Prof. Dr. Jochen A. Werner
„Digitalisierung und KI werden die Gesundheitsversorgung verbessern - der Mensch allein schafft das nicht mehr.“
„Digitalisierung und KI werden die Gesundheitsversorgung verbessern - der Mensch allein schafft das nicht mehr.“

Prof. Dr. Jochen A. Werner

Arzt, Klinikmanager & Mitgründer von 10xD

Pottografie

Prof. Dr. Jochen A. Werner, Arzt aus dem Norden, fand im Ruhrgebiet seine zweite Heimat. Als Klinikchef in Essen prägte er die Gesundheitslandschaft mit Leidenschaft und Weitblick. Er ist überzeugt, dass Digitalisierung und KI die Medizin und Gesellschaft besser machen. Seine Liebe gilt dem Wasser am Baldeneysee, wo er Ruhe und Kraft schöpft. Und beim Fußball schlägt sein Herz für das Revier – mit Hoffnung auf Schalke.
Interview mit Business Punk Chefredakteur Oliver Stock: [Oliver Stock]: Guten Morgen, Jochen. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Du heißt nochmal? [Oliver Stock]: Oliver. Guten Morgen, Jochen. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Guten Morgen, Oliver. [Oliver Stock]: Sag mal, wer bist du eigentlich? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Jochen Werner, 66 Jahre alt, ein echtes Nordlicht. Ich komme aus Flensburg, Mutter Dänin, Vater Hamburger. [Oliver Stock]: Du sagst auch Rundstücke und nicht Brötchen? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Richtig. Definitiv. Und dann ging es weiter nach Kiel, dann ging es nach Hessen, genauer gesagt, nach Mittelhessen, nach Marburg, dann nach Essen. So, und das ist so meine räumliche Entwicklung. Ich war Arzt, habe lange die Marburger Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik geleitet, dann bin ich ins Krankenhausmanagement gegangen, habe 10 Jahre die Essener Uniklinik geleitet und dabei recht viel erlebt. Und ja, jetzt sitze ich hier. [Oliver Stock]: Jetzt sitzt du hier und du leitest die Uniklinik nicht mehr. Das heißt, du hast gerade einen Switch gemacht. Wir sind ja hier im Podcast und ich kann nur wiedergeben: Ich sitze hier einem strahlenden, braun gebrannten Typen gegenüber. Der sieht nicht so aus, als würde er gerade die Hände in den Schoß legen. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Nee, gar nicht. Ich habe ja vor 3 Jahren zusammen mit Alexandra Jorzic und David Matusiewicz 10xD gegründet. Also eine Firma, mit der wir Digitalisierung nach vorne treiben wollen. Jetzt bin ich seit einigen Wochen im Ruhestand und ich kann dir nur sagen, es ist die beste Phase, die ich seit langer Zeit erlebt habe. Weil dieser Druck weg ist, den du einfach hast, wenn du für 11.000 Mitarbeitende mehr oder weniger verantwortlich bist und natürlich an all die Patientenschicksale denkst. Und jetzt kannst du das machen, wozu du richtig Lust hast, und diese Themen habe ich ja auch über viele Jahre aufgebaut. Darin fühle ich mich total wohl und sage, ich genieße jeden Tag und genieße es jetzt auch, hier mit dir zu sitzen. [Oliver Stock]: Was macht ihr genau? Du hast erzählt, du bist mit Partnern zusammen, treibst ein Digitalisierungsprojekt voran. Was ist das? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Richtig! Also in Deutschland ist es ja so, dass wir es, wie alle wissen, lange verpasst haben, eine angemessene digitale Infrastruktur aufzubauen. Und überall hängt es an der Bürokratie. Wir sind total überbürokratisiert. Und das nach vorne zu bringen, dass wir Digitalisierung einsetzen wollen, zum Beispiel um Administration zu reduzieren und Prozesse schneller zu machen, besser zu machen, haben wir gesagt, das wollen wir als 10xD unterstützen.
Erstmal, indem wir Menschen zusammenbringen und diese dazu zu begeistern, sich unserer Idee anzuschließen. Auch dazu machen wir Veranstaltungen, in denen man ganz gezielt und viel über Digitalisierung lernen kann. [Oliver Stock]: Im Gesundheitsbereich? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Ja, aber nicht nur im Gesundheitsbereich.
