Leadership & Karriere Der Koffer als It-Piece: Ein New Yorker Startup revolutioniert den Markt

Der Koffer als It-Piece: Ein New Yorker Startup revolutioniert den Markt

Die anderen können einpacken: Zwei Gründerinnen beweisen Euphorie fürs Gepäck. Mit Away haben sie ein Startup gegründet, das den Koffer wieder hip macht.

Paradiesische Strände, schneebedeckte Berge, weltbekannte Sehenswürdigkeiten. Was wie der Instagram-Feed eines gut beschäftigten Reisebloggers wirkt, ist tatsächlich der Firmen-Account eines der erfolgreichsten jungen Kofferhersteller der Welt. Vor allem auf dem Heimatmarkt, den USA, zunehmend aber auch in Europa, etabliert sich Away als Lovebrand reiseaffiner Millennials. Die stylisch-minimalistischen Koffer der New Yorker, mal zartrosa, mal tannengrün, sind eine Art It-Piece geworden, mit dem Influencer, Fans und Brand-Ambassadors an Flughäfen posieren.

Seit dem Launch vor drei Jahren hat Away über eine Million Produkte verkauft. Die Firma wächst, expandiert international, in über 40 Ländern sind die Koffer erhältlich. Dabei sind sie eigentlich nur Mittel zum Zweck.

Die Reisemarke der nächsten Generation

Die Vision von Jen Rubio und Steph Korey, den beiden Gründerinnen von Away, ist größer: Sie wollen eine Reisemarke der nächsten Generation aufbauen. Eine Brand, die Produkte und Services anbietet, die den Urlaub von Anfang bis Ende unkomplizierter und besser machen. „Wir haben Away gegründet, weil wir festgestellt haben, dass viel schiefläuft in der Reisebranche, es gibt unzählige Painpoints“, sagt Mitgründerin und Chief Brand Officer Rubio. „Die Koffer waren einfach das erste Problem, das wir angegangen sind.“

Steph Korey ist Geschäftsführerin und Mitgründerin von Away. Vorher hat sie Business Administration studiert. © Daniela Spector/Away

 

Der Legende nach begann die Geschichte des Startups, klar, mit einem kaputten Koffer. Jen Rubio stand Anfang 2015 am Züricher Flughafen mit den Überresten dessen, was früher mal ihr Gepäck gewesen war, und brauchte Ersatz. Als sie ihre Traveller-Freunde, unter anderem ihre spätere Co-Gründerin, nach Tipps fragte, konnte ihr keiner weiterhelfen. Niemand kannte einen Anbieter, dessen Produkte optisch wie qualitativ überzeugten.

Wachsen in einem satten Markt

Rubio und Korey hatten sich beim Online-Brillenshop Warby Parker in New York kennengelernt, wo Rubio Head of Social Media und Korey Head of Supply Chain war. Hier und bei ihren anschließenden Stationen bei der gehypten Matratzenmarke Casper beziehungsweise beim Modekonzern All Saints lernten sie, wie man sich als Newcomer mit cleverem Marketing, kluger Positionierung und speziellen Features auf einem eigentlich übersättigten Markt etablieren kann. Rubio sagt rückblickend: „Wir waren Teil eines der am schnellsten wachsenden Consumer-Startups ever. Und wir bekamen ein Gefühl dafür, wie das alles funktionierte.“

Je länger Rubio und Korey über die Sache mit den Koffern sprachen, desto klarer wurde ihnen, dass sie eine Marktlücke aufgetan hatten. „Ich liebe Reisen und Kultur und auch Brands“, sagt Rubio. „Aber ich stellte fest, dass es kein einziges Unternehmen gab, das Reisen auf die Weise dachte, wie es in meinem Freundeskreis stattfand.“ Aus ihrer Warby-Parker-Zeit wussten die beiden, dass sie als Team funktionieren, und beschlossen, genau dieses Reiseunternehmen selbst aufzubauen. „Steph wusste, worin ich gut war, und ich wusste, worin sie gut war“, sagt Rubio. „Und wir sind tatsächlich sehr gegensätzlich.“ Korey analytisch und methodisch, Rubio kreativ und stark im Konzeptionellen. Dementsprechend teilten sie die Zuständigkeiten bei Away direkt ohne Kompromisse auf: Korey wurde Geschäftsführerin, Rubio verantwortlich für die Marke. Ihr erstes Produkt, logisch: ein Handgepäckkoffer.

