Leadership & Karriere Airbnb-Mitgründer: „Man muss jetzt sehr diszipliniert sein, um zu überleben“

Airbnb-Mitgründer: „Man muss jetzt sehr diszipliniert sein, um zu überleben“

Der Name Airbnb steht heute fast so für Ferienwohnungen wie Tesa für Klebstreifen. Aber zur Einordnung: Tesa machte 2021 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro, Airbnb ziemlich genau das Vierfache. Eine Geschichte von drei Gründern, die in nur anderthalb Jahrzehnten eine globale Tech-Plattform aufgebaut haben. Move fast and break things? Airbnb wird vielfach kritisiert, die Wohnungsnot insbesondere in Städten zu verstärken. 2019 etwa beschwerte sich die Pariser Verwaltung, dass die Hälfte der damals 65.000 Airbnb-Angebote „illegale Hotels“ seien.

Ein paar Monate später brachten die Corona-Reisebeschränkungen Airbnb in Schwierigkeiten. Das Unternehmen war davon natürlich viel stärker betroffen als andere Tech-Plattformen. Der Lockdown bescherte Amazon oder Netflix Rekorde, für Airbnb brach das Geschäftsmodell zeitweise fast komplett weg.

Nathan Blecharczyk ist Mitgründer, lebte mal mit den beiden anderen Brian Chesky und Joe Gebbia in einer WG. Er ist bis heute im Unternehmen und verantwortet jetzt die Strategie. Heute zählt ihn Forbes zu den 350 reichsten Menschen der Welt, knapp 7 Milliarden Dollar Vermögen, Stand Mitte November.

Wir haben Blecharczyk per Videocall zum Interview getroffen. Airbnb will ein neues Programm bekanntgeben, um mehr Vermieter:innen zu gewinnen. Auch in Sachen Regulierung illegaler Kurz-Vermietung tut sich etwas: In Berlin etwa zwingt Airbnb ab März alle Inserate eine staatlich vergebene Nummer einzutragen, um zu beweisen, dass sie die Wohnung auch vermieten dürfen. Vorher hatte es lange auch vor Gericht ausgetragene Konflikte gegeben.

Herr Blecharczyk, die Geschichte von Airbnb beginnt mit einer Mieterhöhung. Erzählen Sie mal mehr!

Wir drei lebten damals in einer WG in San Francisco. Die Miete für unsere Wohnung wurde plötzlich um 25 Prozent erhöht. Und ich habe gesagt: Das ist zu teuer. Ich ziehe hier aus. Aber Joe und Brian wollten bleiben. Sie hatten allerdings auch kein Geld. Gerade ihre Jobs gekündigt, um Unternehmer zu werden, auch bekannt als „arbeitslos“.

Weil sie als Designer wussten, dass es bald eine Konferenz in San Francisco geben würde, hatten sie eine Idee: Mein ehemaliges Zimmer an Gäste vermieten. Die Hotels waren nämlich alle ausgebucht. Ein Bett gab es nicht, also pumpten sie eine Luftmatratze auf. Es war also ein „airbed and breakfast“. Sie haben das dann einfach auf einem Blog angepriesen. Schon damals war es wichtig, Vertrauen aufzubauen. Denn die Geschäftsidee im Zuhause fremder Menschen zu übernachten, gab es so nicht.

Weil es den Menschen unsicher erschien, Fremde ins Haus zu lassen?

Ja, für viele ist es noch immer ungewohnt, fremde Menschen bei sich wohnen zu lassen. Aber wir wollen es ihnen erleichtern: Neue Gastgeber:innen werden jetzt zum Beispiel mit Erfahrenen verbunden, um den Einstieg einfacher zu machen.

Mentoring durch sogenannte Superhosts.

Wir haben den gesamten Einrichtungsprozess für neue Gastgeber:innen überarbeitet. Da erscheint direkt die Frage: Willst du mit einem Superhost sprechen? Die gehen mit den Neuen durch den ganzen Prozess. Wie lege ich meinen Preis fest? Das können sie beantworten. Aber auch allgemeinere Fragen: Wie ist das überhaupt genau, zum ersten Mal Gäste in Empfang zu nehmen?

Fotostrecke: So wohnt Blecharzcyks Mitgründer Brian Chesky – und vermietet hier an Gäste

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Für alle, die Sorgen haben, an Gäste zu vermieten.

Es hilft, wenn man mit den Erfahrenen sprechen kann. Außerdem können die neuen Gastgeber:innen ab jetzt für die ersten drei Vermietungen auf Wunsch besonders erfahrene Gäste wählen. Menschen, die Airbnb schon für mindestens drei Aufenthalte genutzt und gute Bewertungen bekommen haben. Und es gibt mit „AirCover“ einen besseren Versicherungsschutz für Gastgeber:innen. Er deckt Schäden bis 3 Millionen Dollar ab, vorher war es eine Million. Auch Boote oder Kunstwerke sind abgesichert. Wir finden, dass es nie eine bessere Zeit gab, um Gastgeber:in zu werden. Ein Drittel der Gastgeber:innen in Deutschland sagen, dass sie Unterkünfte auch deswegen anbieten, um die steigenden Kosten ausgleichen zu können. Airbnb entstand in einer Finanzkrise. Weil Joe und Brian ihre Miete nicht zahlen konnten.