Wir haben alle viel zu lange nur auf diesen Health-Sektor geguckt. Du kannst heute Gesundheit ohne Bildung, ohne Mobilität etc. gar nicht mehr weiterentwickeln. Deswegen, Gesundheit ist natürlich der Fokus, aber es geht um mehr. Es geht letztlich um eine gesellschaftliche Weiterentwicklung. Und mir geht es eben darum, das betone ich immer wieder, dass wir uns nicht in einer Gesundheitsblase alle feiern, sondern dass jeder trotzdem seine Kompetenzen haben muss, etwas tiefgreifend können muss. Der eine als Pfleger, der nächste als Arzt oder als Apotheker oder als Ökonom oder als Transportfahrer. Wir brauchen Kompetenzen. Und ich habe heute manchmal das Gefühl, alle sind happy, alle vernetzen sich, alles ist wunderbar. Aber wir Menschen sind noch nicht in der Position, wo wir Expertenwissen abbauen können. [Oliver Stock]: Jetzt kommt aber die KI. Du sagst, Digitalisierung treibt ihr voran, da macht ihr ein entsprechendes Projekt dazu. Aus meiner Sicht ist Digitalisierung schon das Ding, was es vor 20 Jahren gab, was man dann eingesetzt hat und was uns vorangetrieben hat. Doch nun haben wir schon die nächste Welle. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Richtig, wunderbar. [Oliver Stock]: Kommst du da noch mit? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Ob ich mitkomme? Ich versuche es zumindest. Nur trotzdem, wir kommen auf die nächste Welle nicht drauf, wenn wir nicht die erste mal abgearbeitet bekommen. Und das ist nach wie vor die digitale Infrastruktur. Ansonsten, ich habe natürlich gerade im Gesundheitswesen, im Krankenhauswesen, aber auch in Diagnostik und Therapie erlebt, wie künstliche Intelligenz schon heute viel bessere Ergebnisse schaffen kann. Also, wir nehmen jetzt mal die Radiologie. Radiologie ist ein Fach, wo die Menschen sich die Bildgebung ansehen. Und da kann man sich doch leicht vorstellen, du fängst morgens um 8:00 Uhr an und sollst dann bis 16:00 oder 17:00 Uhr all diese Befunde sehen und darfst keine Fehler machen. Und auf der anderen Seite kannst du heutzutage
die Maschine nutzen, die das nach bestimmten Vorgaben quasi abscannt und dann sagt, hier sind Auffälligkeiten. Diese Maschine, die hat keine
Probleme mit dem Ehepartner, die hat keine Müdigkeitsprobleme, die hat gestern Abend nicht gefeiert, die ist immer konstant und lernt an jedem Fall dazu, der vielleicht übersehen wird. Ich glaube, dass uns diese
Kombination von Mensch und Technik weiterbringen wird. Gleiches gilt fürs Labor. Wenn man sich überlegt, wie ein wirklich modernes Labor heute funktioniert, das ist KI-gesteuert, wo du jederzeit weißt, welche
Probe wann in welchem Diagnostikprozess ist, wann sie wohin geschickt und weitergeleitet wird. Das können wir Menschen gar nicht mehr leisten.
