Green & Sustainability Lebensmittel im Überschuss und Überfluss: Wie dieses Startup dagegen vorgeht

Lebensmittel im Überschuss und Überfluss: Wie dieses Startup dagegen vorgeht

Die Regale im Supermarkt sind immer voll. Konsument:innen kennen es nicht anders, als dass sie alle erdenklichen Lebensmittel jederzeit einkaufen können. Der Preis dafür ist für die Umwelt jedoch hoch. Es wird zu viel produziert, zu viel weggeschmissen.

Das Startup SPRK.global geht mit Künstlicher Intelligenz und Technologie dagegen vor. Es setzt schon früh an der Lieferkette an, nicht erst ganz am Ende, beim Abfall der Verbraucher:innen. Wir haben mit Gründer Alexander Piutti gesprochen. Er erzählt, was genau die Idee von SPRK.global ist, was das Startup macht und wie er überhaupt dazu gekommen ist.

Was ist das große Problem bei der Diskussion um Lebensmittelverschwendung?

Grundsätzlich ist es gut, dass das Problem der Lebensmittelverschwendung immer stärker in das öffentliche Bewusstsein gelangt. Was mir bei der Debatte aber auffällt – sei es im öffentlichen Raum oder in der Politik – ist, dass der Fokus zu häufig bei den Verbraucher:innen und dem Einzelhandel liegt. Ich denke dabei an Fragen rund um das Legalisieren des Containerns, das Mindesthaltbarkeitsdatum oder dazu, wie Verbraucher:innen nachhaltiger einkaufen und konsumieren können. Das sind wichtige Fragen, aber sie zäumen das Pferd von hinten auf.

Denn um die Lebensmittelverschwendung wirklich einzudämmen, müssen wir schauen, wo sie entsteht und das ist größtenteils schon am Anfang und in der Mitte der Lieferkette. Grund dafür ist, dass kein Akteur der Lieferkette eine Unterversorgung riskieren möchte und so im Resultat zu viel Ware produziert, bestellt und vorgehalten wird. Das führt zu einer globalen Lebensmittelüberproduktion von derzeit 40 Prozent, was natürlich eine gigantische Ressourcenverschwendung ist und einen entsprechenden Klimaschaden nach sich zieht. 

Der Abfall bei Verbraucher:innen ist nur ein Teil. Wo in der Lieferkette findet die meiste Verschwendung statt?

Pro Jahr werden weltweit 2,5 Milliarden Tonnen an Lebensmitteln verschwendet, in Deutschland davon alleine zwölf bis 20 Tonnen. Laut dem WWF fallen 60 Prozent der Lebensmittelüberschüsse bereits am Anfang und in der Mitte der Lieferkette an – das heißt in der Agrarwirtschaft, bei den Importeur:innen, Produzent:innen und Großhändler:innen. Allein in Deutschland fallen jährlich am Anfang und in der Mitte der Lieferkette circa zehn Millionen Tonnen Überschuss an, eine unfassbare Menge.

Seit der Gründung von SPRK.global im März 2020 wissen wir, was das in der Praxis bedeutet. Wir haben bis dato einige hundert Tonnen an Überschüssen aus der Lieferkette erfolgreich umverteilt oder verarbeiten lassen. In Relation zu der Gesamtmenge ist das derzeit jedoch nur ein Bruchteil des Potentials. Aber alleine diese Tonnagen führen uns vor Augen, wie viel Überschussware tatsächlich im Markt ist und im schlimmsten Fall in der Tonne landet. Das wollen wir ändern.

Wie will SPRK da helfen?

Wir sind fest davon überzeugt, dass sich das Problem der Lebensmittelüberschüsse lösen lässt und zwar, indem wir entlang der Lieferkette ansetzen. Die Lebensmittelkrise und die Klimakrise gehen Hand in Hand – wenn wir helfen, die Lebensmittellieferkette effizienter aufzustellen, schützen wir Klima und Ressourcen. Konkret geht es uns darum, einen Sekundärmarkt für überschüssige Lebensmittel aufzubauen.

Wie sieht das aus?

Aktuell bauen wir unsere B2B-Handelsplattform auf, über die die Teilnehmer:innen der Lieferkette vernetzt werden sollen: Auf der einen Seite stehen als Lieferant:innen die Landwirt:innen, Importeur:innen, Produzent:innen, Lebensmittelzentrallager oder Großhändler:innen und auf der anderen Seite stehen als Abnehmer:innen lebensmittelverarbeitende Betriebe sowie Kantinen, Gastronom:innen, Caterer und gemeinnützige Organisationen.

Der Ansatz: Alle Teilnehmer:innen der Plattform lassen eine Vielzahl an Informationen in das System einfließen, sodass die Software später für beide Seiten den Bedarf und die Nachfrage an Lebensmitteln effizient ermitteln kann. Zum Beispiel: Welche Waren braucht ein:e Safthersteller:in oder ein Kantinenbetrieb? Wann fällt wie viel und welche Art von Überschussware bei den Lieferanten an?

Was macht ihr mit diesen Informationen?

Auf Basis all dieser Infos kann die Plattform dann dafür sorgen, dass die bestens genießbare Ware an die passenden Abnehmer:innen umverteilt wird – im Idealfall natürlich regional, damit hier der CO2-Fußabdruck auch so gering wie möglich ist. So kann beispielsweise der Apfel, der zu klein oder krumm ist für das Supermarktregal, vom Safthersteller bestens zu einem vergünstigten Preis verarbeitet werden.

Wie kann die KI da helfen?

Das Überschussproblem in der Lieferkette wird sich sicher nicht innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre vollständig beheben lassen. Was aber vermieden werden kann, dass hohe Tonnagen an bestens genießbaren Überschüssen mangels Abnehmer:innen in der Tonne landen. Es geht also um eine technologiegestützte, rasche Umverteilung oder Verarbeitung, wenn die Überschüsse anfallen. Das ist die Aufgabe von SPRK.global. Auf unserer Plattform soll auch Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen.

Das Besondere und Schöne ist ja, dass die Technologie mit der Zeit dazulernt. So kann die Plattform zukünftig auf Basis der erhaltenen Informationen der Lieferant:innen und Abnehmer:innen sowie mit Blick auf Wetterdaten oder unter Berücksichtigung von Großevents wie der Fußball-Weltmeisterschaft genauere Prognosen dazu treffen, wann welche Ware auf den Markt kommt und nachgefragt wird. Mit Hilfe von KI kann die Distribution der Ware und damit die Lebensmittellieferkette mit der Zeit viel effizienter werden.

Ich bin davon überzeugt, dass wir es mit Hilfe der Technologie schaffen, deutlich mehr Effizienz in der Lieferkette zu ermöglichen. Im ersten Schritt geht es darum, die Lebensmittelüberschüsse zu reduzieren, sie letztlich aber ganz auszumerzen. Denn das System von SPRK.global kann und soll global funktionieren. Daher auch der Firmenname SPRK.global – der Name ist Programm.

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