Damals, bei ihren Mitgründern, was kostete die Nacht?

Ungefähr 80 Dollar pro Nacht und Person. Es kam eine sehr gemischte Gruppe von Gästen: Eine 35-jährige Bostonerin, ein Vater von vier Kindern aus Utah, ein Mann aus Indien. So kamen sie über das lange Wochenende auf etwa 1000 Dollar. Das hat Joe und Brian wirklich mit der Miete geholfen.

Der Wohnungsmarkt bereitet in Städten wie Berlin vielen Menschen bis heute Probleme. Auch Airbnb steht in der Kritik. Sind sie eigentlich froh, dass die Städte die Kurzzeitvermietung regulieren?

Nun ja, es ist unvermeidlich und ich unterstütze es. Unvermeidlich, weil es immer noch relativ neu ist und Neues muss reguliert werden. Und weil so viele Menschen ihre Unterkunft gelegentlich vermieten. Eine Milliarde Menschen haben so schon Unterkünfte gefunden. Und hoffentlich macht unsere Idee die Leben aller Menschen besser. Wir arbeiten eng mit Städten und Regierungen zusammen, unterstützen Regeln und helfen bei der Umsetzung, wie zum Beispiel in Hamburg, NRW oder Berlin.

Verlautbarungen über Airbnb aus der Politik klingen oft unharmonischer.

Heute haben von den 200 Top-Städten auf Airbnb 90 Prozent Regeln aufgestellt. Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Den Menschen ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen, ist es auch. Ich denke, dass Airbnb eine eher untergeordnete Rolle bei den Problemen auf dem Wohnungsmarkt spielt. Aber es braucht definitiv eine Balance und Regulierung ist angemessen. Wir möchten aber, dass sie verhältnismäßig ist. Denn es ist uns wichtig, dass es für Privatpersonen möglich ist, gelegentlich das Zuhause zu vermieten, gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten. Hamburg ist ein großartiges Beispiel für eine deutsche Stadt, die früh reguliert hat.

Dort gibt es ein digitales Portal, mit dem man die Wohnungen bei der Stadt registrieren muss.

Ein solch bürgerfreundliches Registrierungssystem wie in Hamburg macht es für die Menschen leichter, sich an die Regeln zu halten. Es gibt klare Grenzen für die Gastgebenden, um auf verantwortungsvolle Art zu vermieten.

Was kann eine Plattform wie Airbnb proaktiv tun, um Missbrauch zu vermeiden, statt auf  Regulierung zu warten?

Verschiedene Städte wollen das Thema unterschiedlich angehen. Ihre eigenen Kriterien festlegen. Die eine Lösung auf unserer Seite dafür zu finden, wäre schwierig. Was gut funktioniert, ist eine digitale Registrierung direkt bei den Städten. Natürlich ist es ein holpriger Prozess, in Berlin zum Beispiel gibt es leider noch ein kompliziertes Genehmigungsverfahren. Mit der Zeit wird es in allen Städten einen Rahmen geben. In einigen ist es umständlicher als in anderen.

Als Marc Zuckerberg kürzlich sehr reumütig die Verantwortung übernehmen musste, als 11.000 Leute bei Meta entlassen wurden, haben sich viele gefragt: Ist der Typus des Gründer-CEO überschätzt worden?

Dass CEOs die Verantwortung übernehmen, ist gut. Die Pandemie war eine Achterbahnfahrt. Viele Firmen erleben jetzt den Tiefpunkt. Bei uns war das umgekehrt. Wir haben den Schmerz direkt am Anfang erlebt.

Im Mai 2020 gaben sie bekannt, dass 1900 Menschen entlassen werden, etwa jede:r Vierte.

Das sind harte Entscheidungen, man muss jetzt sehr diszipliniert sein und ein starkes Geschäft haben, um zu überleben. Zweieinhalb Jahre ist es bei uns her. Und ich denke, wir sind als Firma stärker als vorher. So schmerzhaft diese Entscheidungen sind, die zum Beispiel Meta jetzt trifft, ehrlicherweise sind sie einfach notwendig, wenn Firmen nicht in gutem, zukunftsfähigen Zustand sind.

Das Ergebnis einer von viel Geld getriebenen Strategie, die sich jetzt nicht mehr fortsetzen lässt.

Es gab ein Jahrzehnt wahnsinnigen Wachstums in der Wirtschaft, im Bereich Tech. Das ist jetzt sowas wie eine Versöhnung mit einer neuen Realität, in der man nicht mehr so leicht an Geld kommt.

Geben Sie uns doch mal ein paar Einblicke in Ihr Leben. Eine Runde Blitzfragen! Taxi oder Uber?

Uber.

Rad oder Auto?

Fahrrad.

Zug oder Flug?

Kommt auf den Ort an. In Europa mit der Bahn.

Wann haben Sie zuletzt im Zelt übernachtet?

Diesen Frühling. In Kalifornien. Wir waren bei einem Campingausflug mit der Schule unserer Kinder dabei.

Nach Frankreich oder Italien in den Urlaub?

Die sind beide großartig… Italien! Die Toskana ist einer meiner Lieblingsorte.

München oder Berlin?

Oh, jetzt wird es persönlich… München!

Uff! Wie begründen Sie das?

Das Oktoberfest, die Biergärten.

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