Leadership & Karriere Bestandsaufnahme: Kolumnist Nico Rose erklärt, wie man Werte vorlebt

Bestandsaufnahme: Kolumnist Nico Rose erklärt, wie man Werte vorlebt

Wenn ein Startup eine Größe erreicht, bei der nicht mehr jeder jeden kennt, müssen sich die Wege der Koordination ändern. An diesem Punkt denken viele Gründer:innen darüber nach, Unternehmenswerte vorzugeben, um Mitarbeitende zu erfolgskritischem Verhalten zu animieren. An sich keine schlechte Idee. Die Praxis zeigt allerdings: Solche Unterfangen gehen regelmäßig arg nach hinten los. Daher im Folgenden einige Tipps.

Es ist hilfreich, von (un)passenden Werten zu sprechen, wobei ein passender Wert die Strategie und das Wozu des Unternehmens stützt. Dazu müssen sie Resonanz bei den Mitarbeiter:innen erzeugen – im Denken, Fühlen und Handeln.

Denken: Mir sind Statements mit einem guten Dutzend Werten begegnet, die auch noch seitenweise erläutert wurden. Lieb gemeint, aber: Keine Sau liest sich so etwas durch – vom Sich-Merken ganz zu schweigen. Neuropsychologisch sollten es maximal sieben sein, eher weniger. Eine klare, bildhafte Sprache ist ebenfalls hilfreich.

Fühlen: Werte stiften Wert, wenn sie uns etwas wert sind. Diese Resonanz entsteht im Fühlen, weniger im Denken. Es gibt kein Geheimrezept, doch sollte man Mitarbeitende frühestmöglich in die Konzeption einbinden. Das eigene Kind ist niemals hässlich.

Handeln: Werte werden handlungsleitend, wenn sie bei konkreten Entscheidungen unterstützen. Wenn jemand nicht weiß, ob er A oder B tun sollte, muss ein Blick auf die Werte helfen. Die zuvor genannten Punkte sind Vorbedingungen dafür. Zudem sollte man verstehen, dass manche Werte in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen (Beispiel: Liefertreue und Qualität). Ein hilfreiches Statement berücksichtigt dies und nimmt eine Priorisierung vor: Es sagt etwas darüber aus, was im Zweifel wichtiger ist.

Wenn man sich Wertestatements anschaut, stellt man schnell fest, dass viele nahezu austauschbar sind. Böse gesagt: Das Logo ist essenziell, weil sonst keine:r versteht, um welche Organisation es geht. Unternehmen haben hier Angst vor Zuspitzung. Diese würde jedoch guttun, sie hilft zum Beispiel bei der (Selbst-)Selektion von Talenten. Werte laden nicht nur Bewerber:innen ein, sie schrecken andere auch ab. Zudem: Gründer:innen sollten verstehen, dass es verschiedene Klassen von Werten gibt, die auf unterschiedliche Weise nützlich sind – und auch mit typischen Schattenseiten einhergehen.

Grundwerte: Basale Dimensionen wie „Wir pflegen einen respektvollen Umgang untereinander“ bitte sparsam einsetzen, sonst wird’s belanglos. Regel: Wenn das Gegenteil Unsinn wäre (respektloser Umgang), ist die Positivvariante irrelevant.

Idealwerte: Sie drücken eine Aspiration aus: Wie wäre das Unternehmen gerne in der Zukunft? Solche Werte können wohldosiert (!) hilfreich sein, wenn das Unternehmen echte Bemühungen anstellt, sich entsprechend zu entwickeln. Wenn sie überhandnehmen oder nur pro forma genannt werden, schaden sie jedoch: Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit erzeugt Zynismus.

Zufallswerte: In jeder Organisation schleichen sich über die Zeit zufällige Werte ein, werden durch Gewohnheit Teil der Unternehmensrealität. Sie können sowohl nützen als auch schaden. Gründer:innen sollten genau hinschauen: Hat sich etwas organisch entwickelt, das förderungswürdig ist, hat sich vielleicht auch etwas eingeschlichen, was konterkariert werden muss?

Kernwerte: das kleine Set an Werten, das die Organisation im Kern ausmacht und von anderen differenziert. Etwa Facebooks „Move fast and break things!“ In seiner Klarheit unübertroffen, birgt aber auch Potenzial für Zerstörung, weshalb es nach einigen Jahren wieder abgewickelt wurde. Trotzdem ein Positivbeispiel, weil es Facebooks Anspruch in den frühen Jahren kristallklar und authentisch transportierte.

Ein stimmiges Wertestatement kann ein erstklassiges Investment in nachhaltigen Unternehmenserfolg sein. Es erfordert dann aber auch genauso viel Gehirnschmalz – und Ernsthaftigkeit.

Nico Rose

Der Metalhead war zuletzt Professor für Wirtschaftspsychologie an der ISM in Dortmund und davor bei Bertelsmann. Hält Keynotes und begleitet als Sparringspartner High Potentials zu mehr Zufriedenheit.

Das ist ein Text aus unserer Ausgabe 2/22. Außerdem zu lesen: Krypto-Art-Dossier. Big-Wave-Surfen in Portugal. Der CEO der Online-Uni Coursera. Und Cannabis aus Sachsen. Am Kiosk oder hier.

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