Innovation & Future Waterlight will mit Salzwasser erzeugtes Licht dorthin bringen, wo es keinen Strom gibt

Waterlight will mit Salzwasser erzeugtes Licht dorthin bringen, wo es keinen Strom gibt

Dabei könnte die Lampe in vielen Küstenregionen der Welt tatsächlich eine wertvolle Alternative werden. Gegenüber Solar- und Windenergie habe sie den Vorteil, wetterunabhängig Energie zu liefern, sagt Pinzón. Und während Solarpaneele erst nach einiger Zeit Strom liefern, sei Waterlight sofort einsatzfähig – nämlich in dem Augenblick, in dem das Wasser hineingeschüttet wird.

Rund 90 Prozent der Weltbevölkerung hatten laut der Weltbank 2018 Zugang zu Elektrizität. Epieyúu auf der Guajira-Halbinsel hilft das wenig. Bereits zweimal habe die kolumbianische Regierung versprochen, hier für Stromanschlüsse zu sorgen. Doch jedes Mal sei sie enttäuscht worden: „Sie haben Strommasten aufgestellt und Kabel aufgehängt, aber trotzdem gab es kein Licht.“ Stattdessen gebe es hier bloß einige solarbetriebene Straßenlaternen. Nun habe es einen dritten Vorstoß gegeben, den der große Steinkohletagebau El Cerrejón mitfinanziere. Wieder wurde versprochen, dass jeder für wenig Geld einen Stromanschluss erhalte. Epieyúu hat aber längst die Hoffnung aufgegeben.

Foto: Julian Walter für BUSINESS PUNK

Dabei ist die Regierung nicht ganz allein dafür verantwortlich zu machen, dass es in dieser Region keinen Strom gibt: Viele Bewohner:innen haben Angst vor einem Anschluss ans Netz. Denn mit dem Strom, so fürchten viele, kommen Großkonzerne. Und die Wayúu-Kultur könnte verloren gehen. Auch deshalb wäre Waterlight eine willkommene Alternative, findet Epieyúu. Sie würde Licht, aber keine Abhängigkeit bringen, ohne Umweltverschmutzung. Mittlerweile wird sie misstrauisch, was die Salzwasserlampe angeht: „Sie haben gesagt, dass die Lampe bald kommt. Aber das ist schon Monate her. Und ich habe noch immer keine Lampe.“

Die Sache ist: Ramírez und Pinzón hätten die Lampe gern ausgeliefert. Sie hoffen, dass es dieses Jahr so weit sein wird. Um endlich Investor:innen zu finden, streben sie ein Crowdfunding über Kickstarter an. Um die Wayúu bis dahin bereits zu unterstützen, hat E-Dina den Gemeinden handgefertigte Tragegurte für die Lampe abgekauft. Bisher 40 Stück. Luis Fernando Rincon hat Kontakt zu den Familien hergestellt, die die Gurte in traditionellem Wayúu-Muster hergestellt haben.

Rincon hat in Cabo de la Vela ein kleines Hostel. Fließend Wasser gibt es nicht. Der Generator macht so viel Lärm, dass er ihn um 22 Uhr abstellt. Dann kann man in seinen kleinen Hütten am Wasser kaum die Hand vor Augen erkennen. Er hat ein kleines Solarpaneel, damit Gäste ihre Handys laden können. Doch erst vor ein paar Wochen ist es kaputtgegangen. Für die Reparatur musste er nach Uribia fahren, die nächstgrößere Stadt. Beinahe einen Monat habe es gedauert, das Paneel zu reparieren.

Rincon findet es schön, dass seine Kultur mit einer Lampe in Verbindung gebracht wird, die womöglich Menschen auf der ganzen Welt helfen könnte. „Ich bin stolz darauf, dass bald vielleicht überall Menschen auf das Muster der Lampe und auf die Gurte schauen und wissen, dass das aus der Wayúu-Kultur stammt.“ Er hofft darauf, dass E-Dina bald schon mehr Gurte bestellt.

5 Euro zum Leben am Tag für 14 Menschen

„Ein, zwei Millionen Gurte“, sagt Rincon, den hier alle nur „Chupo“ nennen, Spanisch für Lolli, weil er als Kind immer mit einem Lutscher im Mund herumgelaufen sei. Von so einem Auftrag könnten ganze Gemeinden jahrelang überleben. Denn ein Gurt koste 20 000 Pesos, etwas mehr als 4 Euro.

Arenely Epieyúu Ipuana und ihre Familie haben zehn der Gurte für E-Dina gewebt. Ein gutes Geschäft, denn die 14-köpfige Familie, die in zwei kleinen Holzhütten in der Wüste wohnt, lebt durchschnittlich von weniger als 5 Euro am Tag. „Wenn wir mehr Geld hätten, könnten wir uns ein größeres Haus leisten“, sagt Epieyúu Ipuana. Vielleicht müsste sie sich dann kein Zimmer mehr mit ihrem Großvater teilen.

Kurz nach 17 Uhr: Die Sonne verschwindet, beinahe so schnell, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. In Cabo de la Vela legt Margarita Epieyúu ihr Häkelzeug weg. Vereinzelt hört man im Ort Generatoren röhren. Der Nachbar hat seinen aber längst wieder abgeschaltet. Wenn sie die Lampe hätte, sagt Epieyúu, würde sie vielleicht einen Kiosk aufmachen. Dann könne sie abends Bier und Cola an die Tourist:innen verkaufen. „Und vielleicht ein bisschen mehr verdienen als nur das Notwendigste.“

Foto: Julian Walter für BUSINESS PUNK

Waterlight dürfte nicht die Lösung aller Probleme auf der Guajira-Halbinsel sein. Aber vielleicht kann diese kleine Lampe einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten: nämlich einer ganzen Region dabei helfen, genau so viel Licht zu bekommen, wie sie eigentlich braucht.

Dies ist ein Text aus unserer Ausgabe 1/2022: In unserem Dossier beschäftigen wir uns mit dem Comeback des luxuriösen Lifestyles: reisen, speisen, residieren. Wir haben außerdem die Königsklasse der Fin-Meme-Bubble Papas Kreditkarte und Hedgefonds Henning zum Doppelinterview getroffen. Und uns die Mission der Satellitenfirma Planet Labs genauer angesehen. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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