[Oliver Stock]: Das heißt, du umarmst diese KI, du bist einer, der sich nicht gruselt, sondern der sagt, her damit. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Absolut, her damit, weil die Diagnostik viel, viel besser wird. Sie wird schneller. Die Therapie wird genauer. Und deswegen sage ich auch: Das Berufsbild der Ärztinnen und Ärzte wird
sich total verändern. Was nicht bedeutet, dass man sie nicht braucht. Wir brauchen sie, aber wir brauchen sie anders. Wir brauchen sie eben auch als Menschen, die andere Menschen begleiten, die denen erklären, was
man tun sollte und sie durch die Krankheit begleiten. Am besten setzt dies schon vor der Krankheit, bei der Prävention ein. Wir müssen versuchen, die Krankheitslast in Deutschland deutlich zu reduzieren und
damit die Krankheiten zu verhindern. Das kann und muss man auch wieder durch KI unterstützen, weil man Zustandsberichte und Veränderungen mitgeteilt bekommt. Ich hatte letztens eine Nachricht
über mein iPhone, darin stand, Ihre Herzfrequenz hat sich über die letzten drei Wochen verändert. Dann habe ich mich gefragt, was war denn in den 3 Wochen? War es der Ruhestand? Nein, es war vor meinem
Ruhestand, aber ich hatte eine Medikation verändert. Ich fand es wirklich interessant, dass mich die Maschine erinnerte, guck doch nochmal nach,
sonst solltest du vielleicht doch zum Kardiologen. Genau das ist es, was ich will. Ich will ja nicht, dass irgendwas ersetzt wird. Ich will, dass es
besser wird. Und das wird es mit künstlicher Intelligenz 1000-prozentig. [Oliver Stock]: Jetzt hast du vorhin erzählt, du kommst eigentlich aus dem Norden, du kommst aus Flensburg. Du hattest offenbar eine Lebensreise, die dich hierhergebracht hat. Wie findest du es hier? Was für ein Ort ist das hier? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Ich finde es sensationell. Ich war ja zuletzt in Bad Homburg, zuvor in Marburg und so weiter. Das war auch alles gut so, ich habe immer wieder neue Leute kennengelernt, wunderbar. Und dann vor 10, 11 Jahren kriegte ich die Nachricht, ich könnte
Vorstandsvorsitzender an der Essener Uniklinik werden. Ich habe es dann meiner Frau gesagt, die sofort zum Wechsel nach Essen bereit war. Aus unserem Bekanntenkreis hingegen hörten wir: „Oh Gott, Ruhrgebiet, oh Gott, da tut ihr uns leid“. Und wir haben gesagt, nö, wir gucken mal. Dann
kamen wir hier an und es war supernett. Die Leute waren freundlich, die waren offen. Das war nicht dieses Gehabe, jeder weiß mehr als der andere. Und deswegen, wir fühlen uns super wohl mitten im Ruhrgebiet.
Und ich weiß gar nicht, ob es eine bessere Region in Deutschland gibt, wo so viel Herzlichkeit ist.
[Oliver Stock]: Jetzt hast du diesen menschlichen Faktor erwähnt, du bist Arzt, du bist professionell, kannst die Gesundheitsszene sehen. Was für ein Standort ist das hier? Was für ein wirtschaftlicher Standort ist das eigentlich? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Es ist ein gigantischer wirtschaftlicher Standort. Ich bin kein Wirtschaftsexperte, aber in meinen Augen holt das Ruhrgebiet noch nicht das ab, was es wirklich abholen könnte. Also hier sind, wie man ja auch immer sagt, diese ganzen Kirchtürme und so
weiter, was manchmal mehr trennt als vereint. Wir verstehen es noch nicht zu sagen, WIR, das Ruhrgebiet, sind die Power, WIR sind das Ruhrgebiet. Bayern ist schon extrem stark, aber da hinterfragt keiner, wie viele Städte sie haben und so weiter. Ich glaube, hier ist viel mehr
Energie, wenn man überlegt, was das Ruhrgebiet früher bewegt hat, die ganze Schwerindustrie und was alles war. Heute müssen wir uns fragen, wie können wir in diesem Digitalsektor unser Potenzial nutzen, für die
Mobilität, die Bildung, und natürlich für das Gesundheitswesen. Und Essen ist ein ganz starker Standort für Gesundheitswirtschaft, aber wie ich es vorhin schon sagte, es passt hier dann zusammen. Und deswegen Ruhrgebiet, das Riesenpotenzial muss abgeholt werden. [Oliver Stock]: Du bist jetzt nicht mehr in der Klinikleitung, aber stell dir mal vor, es hätte dich vor 5 Jahren noch mal das Angebot ereilt, jetzt Hamburg, jetzt München, jetzt Berlin, Charité. Hättest du dann gezuckt oder hättest du gesagt, nein ihr Lieben, hier bin ich jetzt zu Hause. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Das ist eine super Frage. Also, ich habe ja mal die Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Marburg geleitet. Und da, eigentlich war ich schon designierter Nachfolger für die HNO-Klinik in Berlin an der Charité. Das ist am Schluss an einer Gender-Thematik gescheitert. In dem Moment wäre es für mich das Allergrößte gewesen, wenn ich da
hätte hingehen können. Ein paar Jahre später kam dieser Move nach Essen. Wenn man mir vor 5 Jahren, also 2020, ich weiß nicht was angeboten hätte, ich hätte es nicht gemacht, weil meine Arbeit hier nicht
fertig war. Ich habe die Uniklinik 10 Jahre mit dem ganzen Team hervorragend entwickeln können. Ich wäre niemals mittendrin
rausgegangen, dann hätten wir vieles nicht zu Ende bekommen. Und wenn jetzt jemand käme und sagen würde, Mensch Herr Werner, vielleicht langweilen Sie sich und es gibt auch nochmal so ein Klinikum, ich würde es auf keinen Fall mehr machen. Ich habe eine großartige Zeit
am Essener Klinikum gehabt und ich glaube, alles was danach käme, man würde es immer wieder vergleichen und ich würde nicht mehr auf dieses Zufriedenheitslevel kommen. Also von der Seite her, ich habe eine super Zeit in einer super Einrichtung gehabt. [Oliver Stock]: Wenn jemand von außen aufs Ruhrgebiet guckt, dann denkt er vielleicht an Schornsteine und Ruß oder sonst was, aber wenn er professionell drauf guckt, dann sagt er, okay, eine Region des Strukturwandels. Hast du diesen Strukturwandel erlebt, auch mit deinen
Augen, aus deiner Branche heraus, oder ist das etwas, was dich eigentlich gar nicht tangiert hat?
[Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Doch, also ich meine, wir leben in Essen, es gibt die RAG-Stiftung, du kommst an der ganzen Kohlethematik ja gar nicht vorbei. Und dann fiel in meine Essener Zeit auch noch das Ende der Steinkohleförderung. Das mitzuerleben, war ein ganz besonderes Erlebnis. Natürlich kannst du es nicht richtig fühlen, aber du fühlst die
Menschen, du spürst, was hier passiert ist. Ich spüre aber auch Aufbruch. Wir haben viele Startups kennengelernt. Es haben welche im Klinikum angedockt, dort ihre Produkte mit uns zusammen entwickelt. Und das ist für mich Strukturwandel, weil sich die Struktur auch wirklich in unterschiedlichen Bereichen gewandelt hat. Ich sehe jetzt natürlich nur
primär diesen Gesundheitssektor, aber mit viel Technologie, mit großartigen jungen Leuten und deswegen glaube ich, hier ist schon vieles passiert. Und was hier natürlich ein Riesenvorteil ist, ist die Menge an Menschen. Es sind so viele, die wollen und wenn diese Energie gebündelt wird, dann sind wir ganz oben. [Oliver Stock]: Strukturwandel trifft ja auch andere Regionen. Wir können zum Beispiel darüber nachdenken, was passiert denn in diesen Automobilregionen, wo jetzt tiefe Verunsicherung herrscht. Glaubst du, dass der Strukturwandel, den das Ruhrgebiet durchgemacht hat und wo es noch drinsteckt, beispielhaft sein kann für andere Regionen? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Ja, das würde ich zuerst so angenommen haben. Aber ich glaube persönlich, es hängt ganz viel an den Menschen selbst. Und die Menschen in einer anderen Region Deutschlands, die sind auch wieder anders. Ich glaube, dass diese für sich ihren eigenen Weg finden müssen. Und deswegen denke ich, ist das mit Blaupause nicht so einfach. Hier hat es so geklappt. Das aber woandershin zu übertragen,
das ist schwierig. Du brauchst die Treiber und die müssen vorangehen, die müssen Akzeptanz haben und dann musst du einen Aufbruch haben. So glaube ich, kann man sich wandeln. Wenn du die quasi einheimischen Treiber aber nicht hast, die müssen die DNA der jeweiligen Region
haben, dann sind sie schnell unglaubwürdig. Wenn ein Zugereister kommt und sagt, so, ich bin jetzt hier der neue Landesoberchef und werde euch erklären, wie in eurer Region die Welt tickt. Das passt, glaube ich, nicht. [Oliver Stock]: Also lässt es sich nicht so einfach übertragen. Wenn du diese Treiber ansprichst, fällt dir ein Treiber ein, fällt dir eine Persönlichkeit ein, von mir aus auch eine historische Persönlichkeit, die du mit dem Pott, mit dem Ruhrgebiet, mit dieser Region hier verknüpfst? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Also, ich kenne die Menschen hier vielfach immer noch zu wenig. Da kann man zu einigen was sagen. Was mich aber schon sehr fasziniert hat, ist, was Herr Herrhausen so geleistet hat.
