Personal Finance „Papierdokumente wie Bargeld sind nicht mehr zeitgemäß“

„Papierdokumente wie Bargeld sind nicht mehr zeitgemäß“

Wer kratzt beim Bezahlen noch die letzten Cent-Stücke zusammen und zückt die Scheine aus dem Geldbeutel? Bargeldloses Bezahlen wird seit 2018 in Deutschland immer beliebter. Durch die Coronapandemie ist es sogar ausdrücklich erwünscht. Der Trend wird beschleunigt. Karte, Smartphone, Smartwatch: Möglichkeiten, bargeldlos zu bezahlen, gibt es viele.

Im Interview sprechen Unternehmer Frank Thelen und Visa-Marketingchefin Merle Meier-Holsten über die Vorteile von digitalen Bezahlmethoden, ihre Sicherheit und wie sich die Digitalisierung in diesem Bereich entwickelt.

Was war das Letzte, das Sie mit Bargeld bezahlt haben?

Meier-Holsten: Ich gehöre zu den Menschen, die in der Tat nur selten Bargeld in der Tasche haben. Wenn ich nach dem Joggen Brötchen für das Frühstück holen möchte, gehe ich zu einer Bäckerei, bei der ich mit meiner Smartwatch bezahlen kann. Wenn ich mal bar bezahle, dann nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

Thelen: Ich habe keinen Geldbeutel mehr. Papierdokumente wie Bargeld sind nicht mehr zeitgemäß, weil sie viele Nachteile haben. Bargeld überträgt Viren und ist eine Ressourcenverschwendung. Deswegen bezahle ich auch nicht mehr damit. Es gibt aber auch immer wieder Gelegenheiten, bei denen man nur mit Bargeld zahlen kann. In solchen Fällen habe ich mit meiner Frau den Deal, dass sie bezahlt.

Warum kann man nicht überall bargeldlos bezahlen?

Meier-Holsten: In Deutschland wurde die Entwicklung im Bereich kontaktloses Bezahlen langsamer angegangen als in anderen Ländern, in denen das schon deutlich etablierter ist.

Wir holen jedoch immer stärker auf. Corona hat hier als Katalysator gewirkt. Die Tendenz zu digitalen Bezahlverfahren war zwar schon immer da, ist aber erst durch die Pandemie wirklich beschleunigt worden. Wenn man jetzt sieht, wie sicher die Verfahren sind, dann führt das zu einer nachhaltigen Veränderung im Verhalten.

Wir sehen bei Visa auch anhand der Zahlen, dass die Nachfrage der Konsument*innen nach bargeldlosem Bezahlen immer größer wird. Und das merken natürlich auch die Einzelhändler*innen.

Also ist es eine Entscheidung der Einzelhändler*innen, ob sie die Möglichkeit anbieten, kontaktlos zu bezahlen oder nicht?

Meier-Holsten: Ja, es ist eine Entscheidung der Einzelhändler*innen. Digitales Bezahlen ist heutzutage auch ein klarer Wettbewerbsvorteil. Als Einzelhandel möchte ich die Kundschaft abholen, und ihr die Möglichkeit geben, zu bezahlen, wie sie es möchte.

©Marco Grundt Fotografie

Wie profitiert der Einzelhandel davon?

Thelen: Das Bargeld-Management fällt zum Beispiel weg. Sprich, ob man das Rückgeld passend rausgeben kann oder nicht. Auch um die Hygiene muss man sich dann keine Gedanken mehr machen.

Meier-Holsten: Bei vielen kleinen Einzelhändler*innen ist es auch so, dass sie ihre Erträge am Ende eines Arbeitstages noch zur Bank bringen und einzahlen müssen. Das ist beim digitalen Bezahlen kein Thema. Außerdem spart es auch Zeit. Mitarbeiter*innen müssen sich beispielsweise nicht um eine detaillierte Abrechnung kümmern und das Geld zur Kasse bringen.

Zusätzlich kann auch mehr Umsatz generiert werden, weil die Wartezeit in der Schlange an der Kasse kürzer ist.

Welche Vorteile hat das kontaktlose Bezahlen für die Kundschaft?

Meier-Holsten: Den Konsument*innen ist wichtig, dass sie einfach, schnell und sicher bezahlen und ihre Ausgaben im Überblick behalten können. Das ist beim kontaktlosen Bezahlen alles gegeben. Man kann ganz genau nachvollziehen, welche Transaktionen man gemacht hat und wundert sich nicht, wohin die 50 Euro aus dem Geldbeutel wieder verschwunden sind.

Wenn das Bargeld abhanden kommt oder es geklaut wird, dann ist es weg. Wenn ich eine digitale Zahlung nicht autorisiert habe, kann ich mein Geld wiederbekommen.

Wieso sind wir mit kontaktlosen Bezahlsystemen so hinterher?

Thelen: „Good is the biggest enemy of great”. Warum können wir keine Behörden digitalisieren? Weil wir gute analoge Behörden haben. Es ist ein Problem, dass wir uns auf guten analogen Strukturen in Sicherheit wähnen, nur weil sie aktuell noch funktionieren.

Meier-Holsten: An der Stelle ist auch viel Aufklärung und Unterstützung nötig. Ich muss ehrlich sagen: Ich war erstaunt über den Wissensstand zum Thema digitales Bezahlen, als wir bei Visa die ersten Consumer Researches gemacht haben. 

Es gibt so viele Mythen, die um dieses Thema kursieren. Wir müssen erstmal transparentes Wissen vermitteln, um eine neutrale Basis zu schaffen, damit sich die Kundschaft oder Händler*innen für eine kontaktlose Bezahlalternative entscheiden können.

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