Leadership & Karriere Was für ein Typ: Wie tickt Hollywoods erfolgreichster Horrorfilm-Produzent?

Was für ein Typ: Wie tickt Hollywoods erfolgreichster Horrorfilm-Produzent?

Text: Rüdiger Sturm

Er ist direkt am Telefon. Jason Blums Stimme klingt so, wie sie immer klingt. Ein bisschen aufgekratzt, immer zu schnell unterwegs, als wäre er am Rennen. Eben nicht zurückgelehnt und souverän wie die Stimme eines Menschen, dessen jüngster Film die 200-Mio.-Dollar-Marke durchbrochen hat. Der mit dem von seiner Produktionsfirma Blumhouse produzierten Knaller „Get Out“ in den USA das Thema Rassismus aufgewälzt hat – in einem Horrorstreifen – und dafür flächendeckend gefeiert wurde. Der sich jetzt mal ein Päuschen gönnen könnte. Im Gegenteil.

Wollte man Blum und sein Tun in einem Satz beschreiben, dann könnte der so lauten: Jason Blum ist 48 Jahre alt und macht Horrorfilme. Punkt. Wenn man noch ein bisschen weitergeht, kann man schreiben: Er ist der mittlerweile wohl erfolgreichste Macher von Hollywood-Schockern. Darunter „Insidious“, „The Purge“ und „Paranormal Activity“. Das sind alles gut gemachte, handwerklich saubere Herzstillstandslieferanten. Aber „Get Out“, der mit dem Comedian und Regieneuling Jordan Peele entstanden ist, erweitert den reinen Effekt um gesellschaftliche Relevanz – schwarzer Mensch trifft auf weiß geprägten US-Vorort. Von den Erlösen an der Kinokasse ganz zu schweigen. „Ein absoluter Grand Slam“, sagt Blum. „Ein Grand Slam mal 500.“ Stimmt fast, wenn man die Produktionskosten von gerade mal 4,5 Mio. Dollar bedenkt. Ein Etat, der für Blumhouse Productions typisch ist: Kein Film darf mehr als 5 Mio. Dollar kosten.

Der Discount-Produzent

Wenn Blum spricht, hört man einen Multitasker auf Red-Bull-Infusion. Und das muss er sein: Im Monatstakt sind seine Filme in den Kinos vertreten – zuletzt der Psychothriller „Split“ davor die jüngsten Fortsetzungen der Horrorfranchises „The Purge“ und „Ouija“. Die Zahl lukrativer Horrormarken, die seine Firma Blumhouse ausstößt, ist erstaunlich genug. Da jeder Film von Anfang an auf die Handvoll Millionen Dollar beschränkt ist, erhalten Regisseure im Gegenzug kreative Freiheit und das Recht auf die letzte Schnittfassung. Dafür werden sie symbolisch bezahlt – ebenso wie der Rest des Filmteams. So bekam Jennifer Lopez einst für die Hauptrolle in dem Bums-Thriller „The Boy Next Door“ erst mal nur 11 000 Dollar auf die Hand, von denen sie noch ihren eigenen Wohnwagen am Set zahlte – weil Blum für solchen Schnickschnack kein Geld ausgibt. Aber: Sobald ein Film eine bestimmte Einspielmarke überschreitet oder fortgesetzt wird, gibt es für alle Beteiligten satte Bonuszahlungen, die klar vertraglich festgelegt sind. Blum sagt: „Jeder braucht bloß online nachzuschauen, wie hoch die Einspielergebnisse sind, und er weiß, dass er einen Scheck über so und so viel Tausend Dollar bekommt. Und in der Regel stelle ich persönlich diesen Scheck aus.“ Rose Byrne etwa, Hauptdarstellerin der „Insidious“-Reihe, kassierte auf diese Weise 7 Mio. Dollar extra. Solche Regelungen sind in der Branche die löbliche Ausnahme, wo das Wort „Hollywood-Buchhaltung“ Schmähung ist. Denn dort werden selbst Blockbuster in die roten Zahlen gerechnet, was jede vertraglich vereinbarte Gewinnbeteiligung ad absurdum führt.

