Leadership & Karriere Startups entlassen in Massen – Ist das eine „dornige Chance“?

Startups entlassen in Massen – Ist das eine „dornige Chance“?

Oder: „Definiere für dich Positionen, auf die du Bock hast.“

„Suche nach Unternehmen, die Innovationen vorantreiben. Investorengelder sind da ein guter Überblick, ein Berater kann einen Marktüberblick geben.“

„Gehe auf Events, und knüpfe neue Kontakte.“

„Gönne dir eine Auszeit, aber tingel nicht ewig in der Weltgeschichte rum, um den Anschluss nicht zu verpassen.“

Und last but not least: „Gehe achtsam mit dir um. Mach dir bewusst, dass deine Entlassung in keinem Zusammenhang mit deiner Leistung steht (außer du warst echt sackfaul), denke an deine Stärken, und lass dir dein Selbstwertgefühl nicht nehmen.“

Tipps von der Anwältin

Nicht alle Gekündigten gehen allerdings so soft und mit Demut mit ihrer Entlassung um. Man kann sich auch rechtliche Unterstützung holen, um die Entlassungswelle möglichst gut zu surfen. Nachgefragt bei der Rechtsanwältin: Anne Lachmund führt eine digitale Kanzlei für Arbeitsrecht, betreut Führungskräfte und Startups – und kürzlich auch Mandate von ehemaligen Klarna-Mitarbeiter:innen. Wählt man den Weg der Justiz, geht es in erster Linie darum, den Laden mit einer hohen Abfindung und zu guten Konditionen zu verlassen – und man macht es dem Unternehmen nicht ganz so leicht.

Zunächst einmal: Massenentlassungen sind rechtsgültig. Unternehmen müssen jedoch die Agentur für Arbeit vorab schriftlich über die Entlassungswelle informieren und den Betriebsrat in den Prozess miteinbeziehen. Außerdem müssen sie die Kriterien transparent kommunizieren, anhand derer die Beschäftigten entlassen wurden. „Kommt das Unternehmen diesen Anforderungen nicht oder nur fehlerhaft nach, kann das später zur Unwirksamkeit der einzelnen Kündigungen führen“, sagt Lachmund. Gegebenenfalls lassen sich hier also bereits Schwachstellen finden.

Kündigungen nur per Mail oder Videocall sind nicht ausreichend. Es muss schon ein Schreiben per Post sein. Um die Betroffenen aber über ihr Schicksal zu informieren, ist der relativ unpersönliche Weg per Mail in Ordnung, wenn auch nicht die feine Art. Stichwort: Zeichen mangelnder Wertschätzung. „Insbesondere wenn solche Entlassungs-Calls – wie gerade bei Klarna geschehen – nach Skript von unbekannten Aushilfskräften am Fließband durchgeführt werden“, sagt Lachmund.

Lachmunds Tipp für den ersten Schritt bei einer solchen Hiobsbotschaft: Hat man ein Aufhebungsangebot bekommen, solle man den Aufhebungsvertrag nie einfach so unterschreiben, schon gar nicht, wenn das Unternehmen Druck ausübt. Als Anwältin empfiehlt sie, rechtliche Unterstützung hinzuzuziehen. „Laut Studien gehen weniger als zehn Prozent gegen ihre Kündigung vor. Das ist im Endeffekt für viele Unternehmen ein guter Deal“, sagt Lachmund. „In der Regel lässt sich mit erfahrener anwaltlicher Unterstützung jedoch ein Vergleich mit wesentlich besseren Konditionen verhandeln.“ Natürlich kann man auch alleine in solche Verhandlungen gehen, nur scheint ohne Beratung und ohne Erfahrung in solchen Dingen der Arbeitgeber übermächtig – und man gibt eventuell schneller klein bei.

Ist die Kündigung bereits reingeflattert, besteht die Option, eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. „Da so gut wie alle Kündigungsschutzklagen mit einem günstigen Abfindungsvergleich enden, ist das finanzielle Risiko, auch ohne Rechtsschutzversicherung, sehr überschaubar“, sagt Lachmund. Klar kann man auch versuchen, anderweitig in dem Unternehmen unterzukommen, ob man das nach einer Klage aber noch möchte, ist ein anderes Thema. „Nach meiner Erfahrung macht ein Neustart in der Regel mehr Sinn, insbesondere wenn man dafür ein gutes finanzielles Polster ausgehandelt hat“, sagt Lachmund.

5 wichtige Schritte nach der Kündigung

Professionelle Hilfe

Ist der Bescheid über die Kündigung ins Haus geflattert, geht’s am besten gleich zur Anwält:in. Der prüft alles auf Rechtsgültigkeit – und ob der Abschied nicht auch zu großzügigeren Konditionen möglich ist.

Besuch beim Ex

Gerade bei Massenentlassungen sind die bisherigen Arbeitgeber oft sehr bemüht, dass es für die Einzelnen weitergeht. So finden in den Büros in den Tagen danach Job- und Recruitingmessen statt. Unbedingt wahrnehmen!

Postfach checken

In den kommenden Tagen werden Headhunter die Inbox fluten – gut! Bislang oft nervig, aber jetzt nicht verkehrt: Oft sind nicht uninteressante Positionen dabei. Für Arbeitsuchende sind die Services auch kostenlos, daher einfach mal antworten, anstatt gleich zu löschen.

Reichweitenhack

Stark persönlichkeitsabhängig: Wer einen offenen Linkedin-Post über seine Lage absetzt und den „Open to Work“-Rahmen ums Bild setzt, erreicht eine größere Zielgruppe an Entscheidern.

Dornige Chance

Jetzt in sich gehen: In welchem Modell will man weiterarbeiten? Kann man sich eine Auszeit leisten? Oder gar eine Gründung? In dieser Phase kann man sich endlich die großen Fragen stellen.

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 4/22. Gregor Gysi, Claudia Obert und die Tiktokker Elevator Boys haben mit uns über Geld gesprochen. Außerdem haben wir Streetwear-Legende Karl Kani getroffen und unseren Reporter Dolce Vita auf der Modemesse Pitti Immagine Uomo genießen lassen. Hier geht es zur Bestellung – oder ihr schaut am Kiosk eures Vertrauens vorbei.

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