Innovation & Future Wie in Kiel die Aquakultur der Zukunft entsteht

Wie in Kiel die Aquakultur der Zukunft entsteht

Bevor sie jedoch unter Blaulicht reifen, verbringen die Larven, die beim Einkauf aus Nordamerika zwölf Tage alt sind, vier Wochen in speziellen Quarantänebecken. Anschließend wachsen sie knapp vier Monate lang in verschiedenen Becken heran, ehe sie – im Schnitt 25 Gramm schwer – ausschließlich auf Bestellung abgefischt werden. Innerhalb von 24 Stunden sind sie dann bei den Käufern: Einzelkund:innen, Restaurants, großen Handelsketten.

Um den Abnehmer:innen die optimale Qualität zu liefern, werden die Tiere von vorn bis hinten verwöhnt. Als einzige in ganz Deutschland schwimmen sie in Ostseewasser statt künstlich hergestelltem Salzwasser. Die Becken haben Badewannentemperatur (29,5 Grad), und alle fünf Minuten lassen Futterroboter eine speziell abgestimmte, in Deutschland produzierte Rezeptur über die Hochhäuser regnen. Sensoren messen permanent Sauerstoffgehalt, pH-Wert und Carbonathärte. Weicht ein Wert außerordentlich stark ab, werden Wecker, Landsch und Šovčíková umgehend informiert. „All das ist im Grunde Standard in jeder guten Garnelenfarm“, sagt Landsch, als er durch die Anlage führt.

DIe Anlage zur Garnelenzucht. Die Becken haben mehrer Ebenen. Foto: Evgeny Makarov FÜR BUSINESS PUNK

Was diese Zucht jedoch einzigartig macht, sind einerseits die Hochhäuser, eine Eigenentwicklung des Teams. Durch sie verteilen sich die Garnelen gleichmäßiger in allen Wasserschichten, statt sich unter der Oberfläche zu drängen. Mehr Raum gleich weniger Stress. Genauso unscheinbar wie die gesamte Anlage ist auch das Tool, von dem sich das Team von Förde Garnelen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern erhofft: ein kleiner blauer Kasten, angebracht über dem dritten der insgesamt acht Zuchtbecken.

„Damit bestimmen wir die Biomasse“, sagt Landsch, dessen Stimme gegen das sonore Brummen und Blubbern im Gebäude ankämpfen muss. Mehrmals täglich fotografiert die Kamera die Wasseroberfläche. Die Aufnahmen landen automatisch beim Berliner Startup Monitorfish, das einen auf KI beruhenden Algorithmus über die Bilder laufen lässt. Der setzt Markierungen auf Kopf und Schwanz jedes Tiers und zählt so die Exemplare. „Dadurch wissen wir ziemlich genau, wie viele Tiere bei uns im Becken sind“, sagt Landsch. Zwar gäbe das nur Aufschluss über die oberste Wasserschicht. Doch zusätzliche Unterwasserlichtschranken zeigen an, ob sich besonders viele Garnelen in einem bestimmten Bereich des Beckens sammeln.

Anfangs führte das Team kein Monitoring dieser Art durch. „Wir fanden hier und da mal eine tote Garnele. Aber was macht das schon, wenn insgesamt 75 000 Tiere in der Anlage schwimmen“, sagt Firmenchef Bert Wecker. Als am Jahresende die Erträge geprüft wurden, kam der Schock: 85 Prozent der Tiere waren verschwunden. Aufgefressen von Artgenossen.

Bei Garnelen nichts Besonderes, wenn schwache oder tote Tiere verspeist werden. Aber derart viele? Um einen besseren Überblick zu bekommen, fotografierte Landsch die Wasseroberfläche einmal pro Monat mit dem Handy, markierte die Garnelen anschließend händisch am Rechner, zählte aus. Zeitaufwand und Fehlerquote waren groß, der Ansatz jedoch immerhin ein Anfang.

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