Innovation & Future Wie in Kiel die Aquakultur der Zukunft entsteht

Wie in Kiel die Aquakultur der Zukunft entsteht

Hoch in Deutschlands Norden arbeitet man ehrgeizig daran, eine alte Branche komplett neu aufzustellen: Kieler Aquakultur-Startups bedienen sich aller Techmittel der Zukunft – und lassen so nebenbei einen Industry-Hotspot entstehen

Text: Florian Sturm

Auf der obersten der acht Etagen ist viel los. Manche der Gäste scheinen rastlos nach einem besseren Platz zu suchen. Andere beobachten das Geschehen, als wäre ihnen der Trubel egal. In den Stockwerken darunter finden sich die gemütlichen Gesellen ein – jene, die weniger neugierig sind. Die nicht permanent gen Himmel streben.

Plopp-plopp-plopp. Plopp-plopp-plopp. Als es plötzlich zu regnen beginnt, schwirren viele Hochhausbewohner nach oben. Wissend, was sie dort erwartet. Ihre Facettenaugen fixieren die herabsinkenden Futterhappen. Nicht alle kommen rechtzeitig. Wer zu spät ist, dreht wieder ab. Mit ihren zehn Vorderbeinen treten sie das Wasser, als gäbe es kein Morgen.

Willkommen im Milliardenbusiness Aquakultur. Sauberes Wasser, hochwertiges Futter und eine gute Haltung allein reichen längst nicht mehr aus, um am Markt zu bestehen. Stattdessen geht es immer häufiger um Kamerasysteme mit künstlicher Intelligenz, um Weiterbildungen via VR-Brille sowie Kooperationen mit führenden Forschungsunternehmen und ambitionierten Startups. Kiel ist deutschlandweit der Hotspot für Innovation und Digitalisierung in der Aquakultur. Grund genug, sich die ehrgeizigsten Aquakulturvorhaben anzusehen – und die Menschen dahinter.

Kilian Landsch, Mitarbeiter bei Förde Garnelen GmbH & Co. KG. Foto: Evgeny Makarov FÜR BUSINESS PUNK

Der erste Besuch führt zu Kilian Landsch. Wenn der an seinen Arbeitsplatz geht, ist Imagination gefragt, um hier eine der innovativsten Garnelenzuchtanlagen Deutschlands zu erkennen. Keine Gebäude mit riesigen Glasfronten, keine Parkplätze mit E-Ladesäulen, keine Aneinanderreihung von hippen Cafés für Elevator-Pitches in der Mittagspause.

Auf dem schmucklosen Gelände des Bülker Klärwerks nördlich von Kiel passiert Landsch einen Deich mit gut einem Dutzend Rauhwolliger Pommerscher Landschafe. Ein paar Möwen kreisen am Himmel und drehen Richtung Kieler Förde ab. Landsch steuert auf eine flache, olivgrüne Halle zu. Das Moos am Ansatz der Regenrinnen lässt erahnen, dass das Gebäude hier schon eine Weile steht.

Noch bevor Landsch seine schwarzen Arbeitsschuhe in einer Wanne mit durchsichtiger Lösung desinfiziert, wird einem der dominante Meeresgeruch (salzig, etwas fischig, irgendwie nach Hafen) bewusst, der sofort in alle Poren kriecht. Kurz darauf steigen die anderen Sinne ein: Wo sind wir hier? Auf einem Rave in einem Berliner Keller, in dem die Klimaanlage verrückt spielt? Bei 27 Grad und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit beschlagen dem Fotografen umgehend die Linsen seiner Kamera.

Das Licht im Raum kommt vor allem von blauen LEDs. Das entspreche der natürlichen Färbung des Ozeans und sei optimal für die Tiere, sagt Landsch. Das dreiköpfige Team von Förde Garnelen, bestehend aus Landsch, Bert Wecker und Lubica Šovčíková, ließ wissenschaftlich untersuchen, welche Farbtemperatur den Garnelen am besten bekommt.

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