Productivity & New Work FAQ zum Arbeitsrecht: Darf ich während der Arbeitszeit demonstrieren gehen?

FAQ zum Arbeitsrecht: Darf ich während der Arbeitszeit demonstrieren gehen?

ArbeitsunfähigkeitsbescheinigungUmgang mit Mails und Workation. Das Arbeitsrecht in Deutschland ist kompliziert. Damit auch Normalsterbliche in Zukunft verstehen, was sie bei der Arbeit dürfen, können, müssen, sollen und was nicht, fragen wir Expert:innen, was hinter den gängigen Mythen steckt.

Unsere Fragen rund um das Thema Demonstration während der Arbeitszeit beantwortet Sarah Klachin. Sie ist eine auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwältin und dabei Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Pinsent Masons am Standort in München. Sie berät Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts und vertritt nationale und internationale Mandanten in arbeits- und zivilgerichtlichen Verfahren in ganz Deutschland.

Dürfen Arbeitnehmer:innen während der Arbeitszeit ohne Absprache mit den Arbeitgeber:innen an einer Demonstration teilnehmen?

Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer:innen ihren Arbeitsplatz während der Arbeitszeit nicht unabgesprochen bzw. unentschuldigt verlassen. Eine nicht mit den Arbeitgeber:innen vereinbarte Teilnahme an einer Demonstration während der Arbeitszeit stellt einen Verstoß der Arbeitnehmer:innen gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten dar und kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Wer also während der Arbeitszeit an einer Demonstration teilnehmen möchte, muss sich vorher mit seinen Arbeitgeber:innen absprechen.

Welche Konsequenzen drohen Arbeitnehmer:innen, wenn sie während der Arbeitszeit unabgesprochen an einer Demonstration teilnehmen?

Als Konsequenz für ein unentschuldigtes Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit können Arbeitgeber:innen je nach Einzelfall Lohnkürzungen, eine Ermahnung oder eine Abmahnung gegenüber den Arbeitnehmer:innen aussprechen. Wenn Arbeitnehmer:innen bereits einschlägig abgemahnt wurden, kann unter Umständen auch der Ausspruch einer Kündigung gerechtfertigt sein.

Müssen Arbeitgeber:innen Mitarbeitenden, die an einer Demonstration während der Arbeitszeit teilnehmen wollen, freistellen?

Grundsätzlich sind Arbeitgeber:innen nicht dazu verpflichtet, Arbeitnehmer:innen für die Teilnahme an einer politisch oder sonst veranlassten Demonstration freizustellen. Die Teilnahme zählt zur privaten Lebensführung, so dass Arbeitnehmer:innen grundsätzlich auf ihre Freizeit verwiesen werden können. Anders ist dies beim „arbeitsrechtlichen“ Streik, also dem gewerkschaftlich organisierten Streik um tariflich regelbare Ziele, bei dem Arbeitnehmer:innen unter bestimmten Voraussetzungen zur Niederlegung der Arbeit berechtigt sein können, um Arbeitskampf zu betreiben.

Welche Vereinbarungen können Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen treffen?

Auch wenn Arbeitnehmer:innen aus rein rechtlicher Sicht ihre Arbeit ausführen müssen, können Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen selbstverständlich betriebliche Lösungen finden. So können Arbeitgeber:innen zum Beispiel die Mittagspause verlängern, Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit geben, für die Teilnahme an einer Demonstration aufgebrachte Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes abends oder am Wochenende nachzuholen oder Arbeitnehmer:innen grundsätzlich auch unbezahlt oder sogar bezahlt freistellen.

Beachten sollten Arbeitgeber:innen aber, dass hier der Grundsatz der Gleichbehandlung zu wahren ist. Werden einzelne Arbeitnehmer:innen für Friedensdemonstrationen von der Arbeit freigestellt, muss es diese Möglichkeit grundsätzlich für alle Mitarbeiter:innen geben, sofern kein sachlicher Differenzierungsgrund besteht. Außerdem müssen unter Umständen in Zukunft dann auch Arbeitnehmer:innen für andere Demonstrationen freigestellt werden, auch wenn Arbeitgeber:innen deren Ziele möglicherweise nicht unterstützen wollen.

Bei den aktuellen Friedensdemonstrationen für die Ukraine handelt es sich um ein wichtiges Anliegen von hohem moralischem Gewicht, das eine kurzzeitige Arbeitsniederlegung durchaus rechtfertigen kann und auch sollte. Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen sollten in dieser Situation einvernehmliche Lösungen, also einen Mittelweg, finden, der den Interessen beider Seiten gerecht wird. Ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz stellt einen solchen jedenfalls nicht dar.

Welche sonstigen Möglichkeiten haben Arbeitnehmer:innen, an einer Demonstration teilzunehmen, die in die Arbeitszeit fällt?

Möglich ist zum Beispiel, abhängig von den Regelungen des Arbeitsvertrages, Urlaub zu nehmen, Überstundenabbau oder Freizeitausgleich zu beantragen, Schichten zu tauschen oder Mittagspausen zur Teilnahme zu nutzen. Mittagspausenzeiten gehören zur Freizeit der Arbeitnehmer:innen, in denen es ihnen freisteht, sich politisch zu betätigen.

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