Leadership & Karriere Karriere der Zukunft: Der Cringe-Post auf Linkedin macht dir den Aufstieg kaputt

Karriere der Zukunft: Der Cringe-Post auf Linkedin macht dir den Aufstieg kaputt

„What did you do today?“, fragt der Viral Post Generator. Als Antwort reicht ein Halbsatz wie „meinen Job gekündigt“. Dann noch einen „Inspirational Advice“ in ein Feld tippen wie „Der Weg ist das Ziel“, und das „Cringe-Level“ mit einem Regler zwischen „low“ und „high“ einstellen. Fertig ist der Linkedin-Post. Der Generator stammt von einem israelischen Marketingmanager und will sagen: Wer braucht heute noch Linkedin-Coaching, geschweige denn einen Ghostwriter, wenn alles, was für einen erfolgreichen Linkedin-Post nötig ist, auch von einer durchschnittlich begabten KI kommen kann?

Es ist immer dasselbe Schema: erst eine kurze Ansprache, den erreichten Meilenstein platzieren und sich ein Learning ausdenken. Was alle Postings noch gemein haben: Sie sind weird. Weird, weil immer dieselben Begriffe wie „Leidenschaft“, „geehrt“ oder „dankbar“ fallen. Weird wegen belangloser Phrasen, die nicht aufs Individuum zugeschnitten wurden. Weird, weil kein erkennbarer Businesskontext im Vordergrund steht.

Weird, weirder, Linkedin

Bloß sind die Postings von Menschen kein Stück besser. Deswegen ist es überhaupt erst möglich, dass diese KI-Posts viral gehen. Denn mittlerweile finden sich auf Linkedin unzählige Postings, die besser auf die Facebook-Pinnwand von 2012 gepasst hätten. Postings über Haustiere, Frühstück oder den Schicksalsschlag des Onkels.

Warum zum Teufel battlen sich Menschen um den Post mit dem größten Cringe-Faktor? Wir wollen nicht lesen, was eure Katze gefrühstückt hat, wohin ihr mit der Familie verreist oder welche Learnings ihr aus dem Tod eines Verwandten zieht. Ja, auch das wird auf Linkedin geteilt. Was Menschen wirklich lesen wollen, sind Erfahrungsberichte und echte Tipps für den eigenen Karriereweg.

„Man hat in seinem Leben immer verschiedene Rollen“, sagt Oliver Pott. Er hat zuletzt ein Buch über Sichtbarkeit und Kundengewinnung geschrieben. Seine Rollen im Leben: Unternehmer, Professor, Vater und eben Autor. „Sie können sich am Rande überlappen, aber du bist in deinen einzelnen Sphären mit anderen Themen relevant.“ Was Pott meint: In Businessnetzwerke wie Linkedin oder Xing gehört Business-Content. Kein privater Tratsch.

No-Go 08/15-Profil

Nur dann wenn es einen Businessbezug gibt, sagt Janine Drephal, Expertin für Linkedin und Businesskommunikation: „Persönliche Beiträge und Professionalität widersprechen sich nicht, wenn der Mehrwert für die Zielgruppe im Businesskontext gegeben ist.“ Irrelevanter Content sei ein No-Go auf Linkedin, ebenso wie ein langweiliges 08/15-Profil oder der fehlende Austausch mit dem Netzwerk, sagt die Expertin.

Relevanz also. Den Begriff nutzt auch Pott immer wieder: „Wer nicht relevant ist, findet nicht statt.“ Was bringt es schon, sichtbar zu sein, wenn der Inhalt für das Netzwerk unwichtig ist. Pott nennt ein leicht verständliches Beispiel: „In der Berufssphäre zu viel über Urlaub zu sprechen ist nicht relevant. Und genau das kann schnell nervig werden.“ Und wer nervt, wird wohl kaum leichter Aufmerksamkeit von potenziellen Arbeitgeber:innen auf Linkedin bekommen.

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„Da Linkedin das größte B2B-Netzwerk ist, haben die Userinnen und User direkten Zugang zu den Unternehmen sowie den Führungskräften und können mit diesen in Interaktion treten“, sagt Drephal. Wie also schaffe ich es, zugleich sichtbar und relevant zu sein, ohne dass mein Netzwerk beim Lesen der Beiträge in Fremdscham versinkt?

Sei gezielt laut – und authentisch

Erstens: Ehrlichkeit. „Ich empfehle immer den Weg der Authentizität. Das ist heute der wesentliche Zeitgeist“, sagt Pott. Nichts mit Rumschleimen und Drumherumreden also – auch was die eigene Biografie auf Linkedin betrifft. Denn der zweite Rat lautet: Do not pimp your CV. Was früher üblich war, „geht heute Stück für Stück weg, weil du als Bewerber von interessierten Arbeitgebern umringt bist. Deshalb braucht man heute keinen aufgeblasenen Lebenslauf mehr“, sagt Pott. Die Arbeitgeber wollen nicht lesen, dass man „CEO of everything“ ist, „das kannst du mit 23 Jahren noch gar nicht sein. Wenn du zu sehr aufdrehst, bist du unauthentisch“, sagt Pott.

Zu den Menschen, die ihren Werdegang doch zu sehr aufblasen, hat Pott eine klare Meinung: „Die fallen später auf die Nase, wenn sie sich einstellen lassen und mit ihrem Versprechen das hohe Erwartungsniveau nicht erreichen. Das sind die klassischen Mitarbeiter, die im Burn-out enden, weil sie ihren Lebenslauf aufgeblasen haben, der sie nur kurzfristig erfolgreich erscheinen lässt.“

Drittens: Selbstmarketing in Maßen. „Ein bisschen Trommeln gehört dazu. Es ist wichtig, für sich zu werben. Aber reduziere dein Image nach außen. Das ist langfristig der solidere Weg“, sagt Pott. Die Angst davor, hier nicht das passende Maß finden und sich so blamieren zu können, will Linkedin-Coachin Drephal dennoch allen nehmen. Sie sagt: „Wichtig ist, sich vor dem Start auf Linkedin intensiv mit der eigenen Positionierung zu beschäftigen. Wofür stehe ich und wofür eben nicht? Was möchte ich mit meinem Content erreichen, und welche Botschaften möchte ich vermitteln?“

Der Schlüssel: die eigene Peergroup

Viertens: Definiere deine Zielgruppe. „Du musst heute vor allem für deine Peergroup relevant sein“, sagt Pott. Also die Gruppe, die an deinem Expertenwissen interessiert ist. „Wenn man sich intensiv mit der Positionierung und der Zielgruppe auseinandergesetzt hat, kann man gar nicht zum peinlichen Pos(t)er werden“, sagt Drephal.

Passiert das dennoch, hat sie einen klaren Rat: „Sollte doch mal ein Beitrag negative Kommentare nach sich ziehen, sollte man einfach auf diese eingehen und auch zu der bezogenen Haltung stehen.“ Auch hier also wieder Authentizität und Ehrlichkeit. Auch wenn man es schon nicht mehr hören kann: Nur so soll tatsächlich ein Karrierenetzwerk zu einem Ort werden, der seinen ursprünglichen Zweck erfüllt.

Also fleißig Businesskontakte aufbauen, vernetzen, sich zu Themen austauschen – und so die eigene Karriere ganz von selbst vorantreiben. Das jedenfalls kann der Viral Post Generator dann doch nicht ganz alleine – zumindest noch nicht.

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