Leadership & Karriere „The Economist“: Wie ein 179 Jahre altes Magazin zum Social-Media-Champion wird

„The Economist“: Wie ein 179 Jahre altes Magazin zum Social-Media-Champion wird

Online-Reichweite ist umkämpft. Ausgerechnet ein altehrwürdiges Wirtschaftsmedium schlägt sich dabei erstaunlich, kommt auf um die 60 Millionen Social-Follower:innen. Das Team dahinter leitet Kevin Young, Head of Audience.

Wir haben mit ihm über Clickbait, Karl Marx und Erdbeerschokolade gesprochen.

Herr Young, Sie sind vor 30 Jahren in den Journalismus gegangen – zu einer sehr analogen Zeit. Wer hätte den Einfluss der sozialen Medien absehen können?

Ich weiß noch, dass ich 2008 für die BBC gearbeitet habe. Und mein Chef schickte ein Memo herum, dass Journalist:innen in der Arbeitszeit nicht auf Facebook sein dürfen – weil es Freizeitvergnügen sei. Es dauerte nur etwa ein Jahr, bis der Newsroom seine eigene Facebookseite startete.

Kevin Young arbeitet seit dreißig Jahren als Journalist, begann mit 16 Jahren beim schottischen Sender Radio Borders. Beim „Economist“ ist der gebürtige Schotte Head of Audience und leitet ein Team von 14 Redakteur:innen.

Wie ist der Journalismus dadurch ein anderer geworden?

Eins ist ganz wichtig: dass wir als „The Economist“ eine vertrauenswürdige Marke sind. Dadurch wollen wir uns abheben. Heute sind ja viel mehr Informationen verfügbar. Nicht mehr nur Radio, Abendnachrichten, Tageszeitung. Es gab früher noch diese definierten Momente, in denen man Nachrichten konsumierte. Heute kann jede:r Nachrichten verbreiten. Da muss man wissen, wem man trauen kann.

„The Economist“ hat sich auch immer wieder klar positioniert, etwa indem man die Legalisierung von Drogen unterstützte. Nutzt einer journalistischen Marke die klare Kante?

Wir sprechen sehr ernste Themen an, aber uns ist besonders wichtig, ein breites Spektrum an Informationen abzudecken. Deshalb haben wir Reporter:innen oder freie Autor:innen, die aus einer großen Zahl von Ländern berichten. Der Grundgedanke ist: Was sollten Sie diese Woche über die Welt wissen? Das können umstrittene Fragen sein. Oder eben Berichte über diejenigen Teile der Welt, die sonst wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Auch für einen speziellen Humor ist „The Economist“ bekannt.

Ja, es braucht Licht und Schatten. Wir haben diesen augenzwinkernden Humor, mit dem wir manche Themen angehen. Zum Beispiel eine Recherche zu der Frage, wie sich in Japan Jahreszeiten und Schokoladenkonsum aufeinander auswirken. Da gibt es etwa die Minzschokolade-Saison, dann kommt aber die für Erdbeerschokolade.

Man liest widersprüchlich über Ihr Magazin, es sei das Zentralorgan der besitzenden Klasse, ein anderer betitelte es als „Ecommunist“, weil es ihm offenbar zu links war. Das erste Zitat stammt von Karl Marx, das zweite von Silvio Berlusconi. Wer von beiden hat recht?

Es wird immer ein paar Leute geben, die unseren Standpunkten zustimmen, und andere, die das nicht tun. Wir sind jedenfalls ein sehr kollaboratives Medium. Unter unseren Artikeln stehen ja nicht mal die Namen der Journalist:innen. Oft sind sie von vielen Menschen gemeinsam verfasst. In unseren Redaktionssitzungen sitzen bis zu 150 Leute. Wir führen heftige Debatten miteinander über die Frage, wie wir über etwas berichten. Aber dennoch wird das Ergebnis nie allen zusagen.

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