Dieser Eindruck verstärkte sich über die letzten Jahre, in denen ich im sogenannten Initiativkreis Ruhr mitwirken durfte. Das ist der Zusammenschluss von großen Unternehmen, die auch sehr, sehr viel bewegt haben für die Region, und das bedeutet eben auch Investitionen
für die Region. Da kommt man an dem Namen Herrhausen gar nicht vorbei. An diesem Beispiel versteht man, da waren Treiber, die gesagt haben, wir tun uns zusammen, wir bewegen was nach vorne. Und ich hatte von älteren Herrschaften gehört, dass Herr Herrhausen regelmäßig für 11 Uhr samstags eingeladen hatte, und da
saßen die Eingeladenen dann auch samstags pünktlich um 11 Uhr am Tisch. Damals habe man eben nicht gesagt, man könne jetzt nicht und man habe dies und das zu tun, sondern man erschien. Und da habe ich immer ganz großen Respekt vor, wenn jemand so nach vorne geht. Herr Herrhausen war für mich eine solche Persönlichkeit. [Oliver Stock]: Klingt so, als würdest du seinen Wert für Verbindlichkeit sehr hoch einstufen. [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Absolut. Inzwischen scheint ja vieles im Wohlfühlmodus zu sein, alles ist happy. Und da sage ich, nein, es geht auch hier und heute ganz viel um Verbindlichkeit. Wenn ich eine Verabredung habe, dann habe ich sie. Da kann immer mal was
dazwischenkommen. Aber dann rufe ich an. Ich bin für eine strukturierte Verbindlichkeit. Und das zahlt sich auch aus. Auch heute noch 2025. [Oliver Stock]: Wie erlebst du denn die Generation, die jetzt kommt? Also, wir sind beide, du bist schon raus, aber Boomer, wahrscheinlich bist du es eigentlich noch, könnte ich mir vorstellen, ich bin es auch knapp noch, da kommt nun eine andere Generation. Und wir erleben so einen Bruch, wahrscheinlich gibt es das aber zwischen allen Generationen. Was denkst du über die, die da kommen? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Ja, das hat mich auch wirklich beschäftigt, weil natürlich auch ein Krankenhaus ganz viel damit zu tun hat. Wir haben den demografischen Wandel und brauchen diese junge Generation.
Und ich muss sie dafür begeistern, engagiert im Krankenhaus mitzuarbeiten. Erstmal sind die Jungen anders als wir, als meine
Generation. Ich habe früher nie gefragt, ob und wann der Chef vielleicht noch zur Chefvisite kommt, ob 20 Uhr oder 21 Uhr. Ich war eben da. Das machen die Leute von heute nicht mehr. Die sagen um 17 Uhr, oh, ich würde dann jetzt gehen. Was ich früher verdammt und nicht selten auch
beklagt habe, das gibt es heute Gott sei Dank nicht mehr. Weil diese Person zunächst einmal in ihrem Umfeld lebt, für die Familie Verantwortung trägt und zudem eigene Interessen vertritt. Da bin ich auch viel verständnisvoller geworden. Aber was mir heutzutage ein
bisschen fehlt, das ist die Bereitschaft, wirklich in die Tiefe gehen zu wollen. Also ich sage mal, wir brauchen den Tischler, der wirklich mit dem Holz leben will, der das Holz verstehen will und so weiter. Und dieses über einen gewissen, manchmal auch schmerzhaften Punkt hinaus.
Das hat meine Generation auf jeden Fall nach vorne gebracht. Nun kann man sagen, ja, wir sind jetzt im Zeitalter von KI und vielleicht brauchen wir Tischler gar nicht mehr und wir drucken sowieso alles. Aber das hat
auch mit dem Verhalten zu tun und mit einem gewissen Vorbildsein. Und deswegen glaube ich einfach, du musst manchmal eben doch noch in die Arbeit richtig rein, und da bin ich mir im Moment nicht ganz sicher, wo das hingeht. Zum Schluss, glaube ich, bereitet sich diese Generation
aktuell auf das vor, womit sie in einigen Jahren umgehen muss. Vielleicht ist das genau der richtige Weg. Und wenn man sagt, es wird alles digital, sie werden die Umwelt digital reguliert bekommen, vielleicht ist das der Weg. KI wird ein Riesenthema auch beim Klimawandel. Möglicherweise
ist das Verhalten der jungen Generation in vielerlei Hinsicht auch gut so. Auf jeden Fall reagiere ich mit einem großen Respekt auf die jungen Leute, nicht zuletzt, weil sie Megathemen zu bewältigen haben, Themen, die wir Ältere mitverursacht haben, und wir sollten jetzt auf keinen Fall mit dem Finger auf die Jungen zeigen und sagen, sie wollten sowieso nichts machen. Das wäre falsch. Da sind auch ganz, ganz kluge, tüchtige Menschen bei.
