Leadership & Karriere Dein Leben ist dein Kapital: Casey Neistat – vom Tellerwäscher zum YouTube-Millionär

Dein Leben ist dein Kapital: Casey Neistat – vom Tellerwäscher zum YouTube-Millionär

Neben den Werbeeinnahmen verdient Neistat Geld mit Vorträgen und Beratung. Rund 400 Videos veröffentlicht er pro Jahr. „Nicht genug, 500 müssten möglich sein“, sagt Neistat, „denn Milliarden Leute warten gierig vor ihren Computern.“ Sein Fokus bleibt Youtube, auch wenn er auf Facebook, Twitter, Snapchat und Instagram aktiver werden will. „Qualität mal vorausgesetzt. Meine Devise ist: Mach mehr davon!“, sagt Neistat. Vier Stunden Schlaf pro Nacht reichen ihm. „Ich hatte noch nie so viele Möglichkeiten wie jetzt. Und sie werden nicht immer so groß sein, das weiß ich“, erklärt Neistat seine Hyperaktivität.

Mittlerweile ist er zweifacher Vater. Im Sommer 2014 heiratete er in Kapstadt die Schmuckdesignerin Candice Pool, ein paar Monate später kam Tochter Francine zur Welt. Seine Ehefrau tritt regelmäßig in seinen Videos auf, nicht selten hat man das Gefühl, eher unfreiwillig. „Ich muss sehr respektvoll mit ihr sein. Die Kamera darf nicht überall dabei sein“, beteuert Neistat. -Selektiv spannt er sein Privatleben aber auch für Kunden ein. Unter folgender Prämisse: „Wenn ich etwas meine Stimme gebe, heiße ich das Produkt nicht gut, sondern teile meine Perspektive darauf. Das steht im Zentrum von allem, was ich tue.“

Nirgends wird das deutlicher als in seiner Werbung für Mercedes. Da liefert er nicht nur den Spot selbst, in dem er sich von dem neuen CLA auf seinem Skateboard durch die Traumlandschaft Salt Flats in Utah und durch New York ziehen lässt. Er liefert auch gleich drei Making-of-Videos, bei denen er durchs Familienalbum blättert. Fotos und alte Videoausschnitte zu Pannen mit seinen ersten Schrottkarren, die Oma, Fahrstunde mit Teenagersohn Owen – persönlicher geht’s nicht, und natürlich gehen auch diese Spots viral. „Als mich Mercedes gebeten hat, ein Video zu drehen, wusste ich nicht, wo ich anfangen soll. Ich wusste nur, dass ich es auf meine Weise machen will“, erklärt er.

Wenn er einen Werbefilm drehe, dürften keine PR-Leute dabei sein, die Kunden wüssten vorab nicht, was er vorhabe. So viel Urvertrauen haben große Marken selten in externe Produzenten. Aber bei Casey Neistat, der aus Ärger über die Gängelung von Fahrradfahrern in New York auch schon absichtlich in Hindernisse auf Radwegen gerast ist, ahnen sie wohl: Es ist genau diese Mischung aus Subversion, Lifestyle und Lässigkeit, von der sie nur profitieren können.

Um eine Marke zu werden, muss man Regeln brechen. Neistat, der sowohl Popgrößen wie Beyoncé und Bowie als auch den deutschen Autorenfilmer Werner Herzog verehrt, schafft es, Haltung zu zeigen, ohne die Masse abzuschrecken. Stur zu sein in einem System, das von Klicks, Werbung und Teenager-Sehnsüchten geprägt ist. „Mir ist egal, wenn mich Leute hassen. Man braucht sicherlich ein gewisses Level an Arroganz und Ego, um so zu denken“, stellt Neistat fest. Kreativität sei keine Demokratie. Und um eine Marke zu werden, müsse man eine spezifische Stimme entwickeln. Mit dem Narrativ des amerikanischen Traums hat er ein Problem, obwohl – oder gerade weil – er dem immer wieder zugeordnet wird. „Zum amerikanischen Traum gehört, dass man immer den Regeln folgen soll. Mach, was andere sagen, dann wird alles gut … wird es aber nicht! Man sollte die Regeln der Gesellschaft hinterfragen“, sagt Neistat.

SELBSTDARSTELLUNG IMMER GERNE – ABER BITTE OHNE FILTER

Mit seiner im Sommer 2015 gestarteten Social-Media-App Beme hinterfragt er auch die Logik der Selbstdarstellung im Netz. Die Idee dahinter: Nutzer verdecken den Sensor ihres iPhones, indem sie das Gerät beispielsweise an die Brust pressen und damit die Aufnahme beginnen. Die Vier-Sekunden-Filme landen ungefiltert bei den Followern. „Remove self-awareness on social media“, lautet der Slogan. Nach anfänglichem Hype und 40 000 Downloads in der ersten Woche ist es etwas still geworden. Branchenexperten sind skeptisch, ob wirklich jeder sein Leben so ungefiltert und authentisch der Öffentlichkeit preisgeben will wie Neistat – und vor allem, ob das für Marken attraktiv ist. Für die Wirtschaftlichkeit ist das nicht ganz unerheblich.

„Ich spreche in meinen Vlogs nicht mehr über Beme, weil ich sehen will, wie es ohne mich wächst“, sagt Neistat auf dem Weg von seinem Studio in das Firmenbüro im Nebengebäude. Die 20 Sekunden auf dem Bürgersteig reichen aus, um erkannt zu werden. „Casey Neistat! Holy shit“, ruft ein junger Fan und bittet um ein Selfie.

„Ich habe hier zehn Leute sitzen, dazu die Investoren. Die Verantwortung geht weit über mich hinaus“, sagt Neistat und führt durch den minimalistisch eingerichteten Raum, in dem junge Männer auf ihre Tastaturen hacken. Neistat schaut sich um: „Beme ist das waghalsigste Unternehmen meines Lebens.“ Vielleicht weil er in seinem halsbrecherischen Tempo den Zeitgeist diesmal einfach überholt hat.

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