Personal Finance Gastbeitrag: Der Wahlausgang und die Finanzmärkte (Teil 5: Koalitionspoker)

Gastbeitrag: Der Wahlausgang und die Finanzmärkte (Teil 5: Koalitionspoker)

Ein Gastbeitrag von Nils-Hendrik Höcker, Deutschlandchef des Neo-Brokers BUX

Nur noch wenige Tage und der Wahlkampf endet im Höhepunkt der Stimmabgabe. Und dann? In den letzten Wochen haben wir analysiert, was die Parteien bei Digitalisierung, Rente & Altersvorsorge, Klimawandel, und Steuern im Programm haben – und was das für die Wirtschaft und Anleger:innen bedeutet.

Schauen wir also, was wir vom Wahlausgang erwarten können, und ob es einen Einfluss auf die Finanzmärkte haben wird. 

Niemand möchte die Bevölkerung abschrecken

Eines vorab: Keine der Parteien wagt in ihrem Wahlprogramm den ganz großen Wurf. Und das, obwohl wir vor großen Herausforderungen stehen: Deutsche Behörden arbeiten mit FAX-Geräten, das Rentensystem ist instabil, die Mobilität Deutschland auf Autos ausgelegt, und das Ziel, den Klimawandel auf 1,5 Grad zu begrenzen, kann nachweislich durch keine der in den Wahlprogramme vorgestellten Maßnahmen erreicht werden. Dennoch beschleicht einen das Gefühl, dass die Parteien die Bevölkerung nicht verschrecken wollen. Starke Forderungen sind unbequem und ein „weiter so“ ist einfacher zu vermitteln. Das manifestiert sich durch die Kanzlerkandidaten mit den laut aktuellen Umfragen besten Chancen gleichermaßen: Sowohl Laschet als auch Scholz versuchen sich daran, Angela Merkel 2.0 zu sein. 

Maximalforderungen werden nicht erfüllt

In dieser Serie haben wir gezeigt, dass die Programme der Parteien auf unterschiedlichste Weise Einfluss auf die Welt der Finanzen haben können. Für Anleger:innen kann eine neue Regierung langfristig Einfluss auf ihre Portfolios bedeuten: Manche Parteien wollen keine neuen Schulden machen und dementsprechend weniger investieren, andere wollen beim Klimaschutz voll auf neue Technologien und nicht auf gesetzliche Regeln setzen, wieder andere wollen das System für die Altersvorsorge auf Aktien ausrichten. Darauf kann der Markt nach der Wahl reagieren.

Für uns alle, egal ob Bürger:in mit Aktien im Depot oder nicht, bedeutet die komplizierte Situation in der Koalitionsbildung, dass keine Partei die Maximalforderungen wird durchsetzen können, die wir in den letzten Wochen vorgestellt haben. Weder wird die FDP am Montag nach der Wahl die Gewerbesteuer senken, noch die CDU die Verwaltung in den ersten 100 Tagen digitalisieren. Die Linke wird nicht sofort die Reichensteuer erhöhen, die SPD nicht die Gründer:innenszene finanzieren und auch die Grünen werden nicht die gesamte Wirtschaft auf den Klimaschutz ausgerichtet haben. In Koalitionen sind Kompromisse gefragt und dementsprechend werden wohl auch die großen Ausschläge in den Märkten ausbleiben, falls es nicht zu Rot-Rot-Grün kommt. 

Lange Koalitionsverhandlungen werden den DAX nicht beflügeln

Egal, welche Partei am Ende stärkste Kraft wird, die Koalitionsverhandlungen drohen, lang zu werden. Viele Kombinationen sind möglich und es ist wahrscheinlich, dass es das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik auf ein Dreierbündnis auf Bundesebene hinausläuft. Wer Bunderkanzler:in wird, entscheidet sich damit voraussichtlich nicht am Sonntag, sondern vermutlich erst in den Wochen oder Monaten danach. Es wäre nicht einmal überraschend, wenn Angela Merkel die Weihnachtsansprache in diesem Jahr noch als geschäftsführende Bundeskanzlerin halten wird.

Der Wirtschaft wird diese Übergangszeit voraussichtlich nicht gefallen. Deutschland ohne gewählte Regierung bedeutet vor allem eines: Unsicherheit. Und wenn die Märkte etwas nicht mögen, dann ist es, nicht genau zu wissen, was morgen kommt. Ein unklarer Wahlausgang, bei dem lange Koalitionsverhandlungen folgen, wird zum Beispiel den DAX nicht beflügeln. Investor:innen werden zunächst einmal abwarten.

Ungewöhnliche Koalitionen können neue Wege gehen

Anleger:innen werden sich also gedulden müssen, welche Entscheidungen und Fortschritte aus einer kommenden Regierung entstehen, und wie sich diese auf verschiedene Märkte auswirken werden. Sicherlich kann eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners nicht so einfach die Zukunft Deutschlands gestalten wie etwa eine Wunschkoalition, beispielsweise aus SPD und Grünen oder CDU und FDP. Aber wer weiß: Vielleicht entstehen aus einer ungewohnten Konstellation ja neue Wege, um den Herausforderungen dieser Zeit zu begegnen. Worauf wir uns verlassen können: Es bleibt spannend am Finanzmarkt – egal mit welcher Regierung. Ich wage sogar eine Prognose: Die Grünen und die FDP sind sich schon lange einig, gemeinsam zu regieren und warten nur noch ab, ob sie Olaf Scholz oder Armin Laschet ihre Forderungen aufzwingen werden.  

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