Mit seinem Effizienzdenken macht Blum auch nicht vor sich selbst halt. Er erzählt, dass er vor ein paar Jahren mit seiner Frau nach Marokko flog und keine 22 000 Dollar für Tickets erster Klasse ausgeben wollte. Stattdessen kaufte er eine komplette Reihe von Economy-Sitzen und ließ für 500 Dollar ein aufblasbares Bett anfertigen, das er im Handgepäck mitnahm, fertig. Das Paar hatte seinen Liegekomfort – Einsparung 89,5 Prozent.

Aber zu dieser Billigdenke kommt eben noch ein anderes Credo. Blum: „Wir sind eine Firma, die Künstler dabei unterstützt, ihre beste Arbeit abzuliefern.“ Das könnte man als eines der üblichen superlativischen Lippenbekenntnisse abtun, die Filmmenschen so gerne von sich geben. Doch es gibt einen guten Grund, Blum zu trauen. Nicht nur, weil angesehene Kreative wie Ethan Hawke oder Regisseur James Wan immer wieder mit ihm arbeiten. Vor allem hängt es mit seiner Familiengeschichte zusammen. Sein Vater war einer der einflussreichsten Galeristen Kaliforniens, der dem damals noch unbekannten Andy Warhol eine Plattform gab. Roy Lichtenstein war Freund der Familie, der auf den kleinen Jason großen Eindruck machte. „Er brachte mir das Schachspielen bei“, meint Blum mit sichtlichem Stolz. „Gerade weil ich mit Künstlern groß geworden und mit ihnen befreundet bin, habe ich es gelernt, ihre Autonomie zu schätzen.“

Horror als Franchise

Aber Blum ist eben auch nicht der großzügige Mäzen, der renommierten Regisseuren mal eben so Abermillionen für ihre Herzens­projekte zuschießt. Dafür besitzt er den richtigen Riecher, den Killerinstinkt eines großen Verkäufers. Auch das scheint in der Familie zu liegen: Als sein Vater mit der Ausstellung von Warhols Campbell’s-Suppendosenbildern einen finanziellen Reinfall erlitt, kaufte er die Gemälde kurzerhand selbst. Für 1. 000 Dollar. Rund 30 Jahre später kassierte er dafür vom Museum of Modern Art 15 Mio. Dollar. Von den Talenten des Sohnes konnte sich dann Ethan Hawke überzeugen, als Jason Blum die Leitung von dessen Non-Profit-Theater Malaparte übernahm und es prompt in die Gewinnzone beförderte. Für sein erstes Projekt als Filmproduzent ließ er Steve Martin ein Empfehlungsschreiben verfassen und trieb auf diese Weise die Finanzierung auf.

Würde er anderen hoffnungsvollen Produzenten das Gleiche empfehlen? – „Warte mal eine Sekunde“, heißt es, weil er schnell einen anderen Anruf annimmt. Kurz darauf kommt der Rat: „Schick dein Projekt an jede lebende Seele, die du in der Branche kennst, und versuche, ihre Unterstützung zu bekommen. Mach so viele Türen auf, wie du nur kannst.“

Seine Sporen verdiente er sich dann als Einkaufschef unter Harvey Weinstein. Allerdings leistete er sich dort auch einen Fauxpas, den er einerseits jahrelang bereuen sollte, dem er andererseits aber seine aktuelle Strähne zu verdanken hat. Beim Sundance Festival 1999 besorgte er Weinstein die Komödie „Happy, Texas“ für 10,2 Mio. Dollar, die nur ein Fünftel davon einspielen sollte. Tragisch: Auf demselben Festival lag auch „The Blair Witch Project“ auf dem Wühltisch, ein für 60. 000 Dollar im Dokustil gedrehter Horrorstreifen. Blum verzichtete – und brachte seinen Arbeitgeber um Einnahmen in Höhe von fast 250 Mio. Dollar.

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