Bevor Rubio und Korey mit Away richtig loslegten, starteten sie eine umfassende Umfrage. Rubio sagt: „Anstatt die Leute einfach zu fragen, was für Koffer-Features sie sich wünschen, wollten wir wissen: Wie sind deine Erfahrungen beim Reisen? Was empfindest du als größte Painpoints? Was wünschtest du, könnten wir für dich lösen?“ Dabei kamen interessante Erkenntnisse heraus: Beispielsweise, dass viele die Wäschesäcke aus Hotels mitgehen lassen, um die Schmutzwäsche im Koffer separat transportieren zu können. Und dass es für viele tatsächlich das Schlimmste ist, wenn sie am Flughafen keinen Platz zum Aufladen ihres Smartphones finden. „Durch diese Anekdoten sind wir auf viele unserer Features gekommen“, sagt Rubio. „Die sind zwar sehr spezifisch und unscheinbar. Aber sie lösen reale Probleme, die viele Menschen haben.“

Euphorie für Gepäck

Im Februar 2016, nur ein Jahr nach Rubios persönlichem Kofferdilemma, brachte Away, befeuert von diesen Learnings, das erste Modell auf den Markt. Inzwischen sind Varianten davon in vier verschiedenen Größen, unterschiedlichen Materialien und allen erdenklichen Farben erhältlich. Regelmäßig gibt es Sonderkollektionen in Kooperation mit anderen Marken und Influencern, sogar eine „Star Wars“-Special-Edition war dabei. Außerdem im Programm: passende Handtaschen, Rucksäcke und Kleiderhüllen, aber auch Zubehör wie Kulturtaschen oder passende Packing Cubes, mit denen sich der Platz im Koffer optimal nutzen lässt. Und mit dieser Palette unspektakulärer, aber praktischer und aufeinander abgestimmter Produkte trafen sie offensichtlich ziemlich exakt das Bedürfnis ihrer Zielgruppe: Die Facebook-Seite von Away ist voll von euphorischen Kommentaren.

Die Euphorie erschließt sich auf den ersten Blick nicht unbedingt – die Koffer von Away sind, so als Produkt, ja nicht gerade revolutionär. Sicher, die Modelle sind stylisch und mit durchdachten Details ausgestattet, wie einer herausnehmbaren Powerbank, einem wasserdichten Wäschesack und einem Kompressionssystem, das die Luft aus den Klamotten presst, sodass mehr eingepackt werden kann. Und ja, die Koffer sind erschwinglich und versprechen trotzdem eine ähnliche Qualität wie die High-End-Marken. Aber am Ende sind es eben doch einfach Koffer.

Weniger Besitz, mehr Experiences

Die Begeisterung ist begründet in der Haltung, die in den Produkten steckt. „Bei Away sollte es um die gesamte Erfahrung des Reisens gehen und darum, was das mit einem macht“, sagt Rubio. Ein schlauer Move, schließlich legen viele junge Konsumenten heute immer weniger Wert auf Besitz, dafür immer mehr auf Experiences und außergewöhnliche Services rund um standardisierte Produkte wie Flüge oder Übernachtungen. Damit genau diese Zielgruppe trotzdem bis zu 625 Euro für einen Koffer ausgibt, entwarfen Rubio und Korey ein Konzept, das ein Lebensgefühl abbildet. Letztlich verkauft Away seinen Kunden keine Koffer. Sondern das Gefühl, verstanden worden zu sein.

Zentral sind dabei die Website, vor allem aber die Social-Media-Kanäle von Away, die Rubio und Korey schon vor dem Launch der Marke bespielten. Ehe es überhaupt ein finales Koffermodell gab, begannen die Gründerinnen, Reise-Content zu posten, aus dem zunächst gar nicht hervorging, wer oder was hinter der neuen Marke steckte. Auf Instagram starteten sie mit einem Video, das im Schnelldurchlauf schönste Urlaubsschnappschüsse zeigte. Es folgte eine Reise-Bucket-Liste, dann Sightseeing-Tipps für Städte wie Dallas oder Dubai. Irgendwann war eine angedeutete Kofferskizze dabei, aber Away hätte alles sein können: ein Reiseveranstalter, eine Hotelkette oder gar eine neue Airline. Zeitgleich baten Rubio und Korey befreundete Influencer, über Away zu posten. Es funktionierte. Die Leute waren angefixt: „Wir haben das Interesse für die Marke geweckt, lange bevor der erste Koffer herauskam“, sagt Rubio. „Das ist der Grund, weshalb der Launch später wie ein Overnight-Success wirkte.“

Away setzt auf Influencer-Marketing, etwa mit Cloudy Zarocki © ThePerspectiveCollection

 

Es gab nur ein Problem: Die Herstellung der Koffer verzögerte sich. Das Weihnachtsgeschäft 2015, das eigentlich der große Start hätte werden sollen, konnten Rubio und Korey vergessen. Doch die Away-Gründerinnen machten aus dem Fiasko einen Marketing-Stunt: Sie kreierten ein Buch namens „The Places We Return To“. Rubio und Korey befragten 40 Kreative, Unternehmer, Schriftsteller und Fotografen zu deren persönlichen Reiseerinnerungen, ließen die Texte aufwendig gestalten und zu einem hochwertigen Hardcover binden. Im November 2015, als die Away-Website live ging, aber noch keine Koffer produziert waren, bot Away statt des eigentlichen Produkts dieses Buch an, in dem ein Gutschein zum Vorbestellen des ersten Koffermodells lag. So konnten sie das Weihnachtsgeschäft doch noch mitnehmen. Und tatsächlich, die Aktion wurde ein Erfolg. Noch heute fragen immer wieder Leute, wo man dieses tolle Buch kaufen könne.

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