[Oliver Stock]: Du bist ja nicht aus Versehen hier einer von den inspiring people of the POTT, also da merkt man, dass da auch eine gewisse Haltung hervorkommt. Jochen, wenn du die Augen schließen würdest und sagen würdest, wo im Pott möchtest du am liebsten sein? Wo ist deine Lieblingsecke? Wo bist du wirklich mit dir eins, wenn du an diese Region denkst? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Also das ist natürlich jetzt primär Essen, kenne ich ja vieles immer noch nicht ausreichend. Ich bin super gerne entweder am Baldeneysee oder an der Ruhr. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass ich aus Flensburg komme. Ich bin quasi am Wasser geboren und fühle mich am Wasser einfach super wohl. Am Wasser, auf dem Wasser. Überhaupt tut mir Wasser gut. Es vergeht kaum ein Wochenende, wo meine Frau und ich hier nicht irgendwo am Wasser sind. [Oliver Stock]: Was macht ihr? Rudert ihr sehr viel? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Wir gehen viel spazieren um den See, fahren mit dem Boot und solche Dinge. Ich brauche einfach die Nähe zum Wasser. Und die finden wir auch hier, selbst wenn es jetzt kein Meer ist. Ich brauche auch kein Meer, ich brauche Wasser, als Bach, als Fluss, als See oder eben natürlich auch als Meer. [Oliver Stock]: Zum Schluss, wir leiden doch hier alle so ein bisschen unter Schalke, oder? Hast du das verfolgt? [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Also ich bin ja ewig Fußballfan. Obwohl ich bei der Champions League sehr mit Bayern München sympathisiere, weil sie einfach den besten deutschen Fußball in der Champions League
abgebildet haben, hadere ich immer noch mit dem Bundesliga-Finale 2001, als Schalke damals eigentlich Meister war, das habe ich noch vor Augen. Damals dachte ich, das kann einfach nicht sein, was da passiert ist. Schalke hatte die Meisterschaft verdient. Und dann haben wir natürlich Dortmund hier. Dortmund ist ein Weltverein. Man hat aber auch Bochum hier. Man hat viele Vereine hier, das ist das Beeindruckende. Es gab früher ein Buch, als ich klein war, sag ich mal 7 oder 8. Das war von Sammy Drechsel und trug den Titel „11 Freunde müsst ihr sein“. Da ging es um die königsblauen Trikots und so weiter. So ist für mich diese Region groß geworden. Und dann war ich natürlich auch mehrfach auf Schalke im Stadion, zu guten Zeiten, auch als Raúl da war. Und wenn man Schalke im Stadion erlebt und das Steigerlied vor dem Anpfiff ertönt, das ist einfach etwas anderes. Und jetzt erleben wir eine ganz schwierige Phase für Schalke. Ich persönlich glaube, der Verein und die Fans haben sich auch selbst ein bisschen im Wege gestanden. Es kam dann diese fürchterliche Gazprom-Geschichte, wo am Schluss Schalke der benachteiligte Partner war. Zu einer Zeit, als politische Einflüsse vorherrschten. Da konnte nun auch niemand was dafür und so hoffe ich inständig, dass Schalke wann auch immer wieder hochkommt in die 1. Liga, weil Schalke in die 1. Liga gehört. Das täte der ganzen Region gut. Und dann soll der eine für Schalke, oder für Bochum, oder für Dortmund sein. Ganz egal. Und natürlich, ich darf nicht vergessen, als ich hier ankam, war Essen in der 4. Liga, der Traditionsverein Rot-Weiß Essen. Da haben wir von der Uniklinik eine Initiative unterstützt, die hieß „Essen hoch 3“, zusammen hoch in die dritte Liga. Hat ein bisschen gedauert, aber es ist geschafft. Und so sage ich, Essen muss irgendwann in die zweite Liga kommen. Und deswegen gehört zum Ruhrgebiet auch untrennbar der Fußball. [Oliver Stock]: In diesem Sinne sage ich, Jochen, Glück auf! [Prof. Dr. Jochen A. Werner]: Ja, Glück auf! Das war sehr, sehr nett. Vielen Dank!
„Wir werden den Wandel nur schaffen, wenn wir Digitalisierung nicht als Technik, sondern als Haltung verstehen.“