerade den größeren Hype erfahren oder mehr gefeiert werden.

„Man muss nicht immer an der Spitze von allen sein.“

An welchem Punkt deiner Karriere hast du das zum ersten Mal erkannt?

Als ich 2011 das erste Mal mit meinem Album „Aura“ auf die Nummer eins gegangen bin. Das hat mich emotional gar nicht so abgeholt, weil ich mich in einem Umfeld befand, in dem ich nicht happy war. Da habe ich erkannt, dass das Umfeld und meine sozialen Kontakte eigentlich an erster Stelle stehen sollten.

Hast du dir von da an eine Art neue Work-Life-Balance aufgebaut?

Ja, ich habe Stück für Stück vieles in meinem Leben geändert. Ich habe mich zum Beispiel von jemandem getrennt, mit dem ich lange zusammengearbeitet habe. Weil es sich nicht mehr richtig angefühlt hat. Es war mein Business, meine Marke. Die musste ich so vertreten, dass es sich für mich gut anfühlt.

Welche Momente waren in der Rückschau die prägendsten deiner Karriere?

Jeder Moment hat einen anderen Auslöser und ein anderes Ergebnis. Die prägenden Momente waren die, in denen ich mich aus Beziehungen befreit habe. Soziale Kontakte haben mittlerweile großen Wert für mich, deshalb reagiere ich auch schnell emotional. Es sind die großen Veränderungen, nicht die Erfolge.

Was würdest du deinem jüngeren Ich sagen, wenn du könntest?

Ich würde ihm sagen, dass es bis zum Zeitpunkt der Familiengründung etwas egoistischer durchs Leben gehen sollte. Weniger versuchen, es allen anderen recht zu machen, sondern einfach das machen, womit man sich wohlfühlt.

Würdest du diesen Rat auch anderen geben?

Grundsätzlich ja, aber Fehler müssen auch gemacht werden. Keine Karriere ist fehlerfrei. Fehler schärfen dein Profil und deinen Charakter. Doch man sollte sich prinzipiell wohlfühlen und auf sein Bauchgefühl hören.

Kool Savas: „King of Rap: Die 24 Gesetze“
Droemer, 368 Seiten, 22 Euro

Ist dies eines der Gesetze, die du in deinem Buch verhandelst?

Ja, ich bekomme über Social Media viele private Nachrichten von Menschen, die mir von ihren Problemen aus dem Leben berichten. Diese beinhalten oft die Erfragung nach Tipps für die eigene Karriere und sonst anderweitige Hürden aus dem Leben. Da scheint es einen Bedarf zu geben. Deshalb habe ich von Anfang an gesagt, dass mein Buch eine Art Ratgeber sein soll.

Das macht also den zweiten Aspekt auf, abseits der Autobiografie.

Ein Buch ist etwas Besonderes. Es sollte kein eigenes Merchandise-Produkt sein. Ich hatte den Anspruch, dass das Buch für sich steht. Es soll eine Geschichte der Befreiung sein. Ich glaube, das können viele Menschen auf ihr Leben übertragen. Gerade jüngere Menschen.

Noch mal zurück zur Struktur: Du hast 24 Gesetze ermittelt. Was genau hat es mit denen auf sich?

Es gibt ein Buch, das heißt „Power: Die 48 Gesetze der Macht“. Aus dem zitieren viele Rapper:innen, einige haben auf diesen Gesetzen sogar ihre Karriere aufgebaut. Dabei ist das Buch sehr stumpf. Es sagt einem, man komme nur an sein Ziel, wenn man andere manipuliert. Ich habe in den seltensten Fällen so gehandelt. Mit den 24 Gesetzen will ich zeigen, dass es anders geht.

In den Gesetzen kommen auch andere Prominente zu Wort, etwa Lena Gercke.

Ich wollte, dass auch andere Menschen gehört werden. Menschen, die ähnlich erfolgreich sind wie ich. Es ist viel spannender, wenn jede Geschichte noch mal anders beleuchtet wird. Viele denken wahrscheinlich nicht, dass es zwischen Lena Gerckes und meiner Karriere Parallelen gibt. Ich glaube, das ist sehr reizvoll.

Du sagst, das Buch ist nicht das Ende deiner Karriere. An welchem Punkt stehst du dann?

Seit meinen letzten zwei Alben hat sich für mich viel verändert, sowohl musikalisch als auch businesstechnisch. Es kann immer wieder etwas Neues, Unerwartetes kommen. Ich habe mir in den letzten Jahren viele Connections aufgebaut, ich bin offener und freier geworden.

Das Karriereende kann also noch warten?

Für mich ist gerade mal Halbzeit. Für viele fühlt es sich nach einem Ende an, aber das ist es nicht. Ich habe das Gefühl, dass in den ersten 20 Jahren alles sehr langsam war. Jetzt geht alles schneller, Musik wird schneller releast. Die Geschwindigkeit fordert mich, und das gefällt mir. Daher gibt es noch viele Dinge, die ich machen und erreichen kann.

Im Dossier der vierten Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Thema Sales & Retail. Mit Blick auf unsere Titelgeschichte sei gesagt: Wir brauchen eine OnlyFans-Strategie! Außerdem ist es eine sehr musik- und kunstlastige Ausgabe geworden: Drangsal, Kool Savas, Ju Schnee, Simon Lohmeyer, Rapperin Little Simz – alle dabei. Dies und noch viel, viel mehr gibt es am Kiosk eures Vertrauens – oder wie immer hier im Aboshop.

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